Das Bewusstsein manifestiert sich auf den zwei Wahrnehmungsebenen der sensorischen und der extrasensorischen Wahrnehmung. Normalerweise entwickelt sich unser Bewusstsein auf der Ebene der sensorischen Wahrnehmung und tritt über unsere fünf Sinne mit der Außenwelt in Verbindung. Die uns umgebende Welt erleben und erfahren wir dadurch, dass wir sie hören, schmecken, riechen, tasten und empfinden, sowie sie in all ihren Formen und Farben sehen können. Mit unseren fünf Sinnen charakterisieren wir sie, ordnen die empfangenen Sinneseindrücke ein und treten über sie mit unserer Umwelt in Kontakt. Nach indischer Auffassung gibt noch einen sechsten Sinn, das ist der Geist. Er ist höher entwickelt als die anderen fünf Sinne und kann außer der Gegenwart auch die Vergangenheit und Zukunft einbeziehen. Die anderen fünf Sinne erfassen ausschließlich die Gegenwart. Damit setzt die sensorische Wahrnehmung setzt unserem täglichen Erleben klare Grenzen. Eine ausgewogene Steuerung der sensorischen Wahrnehmung unterstützt die Entwicklung unserer Wahrnehmungsfähigkeit. Wir können sie steuern und haben das auch immer getan. Alles, was wir sehen, hören, schmecken, riechen, tasten und empfinden, nehmen wir mittels der Sinne wahr. Diese Wahrnehmung bewerten wir gewöhnlich nach zwei Kriterien, mag ich / gefällt mir oder mag ich nicht / gefällt mir nicht.
Wenn wir sehen, hören oder schmecken, verbinden wir die Wahrnehmung des Gesehenen, Gehörten oder Geschmeckten automatisch mit einem dieser Bewertungskriterien und ordnen dieses dann ebenso automatisch dem Objekt der Wahrnehmung zu. Daran ist nichts Besonderes, so funktioniert die sensorische Wahrnehmung im Alltag, nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Lebewesen. Die positive oder negative Bewertung der Wahrnehmung wird automatisch mit dem Objekt der Sinneswahrnehmung verbunden. Entwickelt der Mensch die Kunst des reinen Sehens, kann er das Objekt wahrnehmen, ohne es gleichzeitig zu bewerten. Er sieht es nur. Das Wörtchen „nur“ bezeichnet hier die ausgewogene Steuerung der sensorischen Wahrnehmung. Preksha Meditation ist prädestiniert für die ausgeglichene Steuerung der sensorischen Wahrnehmung. Wo vorher wahrgenommen und bewertet wurde, steht die reine Funktion der sensorischen Wahrnehmung im Vordergrund. In ihrer Natur liegt es, Erkenntnisse zu liefern.
Im Alltag benutzt der Mensch seine Sinne nicht zur Gewinnung von Erkenntnissen, sondern zur Bewertung der Außenwelt. Aus dieser Bewertung entstehen die dieser Bewertung entsprechenden Gefühle. Werden Sinneseindrücke nicht nur wahrgenommen, sondern zugleich bewertet, ist das die Geburtsstunde von Gefühlen der Zuneigung oder Abneigung, von Liebe oder Hass. Von den beiden Bewertungskriterien "gefällt mir - gefällt mir nicht" hängt nicht nur die gesamte Ausgestaltung der Welt ab, in der wir leben, sondern sie sind es auch, die unser gesamtes Verhalten steuern. Das können wir nur auflösen, wenn es uns gelingt, ein drittes Auge zu öffnen, das Auge der Gelassenheit. Durch kontinuierliche Praxis von Preksha Meditation öffnet es sich allmählich. Einmal geöffnet, sieht es, ohne zu bewerten. So, ohne Bewertung, können wir uns der Realität nähern und die Wahrheit erkennen.
Auf diese Weise unterstützt Preksha Meditation die ausgleichende Steuerung der sensorischen Wahrnehmung. Preksha Meditation zielt darauf ab, durch die Sinne wahrzunehmen, ohne das Wahrgenommene zu bewerten. Ohne Übung ist uns Wahrnehmung ohne Wertung nicht mehr möglich. Parallel zur sensorischen Wahrnehmung werden aus der Bewertung die ihr entsprechenden Gefühle generiert. Eng verbunden mit den fünf Sinnen ist der Geist, ihn müssen wir lernen, im Gleichgewicht zu halten, aus der Verknüpfung mit den durch die Bewertung generierten Gefühlen zu lösen und zur Ruhe zu bringen. Im Hinblick auf seine ruhelose Natur ist die ausgewogene Steuerung der sensorischen Wahrnehmung besonders wichtig. Ein schier endloses Geflecht von Gedanken folgt pausenlos aufeinander, stürmt manchmal sogar gleichzeitig auf ihn ein.
Die Ruhelosigkeit des Geistes wird durch die von äußeren Umständen und inneren Gefühlsströmen ausgehenden Impulse bewirkt. Zwischen diesen Impulsen bewegt sich der Geist, und sie bewegen ihn. In der Meditation lernen wir allmählich, die mäandernde Natur des Geistes zu beherrschen und verringern damit seine Instabilität. Ruhelosigkeit und die Konzentration auf nur einen Gedanken sind Kontraste, die der Geist lernen muss auszugleichen. Wechselt er ständig seine Präferenzen, kann er nicht bei einer Sache bleiben. Die Ruhelosigkeit des Geistes ist die Ursache vieler Probleme und muss deshalb dringend abgebaut werden. Gibt es ein Problem und der Geist ist ruhelos, kann sogar ein senfkorngroßes Problem den Umfang eines Gebirges annehmen. Hat der Geist sich aber stabilisiert, bleibt selbst ein großes Problem klein genug für das Finden einer Lösung. Eine gute Vorbereitung für die Meditation ist es, sich systematisch in der Konzentration auf nur einen Gedanken zu üben.
Was in der Yogaphilosophie Maharishi Patanjalis als Pratyahara bezeichnet wird, ist Pratisanlinta in den Jain Agamas. Beides benennt eine Methode zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und Reduzierung der Instabilität des Geistes. Gewöhnlich werden die Sinne von Objekten der Außenwelt angezogen. Lenkt man sie nach innen, anstatt sie auf die äußeren Reize reagieren zu lassen, vermindert sich die Instabilität des Geistes automatisch. Diesen Vorgang verstehen wir unter Pratisanlinta. Wann immer die Sinne nach außen gerichtet sind, nehmen sie Kontakt mit Objekten in der Außenwelt auf. Die Aufgabe des Geistes besteht darin, jedes von den Sinnen präsentierte Rohmaterial zu konkretisieren und einzuordnen. Mittels der Sinne kommuniziert er mit der Außenwelt, direkt kann er nicht mit ihr kommunizieren.
Die Instabilität des Geistes hängt eng mit den durch externe Objekte aktivierten Reaktionen der Sinne zusammen. In der Meditation wird man dazu aufgefordert die Augen zu schließen, was nichts anderes bedeutet, als nicht mehr mit den farbenprächtigen Fantasien der Außenwelt zu kommunizieren. Schließen wir die Augen und sehen die Außenwelt nicht mehr, bricht unsere Kommunikation mit ihr ab. Unterbrechen wir die sensorische Wahrnehmung, vermindern wir die Ruhelosigkeit des Geistes. Der Geist wird sofort aktiv, wenn die Sinne aktiv sind. Deshalb ist die Lösung des Problems, den Geist zu beschäftigen. Wir konzentrieren ihn auf einen Punkt, geben ihm eine Grundlage. Diese Grundlage ist der Atem. Je stärker sich der Geist auf den Atem konzentriert, desto besser kann man die sensorische Wahrnehmung ausgleichend steuern. Dann bereiten weder die Sinne, noch der Geist Probleme.