Mahavira
In dem Hauptschrein zu beiden Seiten von Parshvanat befinden sich die Statuen von Mahavira und Adishvar. Mahavira wird fälschlicherweise oft als der Gründer des Jainismus bezeichnet. Er ist aber der Reformer und hat die bereits bestehenden philosophischen Gedanken und Lebensweisen aufgegriffen und fortgeführt. Zwischen den beiden Hauptströmungen, den Svetambara und Digambara, herrscht Uneinigkeit über die Lebensdaten des Wegbereiters. Gemäß den Svetambara lebte Mahavira 599–527 v. Chr., gemäß den Digambara 615–510 vor unserer Zeitrechnung. Ebenso umstritten sind sein Geburtsort und der Ort, an dem er ins Nirwana einging.[1] Trotz aller Unstimmigkeiten gibt es von Mahavira die am besten dokumentierte Biografie.
Mahavira, was „großer Held“ bedeutet, wurde als Sohn des Kshatriya Siddharta und seiner Gattin Trishala in Bihar geboren. Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr führte Mahavira, sein damaliger Name war Vardhamanas, ein sozusagen normales Leben, das sich kaum von dem anderer Söhne aus wohlhabenden Familien unterschied. Er heiratete Yoshada, eine junge Frau aus einer Familie seines Standes, und hatte eine Tochter namens Anojja. Nach der Tradition der Digambara war Mahavira nicht verheiratet, sondern lebte schon als Junge ein asketisches Leben. Auch seine Eltern lebten noch, als er Mönch wurde. Gemäß der Svetambara-Tradition wollte Mahavira im Alter von 28 Jahren nach dem Tode seiner Eltern, welche gläubige Anhänger Parshvas waren, nach Parshvas Vorbild der Welt entsagen. Er wurde aber von seiner Familie daran gehindert. Erst im Alter von 30 Jahren, als er die Erlaubnis seines älteren Bruders Nandivardhana und der Regierung seiner Vaterstadt zu diesem Schritt erhielt, trennte er sich von seiner Familie und Umgebung und zog in den Park Shandavana in der Umgebung von Kundapura. Es wird vermutet, dass er anfangs als Mitglied des von Parshva gegründeten Ordens gelebt hat, sich aber dann von dieser Gemeinschaft trennte, denn sie war ihm in der asketischen Lebensführung nicht streng genug. Er zog es vor, als einsamer Mönch ein unstetes Wanderleben zu führen. Zwölf Jahre zog er umher, schutzlos allen Gefahren ausgeliefert. Er fastete und legte sich alle Arten von Kasteiungen auf. Vor allem meditierte er über Sinn und Zusammenhänge der Welt. Schließlich erlangte er nach all seinen Erfahrungen die Allwissenheit, die vollkommene Erkenntnis über das Wesen des Sansara[2] und den Weg, der aus ihm hinaus zur Seligkeit, zur Erlösung führt. Aus allem, was wir über Mahavira wissen, so Glasenapp, geht auf das Deutlichste hervor, dass er ein hochbedeutender Mann war, der durch seine geistige und sittliche Größe bei seinen Zeitgenossen einen tief gehenden Eindruck hinterließ.[3] Mahavira war bekannt für seine äußerst strenge asketische Lebensweise. Verglichen mit anderen Asketen, die sich den Kopf kahl schoren und ein Mönchsgewand trugen, riss sich Mahavira die Haare aus und verzichtete auf jegliche Art von Kleidung. Sein Zeitgenosse Gautama Buddha lehnte das Fasten und andere Arten von Kasteiungen ab. Er vertrat den „mittleren Weg“ der Selbstzucht und der Enthaltsamkeit.[4] Mahavira gründete wie sein Vorgänger Parshva eine Jaina-Gemeinschaft, die aus vier Gruppen bestand. Diese Grundstruktur einer Jaina-Gemeinschaft (Sangha) ist bis heute erhalten geblieben. Laut Überlieferung gewann Mahavira 14.000 Mönche, 36.000 Nonnen, 159.000 Laienanhänger und 318.000 Laienanhängerinnen.[5] Darstellungen von Mahavira tragen das Symbol des Löwen.
Über das gesamte Leben von Mahavira sind im Laufe der Zeit viele Legenden entstanden. Eine sehr bekannte Legende aus seiner Kindheit erzählt von der besonderen Beziehung Mahaviras zu den Tieren. So wird berichtet, dass Mahavira schon von früher Kindheit an Gewalt in jeglicher Form ablehnte. Wilden und gefährlichen Tieren begegnete er stets mit Liebe und konnte sie auf diese Weise besänftigen.[6]
Eine der wohl bekanntesten Legenden aus dem Mönchsleben Mahaviras ist Chandanbala, die zu vielen Gelegenheiten auch als Theater aufgeführt wird. Eine inhaltliche Zusammenfassung von Chandanbala soll nun hier erfolgen.
Die Legende handelt von einer wunderschönen Prinzessin mit Namen Vasumati. Sie war die Tochter von König Dadhivahan und der Königin Dharini von Champapuri. Eines Tages brach Krieg aus zwischen den Königreichen Champapuri und Kaushambi. Vasumatis Vater verlor den Krieg, was das Familienleben zerstörte. Der Vater musste das Königreich verlassen und Mutter und Tochter blieben unversorgt und schutzlos zurück. Feindliche Soldaten drangen in das Haus des Königs ein und nahmen Mutter und Tochter in Gewahrsam. Sie hatten Angst vor den Soldaten, denn sie wussten nicht, was diese beabsichtigten. Einer der Soldaten verkündete, dass er die Ehefrau des Königs heiraten und die Tochter als Sklavin verkaufen würde. Die Ehefrau erlitt daraufhin einen Schock und brach tot zusammen. Ohne weitere Kommentare brachte er Vasumati auf den Sklavenmarkt zum Verkauf. Einem Kaufmann namens Dhanavah, der zufällig vorbeikam, fiel das Mädchen auf. Er entschloss sich, sie zu kaufen, wodurch er sie von der Sklaverei befreite, und nahm sie mit zu sich nach Hause. Auf dem Weg nach Hause stellte er Vasumati viele Fragen, doch sie schwieg. Der Kaufmann war begeistert von diesem Mädchen und bat seine Frau, Moola, es wie eine eigene Tochter zu behandeln. Sie nannten das Mädchen Chandanbala. Während sie den Status einer eigenen Tochter hatte und der Kaufmann darüber sehr glücklich war, fühlte sich Moola in dieser Situation nicht wohl. Sie war sehr eifersüchtig auf die Beziehung ihres Ehemanns zu Chandanbala. Als Moola eines Tages beobachtete, wie das Mädchen dem „Vater“ die Füße wusch, da der Hausangestellte nicht zu Hause war, bestätigten sich ihre Befürchtungen und sie plante, die Beziehung zu zerstören. Als der Kaufmann wieder einmal auf Geschäftsreise ging, nutzte Moola die Gelegenheit, um Chandanbala loszuwerden. Sie ließ ihr die wunderschönen Haare abschneiden und brachte sie an den Füßen gefesselt in einen entlegenen Raum. Sie befahl den Hausangestellten, ihrem Ehemann nichts davon zu erzählen, sonst geschehe ihnen das Gleiche. Daraufhin ging sie in das Haus ihrer Eltern. Als der Kaufmann zurückkehrte, sah er weder Moola noch Chandanbala. Von den Bediensteten erfuhr er, dass seine Ehefrau sich im Haus ihrer Eltern befinde, von dem Verbleib Chandanbalas aber erzählten sie ihm aus Angst vor seiner Ehefrau nichts. Er wurde ärgerlich und fragte nach seiner Tochter, doch keiner von ihnen antwortete. Nach einer Weile erklärte sich eine schon betagte Hausangestellte bereit, dem Kaufmann zu erzählen, was geschehen war. Der Kaufmann war sehr schockiert und suchte als Erstes etwas zu Essen für Chandanbala. Außer ungekochten Linsen konnte er nichts finden. Der Kaufmann dachte, das sei besser als nichts, und gab ihr die ungekochten Linsen. Er eilte zu einem Schmied, der Chandanbala von den Fesseln befreien sollte. In der Zwischenzeit kam ein Mönch (Mahavira) des Wegs und Chandanbala bot ihm von den Linsen an. Er verweigerte zunächst die Annahme, denn er hatte bestimmte Gelübde abgelegt, unter welchen Bedingungen er sein Fasten brechen könne. Chandanbala erfüllte alle Bedingungen bis auf eine, die Tränen in ihren Augen. Als der Mönch im Begriff war, seine Wanderung fortzusetzen, begann Chandanbala zu weinen und versuchte, den Mönch dazu zu bringen ihre Speise zu akzeptieren. Mahavira sah die Tränen in Chandanbalas Gesicht. Er kehrte zurück und sie konnte die Linsen in seine Hände geben. Mahavira hatte fünf Monate und fünfundzwanzig Tage gefastet. Die Engel feierten das Fastenbrechen von Mahavira. Durch die Kraft dieser himmlischen Wesen wurden Chandanbalas Fesseln gebrochen, ihre Haare wuchsen und sie erhielt die Kleider einer Prinzessin. König Shatanik wurde durch die Musik auf die Zeremonie aufmerksam. Er kam an das Haus des Kaufmanns und erkannte Chandanbala. Der König und die Königin luden Chandanbala ein, bei ihnen zu leben. Nachdem sie sich bei Dhanavah bedankt hatte, folgte sie dem Königspaar. Nachdem Mahavira das Stadium des universellen Wissens erreicht hatte, gründete er eine traditionelle Jaina-Gemeinschaft (Sangha). Chandanbala trat als erste Nonne in seiner Gemeinschaft ein und erreichte am Ende ihres Lebens die Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburt.[7]
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