Was gibt es schon zu erleben in diesem verschlafenen „Geitendorp", so einer der Beinamen von Wilrijk. Das könnte man zumindest meinen. Aber ein morgendlicher Spaziergang durch diesen Stadtteil von Antwerpen birgt so manche Überraschung. Wandert man entlang der Sneeuwbeslaan, vernimmt man in der Stille indische Klänge aus Lautsprechern. Biegt man links in die Laarstraat ein, wird man überrascht von weißen Türmen aus Marmor, in exotischem Stil, die sich majestätisch am Horizont hinter dem Einkaufszentrum Colruyt erheben. Jeden Morgen und Abend zur gleichen Zeit ist für etwa zehn Minuten das Schlagen einer Glocke zu hören. Doch kaum jemand von der lokalen Bevölkerung weiß, was sich auf dem etwa 4000 m2 großen Gelände hinter den immergrünen Hecken abspielt.
Dabei kamen die ersten indischen Migranten bereits 1948 nach Antwerpen. Heute (2006/2007) leben 310 Familien in dritter Generation in dieser Stadt. Die Männer sind ausschließlich im Diamantenhandel tätig, die Frauen hingegen im Haus. Wirtschaftlich spielt der Diamantenhandel, welcher in den Händen der Jaina liegt, eine bedeutende Rolle für die Stadt Antwerpen. Religiös gehören die Migranten einer der verschiedenen Jaina-Traditionen an. Sie stammen alle aus dem Staat Gujarat in Nordwest-Indien. Anders als viele Flüchtlings- und Zuwanderungsminderheiten verfügt diese vergleichsweise kleine Gruppierung über beträchtliche Finanzmittel. Dies macht vieles möglich und steht im Gegensatz zu den finanziellen Engpässen, die viele DiasporaGemeinschaften kennzeichnen. Mit der Gründung des Vereins Jain Cultural Center Antwerp vzw [1] (J. C. C. A.) im Jahre 1992 begann die Planung für den Bau eines Jaina-Tempels in traditionellem Stil. Mit dem Bau des Tempels wurde im Jahr 2001 begonnen. Diese Andachtsstätte und die Jaina, welche den Tempel finanzieren, sind das Thema dieser Dissertation. Inhalte und Themen des Forschungsvorhabens erläutert der nach den Abbildungen folgende Abschnitt näher.