Einführung in den Jainismus
In Indien gibt es sechs bis acht Millionen Jaina, weniger als ein Prozent der indischen Bevölkerung. Heute sind weltweit Jaina-Gemeinschaften verschiedener Traditionen zu finden. Die größten Diaspora sind in Nordamerika und England entstanden. Kleinere Gemeinschaften haben sich in Kanada/Toronto, in Ostafrika/Tansania, Belgien/Antwerpen und in den Arabischen Emiraten/Dubai, gebildet. In vielen Fällen sind diese Gemeinschaften wirtschaftlich und politisch, sowohl für das Heimatland, als auch für die Wahlheimat, von großer Bedeutung.
Der Jainismus, eine 2500 Jahre alte Tradition, ist eine der ältesten Religionen der Welt. Die Anhänger des Jainismus nennt man Jaina. Der Begriff Jaina kommt vom Wort 'Jina\ was mit 'spirituellem Sieger' übersetzt werden kann. Es bezeichnet Personen, die ihre inneren 'Feinde', wie Ärger, Ego, Betrug, Gier, Angst, Verhaftung und Hass, überwunden haben. Personen die aus dem Kreislauf der Wiedergeburt ausgestiegen sind, werden als Tirthankara bezeichnet. Während der Hinduismus aus der vedischen Kultur entstanden ist, brachte die Kultur der Schramanen den Jainismus und den Buddhismus hervor. Der Jainismus basiert auf Gewaltlosigkeit (Ahimsa) und Mitgefühl. Gemäß der Überlieferung gab es vierundzwanzig Tirthankara, geschichtlich nachgewiesen sind aber nur die letzten zwei, nämlich Parshvanath und Mahavira.
Parshvanath (877-777 v. Chr.), wurde mehr als 250 Jahre vor Mahavira (599-527 v. Chr.) [1] geboren. Er predigte die Religion der vier Prinzipien, wie Gewaltlosigkeit, Wahrheit, nicht stehlen, nicht erwerben. Während die Statuen der Tirthankara nur durch ihre Symbole zu unterscheiden sind, wird Parshvanath außerdem noch mit einem Schirm von Schlangen, der über sein Haupt gespannt ist, dargestellt.
Mahavira, der Reformer des Jainismus, zog Menschen aus allen Schichten und Berufen an. Reiche und Arme, Könige und Bürger, Frauen und Männer. Gemäß seiner Lehre gibt es keine Unterschiede auf dem spirituellen Weg, zwischen Männern und Frauen und keine unterschiedlichen Kasten. Vielmehr sind alle Lebewesen, Tiere, Pflanzen und Menschen, gleich. Im Jainismus ist auch der Schutz der Tiere verankert. Mahavira gründete einen religiösen Orden, der auf der Jaina - Philosophie beruhte. Diese Philosophie wurde bereits von seinem Vorgänger Parshvanath (877-777 v. Chr.) gelehrt. Mahavira ist somit der Reformer einer bereits bestehenden religiösen Gemeinschaft von Parshvanath. Mahavira erweiterte die bestehenden Verhaltensregeln um das Zölibat und führte sechs, täglich durchzuführende Praktiken, für die Gläubigen ein. Gemäß der Überlieferung hielt Mahavira diese Veränderungen für notwendig, um auf dem spirituellen Weg Fortschritte zu erzielen.
Eine Jaina-Gemeinschaft, die aus vier Gruppen bestand und bis heute so erhalten ist, bilden die Mönche (Sadhus), die Nonnen (Sadhvis), die Laienbrüder (Shravaks), die Laienschwestern (Shravikas). Diese Anordnung bezeichnet man als Chaturvidh Sangha. Laien und Ordinierte haben im Jainismus eine antagonistische Beziehung. Der Jainismus ist menschlichen Ursprungs und in der Kultur der Schramanen entstanden, eine Religion der Jina, die durch Selbsterkenntnis und Askese die Zusammenhänge des gesamten Kosmos erkannt haben. Sie haben sich befreit von jeglicher Verhaftung, Vorlieben, Abneigungen, der weltlichen Existenz und haben den Zirkel der Wiedergeburt durchbrochen. Diese Individuen werden im Jainismus verehrt, wie Götter. Tirthankara sind aber keine Götter im Sinne von Schöpfer der Welt und aller Lebewesen, vielmehr sind es Personen, die gemäß der Lehre der Jaina, die Befreiung der Seele (Moksh) durch persönlichen Einsatz erreicht haben. Das Konzept eines Gottes als Schöpfer, Beschützer oder Zerstörer, existiert im Jainismus nicht. Die Menschwerdung eines Gottes, um vom Übel zu erlösen, ist ebenfalls nicht existent. Götter, sind im Jainismus, nicht befreite Seelen im Weltall, ohne jeglichen Einfluss. Nach Ablauf ihrer Lebenszeit werden sie in Gestalt eines Menschen oder eines Tieres wiedergeboren. [2]
Einige Jahrhunderte nach Mahaviras Befreiung (Nirvana), kam es zu einem großen Schisma im Jainismus. Es bildeten sich zwei Hauptströmungen, die Digambara und die Svetambara. Diese zwei Haupttraditionen bestehen bis heute. Die Spaltung entstand durch Meinungsverschiedenheiten bezüglich dem Tragen von Kleidung und dessen Einfluss auf die Befreiung der Seele. Während die Svetambara es für Mönche nicht notwendig erachteten, nackt zu gehen, waren die Digambara der Meinung, Mönche müssen unbekleidet gehen, um die endgültige Befreiung zu erlangen. Die Svetambara sind demnach die weiß gekleideten Mönche und Nonnen, die Digambara, die unbekleideten Mönche. Wie hieraus schon ersichtlich wird, gibt es in der Genderthematik große Unterschiede zwischen den beiden Traditionen, auf die ich hier aber nicht näher eingehe. Innerhalb jeder Tradition haben sich viele kleinere Subtraditionen gebildet, die ich im Anschluss kurz vorstellen werde.