Geschichten aus dem Jainismus: 12. Mairavati

Veröffentlicht: 09.12.2012

12. Mairavati

Vor langer Zeit, in der Stadt Ksitpratisthita, regierte der König Ritumardan. Seine Frau Madanarekha war eine sehr religiöse Frau. Sie brachte ein Mädchen zur Welt das Mairavati hieß. Die Prinzessin war hübsch und klug. Der König kümmerte sich um die Bildung der Tochter, während die Königin die spirituelle Bildung übernahm.

Eines Tages, als der Fürstenhof eine Versammlung einberufen hatte, schickte die Königin Mairavati zu dieser Veranstaltung. Ihr Vater, Ritumardan, setzte sie zu sich auf den Thron. Der König fragte seine Hofleute: "Besitzt irgend jemand auf der Welt so viele Reichtümer wie ich?" Die Hofleute antworteten: "Majestät, wir können uns im Traum nicht vorstellen so viel Reichtum zu besitzen, nicht vorzustellen, ihn wirklich zu besitzen. Niemand auf der Welt, hat so viel Reichtum wie du."

Die Prinzessin widersprach und sagte: "Es wird viele andere Könige geben, die eben soviel oder noch mehr Reichtümer besitzen. Wir sollten mit unserem Reichtum nicht prahlen." Der König überhörte diese Äußerungen. Er stellte eine andere Frage: "In wessen Anwesenheit seit ihr alle glücklich?" Die Hofleute antworteten: "Bei ihrer Anwesenheit, ihre Majestät. Darüber gibt es keine Zweifel."

Die Prinzessin widersprach erneut. Sie sagte: "Was ist los mit euch allen? Ihr müsst ihm nicht schmeicheln. Euch ist bekannt, was wir erhalten, ist auf Grund unseres eigenen Karmas. Vater, wenn du denkst, du kannst jeden glücklich machen, warum machst du nicht jeden so glücklich wie du selbst bist? Das ist möglich, denn du dienst hier nur als Instrument und was mit jedem einzelnen geschieht, ist das Ergebnis des individuellen Karmas einer jeden Person."

Der König wurde wütend und schrie: "Verrücktes Mädchen! Warum widersprichst du mir? Wer hat dir dies gelernt? Du weißt, dass ich aus einem armen Mann einen reichen machen kann und umgekehrt. Wenn du mir zustimmst, werde ich dich mit einem Prinzen verheiraten, wenn du mir aber widersprichst werde ich dich mit einem armen Mann verheiraten und du wirst sehen wie dein Karma funktioniert." Die Prinzessin antwortete ihrem Vater ruhig: "Du bist auf dem Irrweg. Wenn ich nicht mit gutem Karma begünstigt bin, können sogar die besten Männer, die du für mich wählst, zu Bettlern werden. Wir sollten nicht damit prahlen, wenn wir fähig sind, etwas und alles zu tun." Die Prinzessin blieb ruhig. Die Diener des Königs fanden einen Mann, der an Lepra erkrankt war. Sie brachten diesen zum Hof. Seine Ohren waren faulig, seine Nase flach und aus seinen Fingern kam überall Eiter heraus. Der König war sehr zufrieden mit ihrer Wahl. Er sagte zur Prinzessin: "Aufsässiges Mädchen! Ich befehle dir ihn zu heiraten."

Die Prinzessin zögerte nicht. Sie ging langsam nach unten und akzeptierte die Heirat dieses Mannes. Jeder am Hof war sprachlos. Der König war zufrieden mit seiner Vorgehensweise. Die Prinzessin wurde gebeten ihre wertvollen Kleider auszuziehen und den Schmuck abzulegen und anschließend mit ihrem Ehemann die Stadt zu verlassen.

Die Prinzessin war glücklich wie immer. Sie bedauerte nie, was sie zu ihrem Vater gesagt hatte. Sie hatte volles Vertrauen in ihren Glauben. Sie liefen den ganzen Tag und später am Abend, bekamen sie eine Unterkunft im Tempel. Der Leprakranke war sehr mitfühlend mit ihr. Er sagte zu ihr: "Ich weiß, was dein Vater getan hat, war nicht richtig und es ist für eine Königstochter nicht einfach einen Aussätzigen zu heiraten. Ich entlasse dich aus dieser Ehe und fordere dich auf eine passendere Person zu finden."

Die Prinzessin erwiderte: "Warum sagst du das? Ich habe dich als meinen Ehemann akzeptiert und bin mit meiner Wahl zufrieden." Sie fuhr fort: "Reichtum, Gesundheit, Schönheit und Wohlstand oder Unbequemlichkeit entstehen auf Grund unseres Karmas. Wir sollten darüber weder glücklich, noch unglücklich sein. Das Karma verändert sich und die daraus folgenden Ergebnisse auch. Also, machen wir uns darüber keine Sorgen." Der Leprakranke war von ihrer Antwort sehr beeindruckt und begann die Prinzessin zu bewundern. Er dachte: "Was für eine edle Frau! Wie tief gläubig sie ist!" Bei Sonnenuntergang schlief der Leprakranke ein.

Die Prinzessin war noch immer wach und betete. Sie bemerkte eine alte Frau mit einem jungen Mann. Sie kamen immer näher. Die alte Frau sagte zur Prinzessin: "Ich weiß was mit dir geschehen ist. Mir missfällt das Verhalten deines Vaters und ich bin gekommen, um dir zu helfen. Ich habe einen jungen Mann mitgebracht, der sehr hübsch ist, du solltest den Leprakranken verlassen und diesen jungen Mann heiraten. Du wirst mit ihm glücklich sein." Die Prinzessin erwiderte: "Liebe Frau, ich bin mit diesem Mann auf eigenen Wunsch und mit der Zustimmung meines Vaters verheiratet und ich mache das nicht rückgängig. Eine Frau heiratet nur einmal und dies habe ich getan. Er mag ein Aussätziger sein, aber für mich ist er der König der Könige, mein König." Die alte Frau wurde daraufhin ärgerlich und sagte: "Wenn du meinen Rat akzeptierst wirst du glücklich sein, ansonsten werde ich dich töten."

Die Prinzessin begann das Namokar Mantra zu rezitieren. Plötzlich geschah ein Wunder: Weder der Leprakranke noch die alte Frau waren anwesend. Stattdessen stand eine göttliche Gestalt vor ihr und sagte: "Ich bin Manichud, der König der Stadt Manipur, auf dem Berg Vaitadhya. Einmal hörte ich jemand sagen: 'Krähen sind überall schwarz Glückliche sind überall glücklich Elend, ist überall Elend!' Ich beschloss dies zu testen. Deshalb verwandelte ich mich in einen Aussätzigen um diese Erfahrung zu machen. Die Diener des Königs nahmen mich mit. Du hast es selbst erfahren, dass wirklich Glückliche in jeder Situation glücklich sein können. Du bist wirklich ehrenwert und verdienst großes Lob. Wie glücklich ich bin, dich als meine Frau zu haben, meine Königin."

Die Prinzessin war sich nicht sicher, ob dies ein Traum war oder Wirklichkeit. Sie war noch immer zufrieden in ihrem Glauben, dass Reinheit immer glänzt. Die Prinzessin erwies der göttlichen Person, ihrem Ehemann, ihre Dankbarkeit und akzeptierte, dass dies alles auf Grund ihres Karmas geschah. So lebten sie auch in Zukunft zusammen und waren glücklich.

Quellen
Titel:
Geschichten aus dem Jainismus
Verlag:
Akademische Verlagsgemeinschaft München (AVM), München
Erscheinungsjahr:
2010
Seitenzahl:
52

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