Karma: Der Mechanismus: Tattvarthasutra 6.11

Autor*in:  Image of Hermann KuhnHermann Kuhn
Veröffentlicht: 11.03.2014
Aktualisiert: 05.08.2014

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Duhkha shoka tapakrandana vadha paridevananyatma parobhayasthany asadvedyasya (11)

  • Das bewußte Auskosten und Verlängern von Schmerz (Leiden) und/oder schmerzlicher Gefühle,
  • das bewußte Auskosten und Verlängern des Gefühls der Sorge (Trauer), des Bedauerns (Scham), des Bemitleidens,
  • das Einschränken der Vitalität und
  • öffentlich zur Schau gestelltes Lamentieren, das Mitleid und Aufmerksamkeit hervorrufen soll

verursachen in dem derart handelnden jiva - unabhängig davon, ob er dies in sich selbst, in anderen, oder in beiden auslöst - das Einfließen von Karma, das ein unangenehmes Lebensgefühl hervorruft. (11)


 

Mit Schmerz ist hier sowohl das körperliche Empfinden von Schmerz, als auch die Erfahrung schmerzlicher Gefühle gemeint.

Trauer oder Sorge ist die Erfahrung von Verlust oder Trennung von einem Lebewesen, zu dem eine innere Anhaftung (Beziehung) besteht, und/oder einem Gegenstand, den man für nützlich hält, oder dessen Gegenwart für unabdingbar angesehen wird.

Bedauern (Scham) ist die Erfahrung von Zurückweisung, Herabwürdigung, Reue, Peinlichkeit und das Gefühl von Schuld.

Mitleid ist ein Gefühl des Bedauerns anderer oder sich selbst. Es will an den eigenen negativen Gefühlen oder den negativen Gefühlen oder Erfahrungen anderer teilhaben und diese durch das zusätzliche negative Gefühl des Mitleids noch verstärken.

Das Einschränken der Vitalität verhindert, daß ein Lebewesen die Lebendigkeit seines Lebens, seiner Sinne, seiner Stärke und seiner Atmung in vollem Maße erfahren kann.

Lamentieren ist in einem bestimmten Tonfall öffentlich zur Schau gestelltes Bedauern, das das Mitgefühl (Mitleid) anderer erregen und dadurch deren Hilfe und Sympathie (d.h. deren Lebensenergie) zugänglich machen soll.

Der übergeordnete Begriff dieses Sutras ist Schmerz, bzw. schmerzliche Gefühle. Der Text beschreibt einige Varianten dieses Begriffes, damit er plastischer wird und leichter verstanden werden kann. Eine vollständige Auflistung aller Varianten ist nicht angestrebt und wäre auch nicht möglich.

Das Auftreten dieser Empfindungen und Gefühle kann - solange in einem jiva noch entsprechende Karmas vorhanden sind - nicht verhindert werden. Für den jiva ist das Auftreten derartiger Empfindungen immer die Indikation, daß vorhandene Karmas aktiviert wurden, die durch diese Aktivierung nun aufgelöst werden und ihn nicht mehr binden können. Eine gleichmütige Haltung diesen Empfindungen gegenüber stellt sicher, daß durch das Erleben keine neuen Karmas aufgebaut werden.

Helfen kann dabei das objektive Beobachten und die distanzierte Untersuchung, ob diese Gefühle sich auf eine konkrete Ursache beziehen oder nur auf einen Anlaß projiziert wurden, der sich zufällig in der Umgebung des jiva befindet und mit dem sich auflösenden Karma nicht ursächlich zusammenhängt. Konstruktiv ist auch die Überlegung, wo diese Gefühle ihren Ursprung haben könnten, warum sie auftreten, welche Wirkung es hätte, wenn ihnen freien Lauf gelassen wird, und schließlich die Frage, ob eine Reaktion darauf überhaupt notwendig ist.

Sobald der Auslöse- und Aktivierungsmechanismus der Karmas grundlegend verstanden ist, besteht kein Anlaß mehr, den Zyklus auftretender (negativer) Emotionen durch erneute, ähnlich geartete (negative) Emotionen zu verlängern, bzw. dadurch neues Karma der gleichen Art aufzubauen.

Wenn das Erfahren dieser (negativen) Empfindungen jedoch ausgekostet, gefördert und/oder verlängert wird, - d.h. wenn die Empfindungen mit den Leidenschaften kombiniert werden, -tritt durch diese Reaktion des jiva eine erneute Bindung an die aktivierten Karmas ein. Dabei müssen die im Text aufgeführten Empfindungen nicht unbedingt auch der primäre Auslöser für die neue Bindung sein. Das Auftreten der Leidenschaften allein (z.B. Ärger) kann die im Text aufgeführten Gefühle und damit die erneute Bindung an den aktivierten Karmatyp auslösen.

Zur Illustration des aktiven Erfahrens schmerzhafter Karmas: Ein Chirurg, der eine notwendige Operation ausführt, verursacht dem Patienten dadurch möglicherweise Schmerzen. Obwohl er damit zur Ursache für Leid wird, (d.h. sein Handeln anzeigt, daß entsprechendes Karma in ihm aktiv ist,) bindet er dieses Karma nicht erneut an sich, wenn er die Operation ohne negative Intention oder Leidenschaft ausführt.

Zur Illustration des passiven Erfahrens schmerzhafter Karmas: Die bloße Erfahrung von Schmerz oder Freude (über eine gesundheitliche Besserung) ist nie Ziel der Behandlung einer Krankheit. Gleichwohl erfährt der Patient diese beiden Empfindungen als natürliche Teile seines Heilungsprozesses. Ähnlich verhält sich ein jiva, der auf dem Weg zur Befreiung Schmerz oder Freude empfindet. Weder strebt er nach diesen Erfahrungen, noch lehnt er sie ab. Er weiß, daß beide Empfindungen Manifestationen früheren Handelns sind und erfährt beide mit Gleichmut, ohne durch eine leidenschaftliche Reaktion die Ursache für neues Karma zu legen.

Quellen
Titel: Karma: Der Mechanismus Ausgabe: 1998 Verlag: Crosswind Publishing, 31505 Wunstorf ISBN: 3-9806211-9-7 HN4U Online Edition: 2014

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