Erleuchtung ist eine Manifestation des Bewusstseins im Dasein des Menschen. Sie bringt Licht in das Dunkel der das Bewusstsein umgebenden Ignoranz, aktiviert die Einsichtsfähigkeit des Menschen und setzt seine Urteilsfähigkeit in Gang. Diese Manifestation des Bewusstseins unterstützt den Fortschritt des Menschen auf dem spirituellen Weg. Eine Erfahrungsebene bisher ungekannter Klarheit und anhaltender Glückseligkeit wird mit der Manifestation des Lichtes zugänglich, die ihn in das Zentrum des Bewusstseins führt, von wo er niemals wieder in die düstere Welt des gewöhnlichen Lebens zurückkehren möchte.
Urteilsfähigkeit führt zu Selbst-Disziplin, die den Menschen von den mit den Sinneswahrnehmungen verbundenen Bewertungen befreit. Der Weg zur Freiheit beginnt mit dem Bewusstsein des Menschen von seinem Dasein. Anstrengungen im Hinblick auf das Selbst, Entsagungen und Meditation haben solange keine Bedeutung, wie der Mensch sich seines Daseins nicht bewusst ist. Mit diesem Bewusstsein fängt das Bemühen um das Selbst an, dem dann ein entsagungsreiches Leben und Meditation folgen.
Ein flüchtiger Eindruck seines Daseins macht den Menschen ruhelos und ungeduldig. Diese Ruhelosigkeit und Ungeduld haben in der spirituellen Praxis ihren eigenen Wert, zwingen sie ihn doch zur Konzentrierung seines unruhigen Geistes, der ihn bis dahin beherrscht hatte. Von nun an ist er derjenige, der seinen Geist beherrscht. Der ganze Körper steht für die Transaktionen des Geistes zur Verfügung, lassen wir ihm freie Hand.
Durch das Inkrafttreten von Urteilsfähigkeit und Einsicht wird der Geist transformiert. Früher war er unser Meister, nun wird er zu unserem Diener, trotz dieser grundlegenden Veränderung bleibt er weiterhin aktiv. Einsichts- und Urteilsfähigkeit machen den Menschen zum Meister seines Geistes..
Alle Bemühungen um das Selbst, Entsagungen und Meditation wären reine Zeit- und Energieverschwendung, wenn sie bei dem Praktizierenden nicht die Transformation seines Geistes, ja seiner gesamten Persönlichkeit bewirken würden. Vertrauen in die Effektivität von Bemühungen um das Selbst, Meditation und Entsagung können nur realisiert werden, wenn eine Transformation der Persönlichkeit bewirkt wird. Nicht nur derjenige selbst, auch andere müssen wahrnehmen können, dass eine Transformation stattgefunden hat.
Was ist die Transformation der Persönlichkeit? Darüber wollen wir uns Klarheit verschaffen.
Das Leben eines Menschen wird im allgemeinen durch die Abfolge von Freud und Leid charakterisiert. Wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir uns ein anderes Leben gar nicht vorstellen können. Doch sobald wir Erkenntnis-, Einsichts- und Urteilsfähigkeit in uns entwickeln, wird die Dualität von Freud und Leid durchbrochen. Wir gewinnen allmählich die Überzeugung, dass es auch ein Leben ohne Leiden geben kann. Der duale Strom von Freud und Leid wird durch einen einzigen, den der Freude ersetzt.
Auf jede Freude der Welt folgt Leid. Wir ertragen es und hoffen darauf, dass in der nächsten Runde nach der dunklen Nacht der helle Tag heraufdämmert. Das ändert sich erst dann, wenn Einsicht uns zu einem besseren Urteilsvermögen und größerer Klarheit verhilft. Mit dieser Klarheit gelingt es, den dualen Prozess von Freud und Leid in dem einfachen Prozess der Freude zusammenzuführen.
Das Leben eines Menschen wird durch einen anderen dualen Prozess charakterisiert, den von Erkenntnis und Ignoranz. Ignoranz verschwindet mit dem Dämmmern von Einsicht. Es regiert nicht mehr die duale Stärke-Schwäche-Autorität, sondern nur die Autorität des Wissens.
Das Leben eines Menschen wird auch von der Dualität Trägheit-Energie charakterisiert. Mit der Einsicht verschwindet die Trägheit, und der spirituelle Prozess gewinnt neuen Elan. In diesem Zustand gibt es weder Befürchtungen, noch Zweifel. Das ist das erste Stadium der Transformation.
Die Eindeutigkeit der Erfahrung ist das zweite Stadium der Transformation der Persönlichkeit. Vor der Transformation kennt man die ungeteilte Freude nicht. Mit dem zweiten Leuchten des Bewusstseins gewinnt der Energiestrom an Stärke und unsere Erfahrungen werden durch die reine Freude charakterisiert. Das ist eine neue Erfahrung. Bisher hatte man nicht gewusst, dass Freude auch auftreten kann, ohne mit Dingen außerhalb des Selbst assoziiert zu werden, mit Objekten, Geräten und Einflüssen. Wer die Entfaltung des Bewusstseins erfährt, empfindet die spirituelle Freude als die höchste aller Freuden und assoziiert Freude nicht mehr mit Dingen außerhalb des Selbst.
Wir Menschen müssen mit den Folgen unserer vergangenen Taten leben, Glück ist die Folge guter, Leid die Folge schlechter Taten. Darüberhinaus sind wir glücklich, wenn wir bekommen, was wir wollen, und unglücklich, wenn wir uns mit Dingen konfrontiert sehen, die wir nicht mögen oder gar ablehnen. Doch wenn wir erst einmal angefangen haben, im Lichte des Bewusstseins zu handeln, werden wir Freud und Leid gegenüber leidenschaftslos, ja neutral. Die Freude fesselt uns nicht mehr, und das Leid wirft keinen Schatten mehr auf uns.
Lord Mahavira hat viele Male Bedrängnis und Not überstanden, was auch anderen Selbst-Disziplin Praktizierenden gelungen ist. Kann man das auf der Ebene des gewöhnlichen Bewusstseins? Kann man das mit einem Lächeln auf den Lippen durchstehen? Vielleicht nicht. Doch eine von Leidenschaftslosigkeit geprägte Geisteshaltung ermöglicht einem darüber zu stehen. Ein mit Gefühlen legiertes Bewusstsein hält uns auf einem niedrigen Erfahrungsbereich. Auf einem höheren Bewusstseinsstand wird der Mensch zum Beobachter von Freud und Leid. Ohne von ihnen beeinträchtigt zu sein, ist er in der Lage die größte Not auszuhalten. Woher hat er diesen Spielraum? Seine Quelle ist die Einsicht.
Einsicht befähigt uns zu Urteilsvermögen, Urteilsvermögen zu Ausgeglichenheit.
Mithilfe des Meißels der Einsicht entfernen wir die Ablagerungen des Übels von unserem Geist, gelangen so bis in die Tiefen der Erfahrung und gehen damit über die Welt der Sinne hinaus. Mit Ausgeglichenheit bezeichnen wir die Freiheit von der Welt der Sinne. Wer in der Welt der Sinne lebt, ist vielleicht ab und zu tolerant und kann manchmal der Not standhalten. Ausgeglichenheit ist weitaus mehr als das, denn sie wird nur von denen erreicht, die über die Welt der Sinne hinausgelangt sind.