Atoanyatpapam (26)
Alle übrigen Arten von Karma sind negatives Karma (papa). (26)
Negatives Karma ruft ein unangenehmes subjektives Lebensgefühl hervor und blockiert oder behindert vielfach das geistige Wachstum des jiva.
Auch negatives Karma (papa) ist immer und ausschließlich das Ergebnis eigener Handlungen und Haltungen. Unbequeme Lebensumstände, Probleme, fehlende Anerkennung, etc. machen deutlich, daß ein jiva jetzt oder zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für dieses problematische Umfeld und/oder den entsprechenden emotionalen Zustand selbst geschaffen hat. Da sich dieses (eigene) Karma in jedem Fall manifestiert, sollte man nicht versuchen, es zu ignorieren.
Zwar ist die Manifestation negativen (wie auch positiven) Karmas zeitlich begrenzt, doch hat negatives Karma die unangenehme Eigenschaft, daß seine Manifestation leicht neues negatives Karma der gleichen Art hervorruft. Dies wird verursacht durch eine erneute (intensive) emotionale Reaktion des jiva auf das Erleben negativen Karmas. Eine Kenntnis dieses oft automatisch ablaufenden Mechanismus hilft bei der Befreiung aus dem Kreis sich ständig wiederholender Erfahrungen.
Die Manifestation negativen Karmas kann - solange das interaktive karmische Feld eines jiva noch entsprechende karmische Moleküle enthält - nicht verhindert werden. Dabei ist das Auftreten negativer Erlebnisse immer ein Anzeichen dafür, daß sich die Bindung dieser karmischen Moleküle an einen jiva (durch deren Aktivierung) gerade auflöst.
Wenn nun die Ursache für eine negative Situation außerhalb des jiva gesucht wird, - wie es im westlichen (fehlerhaften) Weltverständnis üblich ist - dann besteht keine Möglichkeit, an den eigentlichen Anlaß der negativen Umstände heranzukommen. In diesem Fall kann auch nicht verhindert werden, daß unangenehme Erfahrungen erneut auftreten.
Der Mechanismus ist einfach: Ein jiva, der in der Idee befangen ist, daß er keinen Einfluß auf das Eintreten negativer Ereignisse hat, empfindet leicht Unmut, Ärger, Enttäuschung, etc. über die Einschränkung seines positiven Lebensgefühls. Genau diese (leidenschaftliche) Reaktion veranlaßt jedoch die erneute Bindung an die gleiche Karma-Art.
Eine (erneute) leidenschaftliche Reaktion sagt aus, daß ein bestimmtes Lebensthema noch nicht abgeschlossen ist. Sie ist Anzeichen dafür, daß ein jiva sich (bewußt oder unbewußt) mit dem Thema noch weiter auseinandersetzen will. Es macht nun wenig Sinn, diesen Mechanismus negativ zu interpretieren, da dies nicht zu dessen Erledigung beiträgt, sondern den Zugang zum Verständnis der Situation eher blockiert.
Auch das bewußte Auskosten, Fördern oder Verlängern negativer Empfindungen verursacht ein erneutes Binden des gleichen Karmatyps. Der Versuch, unangenehme Erfahrungen zu ignorieren, verschiebt die (intensive) Beschäftigung damit nur in die Zukunft, erledigt sie aber nicht.
Wenn die grundlegende Beendigung eines Lebensthemas gewünscht wird, dann hilft es, beim Auftreten negativer Emotionen
- distanziert zu untersuchen, ob diese Gefühle möglicherweise nur auf einen Anlaß projiziert wurden, der sich zufällig in der Umgebung des jiva befindet und der mit dem sich auflösenden Karma nicht ursächlich zusammenhängt,
- zu überlegen, wo diese Gefühle ihren Ursprung haben, warum sie auftreten und welche Wirkung sie hätten, wenn man ihnen freien Laufließe, und schließlich
- zu fragen, ob eine Reaktion darauf überhaupt notwendig ist.
Generell stellt eine gleichmütige, neutrale Haltung negativen Erfahrungen und Empfindungen gegenüber sicher, daß kein weiteres Karma der gleichen Art aufgebaut wird.
Karma, das unangenehme Erfahrungen hervorruft, ist eine der Gegebenheiten unseres aktuellen Lebens. Es hat wenig Sinn, es durch zusätzliche negative Emotionen zu verstärken oder zu vertiefen. Selbst wenn Karma in einigen Spielarten die Eigenschaft hat, unser geistiges Wachstum einzuschränken oder zu blockieren, dokumentiert jeder, der sich mit dem Thema dieses Buches beschäftigt, daß sein Leben davon zumindest zeitweilig nicht mehr wesentlich überschattet ist.
Während wir nun die zeitliche Begrenzung unangenehmer Erfahrungen als recht und billig empfinden, möchten wir ein Ende positiver Umstände möglichst überhaupt nicht in Betracht ziehen. Wir sehen es als unser Grundrecht an, daß sich angenehme Lebensumstände in alle Zukunft fortsetzen.
Im Prinzip liegen wir mit dieser Haltung auch völlig richtig. Wir erahnen - bewußt oder unbewußt - einen Zustand, in dem kein Karma die in uns gefühlten immensen Fähigkeiten mehr einschränken wird.
Den Weg dorthin zu erkennen und zu gehen, ist jedoch nicht immer einfach. Selbst wenn Texte wie das Tattvarthasutra die Mechanismen ausführlich beschreiben, verlangt deren Umsetzung in die Praxis doch immer (wieder) die Überwindung eigener innerer Hindernisse und Vorurteile. Wer diesen Weg gehen möchte, sollte sich darüber im klaren sein, daß das bewußte Anlegen eines neuen - vom herkömmlichen westlichen Denken völlig verschiedenen - Verstehens der Weltmechanismen mehr und konzentrierteren Einsatz verlangt, als ein Leben in bekannten und vorgefertigten Bahnen.
Blockaden, Einschränkungen und Anstrengungen auf diesem Weg sind jedoch ein (selbstverursachter) Bestandteil unserer Existenz. Wenn wir diese Hindernisse nicht mehr als unüberwindliche Hürden ansehen, sondern als Herausforderungen, an denen wir Wachsen und unsere Fähigkeiten erproben können, sind wir einem dynamischeren und umfassenderen Lebensverständnis schon einen wesentlichen Schritt näher gekommen.