Schisma

Veröffentlicht: 30.08.2012
Aktualisiert: 16.11.2013
Alias(se)
Schismata, Schismen

Schisma (von griechisch: σχίσμα s-chísma) bedeutet "Trennung" oder "Spaltung".

Nach zahlreichen Spaltungen der Jaina Gemeinschaft (sangha) gibt es heute eine Vielzahl von Jaina Sekten und Schulen. Die wohl nachhaltigste Spaltung wird zumeist als das große Schisma bezeichnet und führte zur Herausbildung der zwei Hauptrichtungen der Jaina Religion, den Shvetambara und den Digambara. Die Shvetambaras tragen weiße Gewänder während die Digambaras nach altindischer Asketentradition jegliche Kleidung ablehnen.

Der Zeitpunkt dieses letzten Schismas der älteren Zeit, dem bereits sieben weitere vorangingen, ist umstritten. Die Jaina Schriften berichten von einer zwölfjährigen Hungersnot, die sich im Lande Magadha während der Herrschaft der Maurya zugetragen haben soll. Da es unter diesen Umständen der Bevölkerung nicht länger möglich war, die große Zahl von Jaina Asketen zu ernähren, beschloß Bhadrabahu, der damalige Führer der Jaina Gemeinschaft, mit einem Teil seiner Anhänger nach Karnataka im Süden des indischen Subkontinents auszuwandern und die übrigen Mönche unter der Leitung seines Schülers Sthulabhadra in Magadha zurückzulassen. Der Überlieferung zufolge war der Kontakt zwischen beiden Gruppen für zwölf Jahre unterbrochen. In der Zwischenzeit gaben die in Magadha zurückgebliebenen Asketen das Nacktgehen auf und trugen fortan weiße Gewänder. Die Auswanderer hingegen behielten den von Mahavira eingeführten Brauch des Nacktgehens nicht nur bei sondern machten ihn sogar verbindlich. Als beide Gruppen schließlich wieder aufeinander trafen warfen die Emigranten den Daheimgebliebenen den Abfall von der heiligen Sitte vor, worauf diese in den Auswanderern Eiferer sahen, die der überlieferten Vorschrift eine übertriebene Auslegung gaben. Der Entfremdung folgte schließlich die vollständige Trennung beider Gruppen und damit die Herausbildung der Shvetambaras und Digambaras als Hauptrichtungen des Jainismus. [1]

Ob die Spaltung der Jaina Gemeinschaft tatsächlich auf die mit der Hungersnot zusammenhängenden Ereignisse zurückzuführen ist steht dahin. Es ist nicht auszuschließen, daß es seit jeher zwei Richtungen innerhalb der Jaina Gemeinde gegeben hat - eine strengere, die sich an Mahaviras Regel orientierte und eine mildere, die Parshvas freiere Vorschrift befolgte. [2]

Zu den ursprünglichen Differenzen zwischen Shvetambaras und Digambaras in der Kleiderfrage kommen Verschiedenheiten in Glaube und Ritus hinzu:

  • Die Digambaras vetreten die Meinung, daß Frauen keine Fähigkeit zur Erlösung (moksha) besitzen. Aus diesem Grund gibt es in der Digambara Gemeinschaft keine Nonnen, da Frauen zunächst eine Geburt als Mann erlangen müssen. Die Shvetambaras hingegen halten auch Frauen für erlösungsfähig und gestehen ihnen den Status als Nonne zu.
  • Der Jaina Kanon (agama) der Shvetambaras wird von den Digambara nicht anerkannt. Während die Digambaras glauben, daß der Kanon allmählich vollständig verlorengegangen sei, gehen die Shvetambaras davon aus, daß der Hauptteil der heiligen Schriften bis in die Gegenwart überliefert worden sei.
  • Die Digambaras glauben nicht an den Embryotransfer, welcher der Geburt des letzten Tirthankara Mahavira vorangegangen sein soll.
  • Die Shvetambaras sind der Ansicht, daß auch ein Tirthankara Nahrung zu sich nehmen muß, während die Digambaras dies verneinen.

Dem großen Schisma gingen nach Überlieferung der Shvetambaras sieben weitere Abspaltungen voran: [3]

  1. Das erste Schisma geht zurück auf den Jamali, Schwiegersohn Mahaviras. Dieser stellte die Theorie auf, daß ein Wirken erst dann als abgeschlossen gelten könne, wenn es vollendet sei. Damit widersetzte er sich der Lehrmeinung Mahaviras und starb schließlich unerlöst. [4]
  2. Das zweite Schisma ging von dem Mönch Tishyagupta aus, welcher die Lehre Mahaviras leugnete, wonach die Seele alle Atome des Körpers umfasse. Im Gegensatz zu Jamali ließ sich Tishyagupta aber am Ende von der Irrigkeit seiner Anschauungen überzeugen. [5]
  3. Das dritte Schisma ging 214 Jahre nach dem Tode Mahaviras von den Schülern Ashadas aus, die eine Unterscheidbarkeitslehre formulierten, nach der Asketen und Götter ohne Unterschied zu behandeln seien. [6]
  4. Das vierte Schisma ging 220 Jahre nach dem Tode Mahaviras von Ashvamitra aus, der behauptete, daß dereinst alle Wesen verschwinden würden. Damit stellte er sich der jainistischen Vorstellung von der Ewigkeit der Welt und aller Dinge entgegen. [7]
  5. Das fünfte Schisma ging 228 Jahre nach dem Tode Mahaviras von Ganga aus. Dieser entwickelte eine Theorie, wonach zwei verschiedene Empfindungen wie kalt und warm zu gleicher Zeit möglich seien. [8]
  6. Das sechste Schisma ging 554 Jahre nach dem Tode Mahaviras von dem Mönch Rohagupta aus. Dieser vertrat die Theorie, daß es außer Lebendem (jiva) und Leblosem (ajiva) noch eine dritte Kategorie des Seins gäbe, die er als Nojiva ("Nicht-Leben") bezeichnete. Nach jainistischer Lehrmeinung ist aus dieser Trias-Lehre das brahmanische Vaisheshika-System hervorgegangen. [9]
  7. Das siebte Schisma ging 594 Jahre nach dem Tode Mahaviras von Goshtamahila aus. Er behauptete, die Seele ginge mit dem Karma keine enge Verbindung ein sondern würde von ihm nur berührt. Andernfalls sei ein Ausscheiden des Karma-Stoffes und somit eine Erlösung unmöglich. Da er seine Anschauung nicht widerrief wurde er aus der Jaina Gemeinschaft ausgestoßen. [10]

Dem großen Schisma folgten weitere Trennungen und Abspaltungen innerhalb der Shvetambara- und Digambara-Gemeinschaft, so daß beide Richtungen heute aus einer Vielzahl von Schulen (Ganas) und Unterschulen (Kulas) bestehen. Die Shvetambara Murtipujaka gliedern sich zudem in mehrere Untergruppen, die als Gaccha bezeichnet werden.

Fußnoten
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  22. Shvetambaras
  23. Tirthankara
  24. Unterscheidbarkeitslehre
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