Die neurologische Wissenschaft liefert viele wertvolle Erkenntnisse über die Entwicklung des Geistes. Demzufolge kann er in drei Bereiche unterteilt werden:
- Bewusster Geist
- Unbewusster Geist
- Fähigkeit zur Einsicht in höhere Erkenntnisse
Denken ist eine Funktion des bewussten Geistes. Auf dieser geistigen Ebene entwickeln wir Gedanken und Vorstellungen. Wer auf dieser Ebene lebt, sieht das Denken als höchste Aktivität des Geistes an. Allerdings ist das Denken nicht die höchste Funktion des Geistes. Der Vorgang des Denkens an sich unterliegt keiner speziellen Begutachtung. Viele negative Gedanken werden auch gedacht.
Auf der zweiten Bewusstseinsebene, der des unbewussten Geistes, liegt das unser Verhalten determinierende Zentrum der Emotionen. Auf dieser Bewusstseinsebene werden alle unsere Emotionen generiert. Der Mensch lebt in der Regel hauptsächlich auf dieser Bewusstseinsebene. Mit ihr müssen wir uns beschäftigen, wenn wir uns um die Wurzel aller Probleme kümmern wollen.
Der bewusste und der unbewusste Geist haben etwas gemeinsam. Beide sind auf der Ebene des sensorischen Bewusstseins angesiedelt. Unsere Schwierigkeiten stehen in enger Beziehung zu unserem Verhalten, und unser Verhalten ist eng an die Sinneswahrnehmungen gekoppelt.
Die dritte Ebene des Bewusstseins ist das extrasensorische Bewusstsein. Auf dieser Bewusstseinsebene werden Probleme nicht nur erkannt, sondern auch gelöst. Sie wird auch als Ebene der reinen, nicht durch Bewertungen beeinträchtigten Erkenntnis bezeichnet, die über die Sinneswahrnehmungen hinausreicht. Wer auf dieser Bewusstseinsebene lebt, ist in der Lage, sich von allen mentalen und emotionalen Problemen durch Lösungen zu befreien. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das Wort „rein“ richtig zu verstehen. Was hat Preksha Meditation damit zu tun? Warum zielt Preksha Meditation darauf ab? Eine kurze Antwort auf diese Fragen lautet:
Preksha Meditation zielt auf die Entwicklung eines Bewusstseins, dessen Wahrnehmungsfähigkeit nicht durch Bewertungen einschränkt wird, sondern nur das Eine wahrnimmt, was es sieht, nur das Eine wahrnimmt, was es hört, nur das Eine wahrnimmt, was es schmeckt, fühlt etc. und sich kontinuierlich mit ganzer Aufmerksamkeit diesem Einen widmet, wodurch das Eine zu mehr als der Summe seiner Teile wird, sich die Tür zur Intuition öffnet und wir Eins mit dem Einen werden.
Die reine Wahrnehmung ist das direkte Wissen, die direkte Erfahrung auf der Ebene des höheren Bewusstseins durch Intuition.
Die Intuition gibt uns die Energie und die Kraft, ohne Mitwirkung des Geistes und der Sinne die ultimative Wahrheit des Lebens zu erkennen.
Hier eine Geschichte zur Verdeutlichung:
Nachdem sich in Acharya Bikshus Leben die Tür zur Intuition geöffnet hatte, fragte ihn einmal ein Mann, wie viele Beine ein Pferd habe. Acharya Bikshu, Begründer des Ordens der Svetambara Jain Terapanth, zählte laut: „Eins.., zwei.., drei.., vier.“ Und erwiderte dann: „Vier.“ Der Mann sagte enttäuscht: „Ich habe gehört, du wärst ein Genie. Jedes Kind weiß, dass ein Pferd vier Beine hat. Aber du hast dir viel Zeit genommen es uns vorzuzählen, eins.., zwei.., drei.., vier.“ Acharya Bikshu entgegnete gelassen: „Hätte ich deine Frage sofort beantwortet, hättest du mich als nächstes gefragt, wie viele Beine ein Tausendfüssler hat. Da hätte ich mir alle seine Beine vergegenwärtigen müssen, und du hättest die Gelegenheit genutzt, mir zu sagen, dass ich mich mit meiner Antwort beeilen soll, damit alle sehen, was für ein Genie ich bin.“ Der Mann gab zu, dass Acharya Bikshu seine Absichten richtig erkannt hatte. Wie konnte Acharya Bikshu das wissen?
Wenn die Kraft der Intuition im Leben zu wirken beginnt, weiß man Bescheid, obwohl die Sinne noch nichts wahrnehmen. Jemand weiß zum Beispiel, dass ihn sein Bruder am nächsten Tag besuchen wird, obwohl es keine weiteren Hinweise auf diesen Besuch gibt. Am nächsten Tag trifft der Bruder tatsächlich ein. Der Bruder hatte die innere Gewissheit, dass sein Bruder kommen würde, und so geschah es auch. Wir nennen das Pratibha Gyan [Pratibha: ausgeprägter Intellekt, Gyan: Weisheit, Wissen]. Pratibha Gyan ist weder Keval Gyan [Allwissenheit], noch Shrut Gyan [Bücherweisheit], es ist weder Tag noch Nacht, es ist das Wissen der Dämmerung. Das Wissen der Dämmerung ist das Wissen der dritten Bewusstseinsebene, auf der man bereits weiß, was passieren wird, bevor es passiert ist.
Was ist die Ursache unserer Probleme? Wir unternehmen nichts zur Weiterentwicklung unseres Bewusstseins. Wir begnügen uns mit der Ebene des sensorischen Bewusstseins, was zu weiteren Komplikationen führt. Würden wir uns darum kümmern, die höheren Bewusstseinsebenen zu aktivieren, hätten wir unsere Probleme längst gelöst und die Bewertungen in Form von Vorlieben und Abneigungen weit hinter uns gelassen. Das Leben der Gegenwart ist voller Probleme. Ist eines gelöst, wartet schon das nächste. Warum dreht sich das Rad der Schwierigkeiten unentwegt weiter? Warum bleiben wir im Labyrinth und finden nicht hinaus?
Wir müssen uns um die Weiterentwicklung unseres Bewusstseins kümmern, unsere Sinneswahrnehmungen richtig einsetzen und das Wahrgenommene realisieren. Doch wir können von unseren Gewohnheiten nicht ablassen und vertagen die Lösung auf das nächste Mal. Wenn wir uns nicht von dem Ziel abbringen lassen, bis zu der Welt hinter den Sinnen vorzudringen, leiten wir die erforderliche Veränderung ein. Viele Probleme, die uns jetzt unter Druck setzen, erscheinen uns dann mit Sicherheit als geringfügig. Solange wir unseren Sinneswahrnehmungen nicht vollkommen trauen und stattdessen Bewertungen den Vorrang geben, kann sich das extrasensorische Bewusstsein nicht entwickeln.
Wer mit Preksha Meditation beginnt, sollte sich zuerst über sein Ziel im Klaren sein und herausfinden, wie es erreicht werden kann. Dabei sollten wir nicht zu bescheiden sein und nur an das physische Wohlbefinden denken. Unser Ziel ist die korrekte Anwendung der sensorischen Wahrnehmung und die Entwicklung eines über die Verarbeitung der Sinneseindrücke hinausreichenden Bewusstseins. Das wird unsere ganze Welt, unsere Sichtweise, unser Leben von Grund auf verändern. Erst wenn wir zu dieser Klarheit gefunden haben, können wir uns in der Meditation wirklich konzentrieren.
Beginnen sollte man mit Konzentrationsübungen und den Geist fünf Minuten lang auf eine Sache zu konzentrieren versuchen. Allmählich sollte man die Zeit auf eine Zeitspanne im Sinne der Alten Welt ausdehnen. In der Sprache der Alten Welt bezeichnete eine Zeitspanne die Dauer von vierundzwanzig Minuten. Gelingt es, sich dreimal vierundzwanzig Minuten lang auf eine Sache zu konzentrieren, entwickelt sich das Bewusstsein über die sensorische Ebene hinaus. Damit verändert sich die gesamte Erscheinungsform der Welt.
Voraussetzung für die Entwicklung des extrasensorischen Bewusstseins ist die Meisterung des Geistes auf der sensorischen Bewusstseinsebene. Die Schwierigkeit besteht darin, dass Sinne und Geist nach außen gerichtet sind, während die über die Sinne hinausreichende Welt in unserem Inneren hinter verschlossenen Türen liegt, die wir nur mithilfe starker Konzentrationsfähigkeit öffnen können. Nicht jeder von uns verfügt über die Konzentrationsfähigkeit Acharya Manatungas, der durch Rezitieren des Bhaktamar Stotra achtundvierzig Schlösser öffnen konnte, ohne diese auch nur zu berühren, geschweige denn sich aus seinen Ketten zu befreien.
Haben wir erfolgreich gelernt, uns mit unserer gesamten Geisteskraft auf eine Sache zu konzentrieren, gehen die Schlösser von selbst auf und das über die Sinneswahrnehmungen hinausreichende höhere Bewusstsein hat eine Chance sich zu entwickeln. Mahavira sagte, dass unser Bewusstsein unseren Körper in jede beliebige Richtung verlassen kann, doch die Welt der Sinne ist so unbeständig und wechselhaft, dass es den Ausweg nicht mehr findet.