Geheimnisse des Geistes: Entwicklung der geistigen Kräfte und ihr Gebrauch (3)

Veröffentlicht: 25.10.2012

Ramakrishna sprach zu Vivekananda: “Du bist in Geldnot. Gehe zur Göttin Kali und bitte sie um Hilfe.“ Vivekananda ging in den Tempel der Göttin und meditierte dort einige Tage lang. Danach fragte ihn Ramakrishna: „Hast du die Göttin um Hilfe in deinen Geldangelegenheiten gebeten?“ Doch das hatte Vivekananda nicht. Er sah seine Geldnöte als ein zu geringes Problem an, um vor der Göttin davon zu sprechen.

Spirituell orientierte Menschen sind nicht deshalb spirituell orientiert, weil sie sich davon Wunder erhoffen. Nur wer keine Selbstbeschränkung praktiziert und falsche Vorstellungen von Spiritualität hat, ist an Wundern interessiert. Wunder gefallen den Massen und beeindrucken sie. Manche interessiert an der spirituellen Praxis nur, was sie gewinnen und andere verlieren können. Ehrfürchtig werden sie wegen ihrer Fähigkeiten bewundert und um Rat gebeten. Doch sie führen kein glückliches Leben und geben nur mit ihrer Kunst an.

Spekulanten sagen anderen oft, dass sie sich nicht mit dem schmutzigen Geschäft der Spekulation abgeben sollen. Sie üben Selbstkritik und behaupten, sie hätten nur aus einem Moment der Schwäche heraus spekuliert. Wer seine geistigen Kräfte nur zur Erlangung materieller Vorteile einsetzt, ist nicht besser dran. Durch die Attraktivität kleiner Siddhi oder übernatürlicher Kräfte verliert man sein eigentliches Ziel aus den Augen. Es entspricht unserer Natur, entweder die spirituelle Praxis  oder Wunder zu suchen. Die Suche nach Wundern ist eine Reise nach außen, während die Reise zur Selbstverwirklichung nach innen geht. Die geistigen Kräfte kann man durch beides entwickeln. Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Orientierung und in dem Ziel, für das wir unsere geistigen Kräfte einsetzen.

Die spirituelle Praxis ist das höchste Ziel. Durch sie will man keine Wunder vollbringen, sondern seine geistigen Kräfte für die Realisierung des Selbst einsetzen. Tatsächlich ist dies das größte Wunder und die höchste Errungenschaft des Menschen.

Wir sagen: Sieh das Selbst mit dem Selbst. Wahrnehmung des Atems ist auch Wahrnehmung des Selbst. Der Atem ist Bestandteil der Seele und erhält seinen Antrieb von ihr. Ohne Seele gibt es keinen Atem. Wahrnehmung des Körpers und seiner Bestandteile ist auch Wahrnehmung des Selbst. Alle Schwingungen des Körpers sind Schwingungen der Seele. Wir nehmen sie wahr, damit wir die Seele wahrnehmen können. Das gelingt einem aber erst nach voller Entfaltung der geistigen Kräfte.

Die Manifestation der geistigen Kräfte ist die Voraussetzung für die Wahrnehmung des Selbst. Die geistigen Kräfte können sich nur bei völliger Entspannung und innerem Frieden entfalten. Geweckt werden können sie durch Stilllegung der Sprache, des Körpers und des Geistes. Gemäß der spirituellen Auffassung führt die völlige Entspannung dazu, dass Körper und Geist einschlafen. Der spirituelle Aspirant entspannt nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist und spricht nicht. Manchmal raten Ärzte ihren Patienten, nicht zu sprechen. Doch sie raten nicht dazu, den Geist zur Ruhe zu bringen. Der spirituelle Aspirant erreicht durch die Beruhigung des Geistes auch die Entspannung des Körpers und schweigt. Sind Körper, Geist und Sprache stillgelegt, gibt es keine Impulse mehr, und das Generieren von Emotionen hört auf.

Kontemplative Meditation ist eine anerkannte Methode, den Geist an einem anderen Bezugsrahmen zu orientieren, doch Übungen in kontemplativer Meditation sind sehr schwierig. Solange der Geist nicht vom Selbst geführt wird, können sich seine Energien nicht manifestieren. Kontemplative Meditation über das Selbst ist ein wichtiger Begriff in den Jain-Schriften. Er bezeichnet den Zustand des Geistes unter Führung des Selbst. In diesem Zustand ist jede Faser des Körpers und jede Zelle des Geistes unter Führung der Seele Bestandteil allen Wissens.

Es gibt Millionen von Zellen und Milliarden von Neuronen im Körper. Sie beherrschen die Impulse des Geistes. Jede Vorstellung, die mit den Neuronen in Berührung kommt, kann sofort materialisiert werden. Für die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten sind sie von großem Nutzen.

Wenn wir unter Verstopfung leiden, rät uns die Naturheilkunde, uns entspannt hinzusetzen und eine Suggestion an die Darmzellen zu schicken, die ihnen sagt, dass sie sich öffnen sollen. Autosuggestion ist ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung der geistigen Kräfte. Wenn es uns gelingt, das Bewusstsein in den Zellen anzusprechen, können wir alles erreichen, was wir möchten. Dazu müssen wir unsere Wünsche und Begierden durch ein Bewusstsein ersetzen, das bis in die Zellen reicht. Das ist der Prozess der Selbst-Transformation. Es ist ebenso die Methode zur Entfaltung der geistigen Kräfte.

Quellen
Englischer Titel:
The Mysteries Of Mind Redaktion:
Muni Mahendra Kumar Herausgeber:
Jain Vishva Bharati Ladnun, India 2. Edition: 2002 Übertragung ins Deutsche:
2006 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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