Furchtlosigkeit ist der Kernpunkt aller Religionen. Mahavira sagte: „Nur der Furchtlose kann für Gewaltlosigkeit, Wahrheit, Vertrauen in- und zueinander und Begierdelosigkeit einstehen.“ Angst macht den Menschen gewalttätig und fördert seine Bereitschaft zum Stehlen und Lügen und zur Hortung von Reichtümern. Angst ist Motor und Motivation für die Erfindung und das Horten von Waffen aller Art. Durch Aufrüstung wollen sich die Nationen voreinander schützen, weil sie einander fürchten. Doch Angst ruft nur weitere Angst hervor. Aus Angst, die Wahrheit zu sagen, schaden wir anderen, töten, lügen und haben Vernichtungswaffen entwickelt, die imstande sind, den ganzen Planeten zu zerstören. Angst ist die Wurzel allen Übels, ohne Angst wären wir alle Übel los.
Wir brauchen eine Religion, die nicht auf Angst gegründet ist. Wahre Religiosität zeigt sich nicht darin, dass wir fürchten, in der Hölle zu landen, wenn wir die Religion aufgeben.
Neben der Angst sind die Versuchungen der Welt eine Ursache für die Deformation der Religion. Die Religion war durch das, wozu sie worden war, zum Selbstmord gezwungen. Die Menschen hatten die Essenz der Religion vergessen und begonnen, nach Belohnungen wie himmlischen Feen, die sie mit Blumen bekränzen und sie mit weltlichen Reichtümern überhäufen, Ausschau zu halten.
Viele Mütter schüren in ihren Kindern die Angst, dass sie in der Hölle landen, wenn sie dieses nicht tun oder jenes nicht lassen. Doch das ist ein Nährboden für die Entwicklung von Komplexen, welche in den Kindern Tendenzen zu Feigheit und Minderwertigkeitsgefühlen schüren. Tatsächlich hat wahre Religion wenig mit Angst zu tun, denn sie beginnt erst dort, wo Angst und Furcht enden. Das Ziel der Religion ist ein Zustand, in dem wir alle Auswirkungen von Handlungen aus der Vergangenheit überwunden haben. Durch die Religion können wir zum reinen Bewusstsein gelangen und Vorlieben und Abneigungen, Furcht und Versuchungen an der Wurzel ausreißen, was uns den Weg zu spirituellem Frieden weist.
Die wichtigste Frage bleibt jedoch, wie wir die völlige Transformation unserer Persönlichkeit bewirken können. Das können wir, indem wir das Unbewusste unserem Bewusstsein zugänglich machen oder – mit anderen Worten - indem wir unsere Seele aufwecken. Dazu müssen wir uns eine Methode überlegen.
Struktur und Systeme der Drüsen werden vom Unbewussten gesteuert. Dieses Steuerungssystem müssen wir aktivieren. Durch die Aktivierung können wir Ängste und andere nervliche Belastungen loswerden. Während die Physiologen bisher vergeblich nach einer Methode zur Aktivierung der Drüsensysteme von außen suchen, gibt es eine einfache spirituelle Methode von innen.
Wahrnehmung des Atems, des Körpers, des Selbst und Meditation über die Färbungen der Seele (Leshyas). Diese spirituellen Methoden werden von innen angewandt. Wenn wir über die Drüsen meditieren, die ja Bewusstseinszentren sind, aktivieren wir sie damit. Ihre Aktivierung löst die Angst und andere Emotionen auf und öffnet uns für neue Arten von Freude, Enthusiasmus und Vitalität.
Einmal erzählte mir der Teilnehmer eines Meditationscamps von einer vorher unbekannten Erfahrung, die er während der Meditation machte. Er fühlte, wie seine Drüsen aktiv wurden. Ich erklärte ihm, dass uns diese Erfahrung unter dem Begriff ‚Apurva Karma’ bekannt ist. Apurva bedeutet, was nie zuvor geschah, und Karma bezeichnet in diesem Fall einen Zustand des Geistes. Apurva Karma bedeutet soviel wie die Erfahrung einer bisher unbekannten Ausrichtung des Geistes, die man während der Meditation gewöhnlich zweimal erfährt. Einmal, wenn man die richtige Wahrnehmung erlangt hat, zum zweitenmal, wenn man den Geist durch Meditation über die weiße Farbe gereinigt hat. Während der Meditation folgen diese beiden Erfahrungen hierarchisch aufeinander.
Durch Meditation über die Zentren des Bewusstseins verfügt man über eine Methode, mit der man sich spirituell weiter entwickeln kann. Die Wahrnehmung des Körpers ist eine nicht unerhebliche Übung dazu. Man mag sich fragen, welchen Sinn es in diesem Zusammenhang macht, den Körper wahrzunehmen, der ohnehin nur aus Fleisch, Sehnen, Muskeln, Nervenbahnen, Drüsen und Knochen besteht. Wenn man sich darauf beschränkt, nur diese wahrzunehmen, bleibt man an der Oberfläche. Man muss weitergehen, um die über den physiologischen Gehalt des Körpers hinausgehenden, tieferen Erfahrungen machen zu können. Doch die meisten tauchen nicht so tief in die Innenwelt ein.
Ein anderer beklagte sich darüber, dass er sich fühle, als verschwende er seine Zeit, wenn er meditiert und könne sie zu Besserem verwenden als müßig mit geschlossenen Augen da zu sitzen. Sicherlich ist das kein einträgliches Geschäft, wenn man müßig mit geschlossenen Augen dasitzt. Ein einträgliches Geschäft zeitigt vorzeigbare Produkte, so wie Essen beispielsweise den Hunger stillt und der Erwerb von Wissen dazu dient, nützliche Informationen zu sammeln. Doch was gewinnt man durch Meditation? Wer meditiert, kann kaum sagen, was er durch die Meditation erreicht hat.
Industrielle finanzieren Tausende von Forschungszentren, in denen Untersuchungen von hochqualifizierten Wissenschaftlern durchgeführt werden. Die Geldgeber wissen kaum etwas über Wesen und Komplexität dieser Forschungen. Die Forscher stehen häufig vor verblüffenden Problemen, deren Lösung einen großen Aufwand an Zeit und Geld erfordert. Die Direktoren der Forschungszentren können die Schwierigkeiten oft nicht ermessen, mit denen die Forscher zu tun haben.
Beispielsweise kostet es die Forscher viel Zeit, Energie und schwierige Denkarbeit, bis die exakte Bedeutung eines einzigen ungenauen technischen Begriffes festgelegt werden kann. Die Direktoren jedoch richten sich lediglich nach der Menge der Untersuchungen und bewerten die Arbeit der Forscher nur nach dem Geld, das sie einbringen. Eine solche Einstellung schadet in der spirituellen Praxis. Sie ist ein weites Feld, man darf die Geduld nicht verlieren.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass jeder aus dem spirituellen Weg auch den einen oder anderen Nutzen zieht, wenn er ehrlich ist. Wer an einem Meditationscamp teilgenommen hat, entwickelt ein ausgeprägtes Bedürfnis nach spirituellen Erfahrungen und spiritueller Kontinuität. Die Suche nach dem Selbst ist ein großes Unternehmen und ein grundlegender Instinkt des Menschen, der unweigerlich substantielle Ergebnisse erzielt.
Wahrnehmung des Atems, des Körpers, Leshya Meditation und Kayotsarga sind geeignete Methoden zur Transformation der Persönlichkeit. Didaktische Predigten mit dem Ziel, die Menschen religiös zu machen, sind unnütz. Einzig die Erfahrung ist wertvoll. Beachtet der Praktizierende die Spielregeln, wird er sein Bewusstsein erweitern können, und sein Einsatz für das Selbst wird ihm ermöglichen, Kontrolle über seine Leidenschaften und Emotionen zu erlangen.