III. Weltleben
2. Wirkende Tat (Karman)
Viyāhapannatti 14, 6: (Alle Seelen mit Ausnahme der erlösten) nehmen Stoffe auf, haben stoffliche Akzidenzen, entspringen aus stofflicher Stätte, haben [körperliche] Dauer auf Grund von Stoff [und] treten in Verbindung mit Karman, haben Bindung von Karman, haben [eine] durch Karman [bedingte] Dauer [und] erfahren durch Karman Veränderung [in ihrer jeweiligen Körperlichkeit].
Viyāhapannatti 12, 5: Auf Grund von Karman, nicht ohne [Einwirkung von] Karman erfährt die Seele, - erfährt das Lebende die jeweilig verschiedene Akzidenz.
Viyāhapannatti 17, 4: (Alle Seelen mit Ausnahme der erlösten) erfahren - [und] empfinden [Lust und] Schmerz, die sie selbst gewirkt, nicht, die andere gewirkt haben [oder] die von ihnen selbst [und] anderen [gemeinschaftlich] gewirkt worden waren.
Umāsvāti, Tattvārthādhigamasūtra 6, 1-4: Das Wirken von Körper, Rede und innerem Sinn ist die Betätigung. Dies ist der Zu-Fluß [von Karman]. Gute [Betätigung] ist Zu-Fluß von Verdienst, schlechte von Schuld.
Uttarajjhāyā 33, 1-18: Der Reihe [und] Folge nach will ich die acht [Arten des] Karman mitteilen, durch welche gefesselt unsere Seele im Saṃsāra umhertreibt. Die Hinderung des Wissens, die Hinderung des Glaubens, das zu Empfindende, das Verwirrende, die Lebensmenge, [55] die Individualität, die soziale Stellung, und die innere Hemmung: das sind in Kürze diese acht [Arten von] Karman.
Die Hinderung des Wissens [ist] fünffach: [sie betrifft] Vorstellung, Zeugnis, transzendente Erkenntnis [sowohl] materieller Dinge [wie] des Denkens Anderer [und] Allwissenheit. Schlaf, innere Erregung, tiefer Schlaf, starke innere Erregung, und fünftens merke man die Starrkraft, [56] [ferner] die Hinderung des durch das Auge [und] durch andere [Sinneswerkzeuge] vermittelten Erkennens, der transzendenten Erkenntnis und der Allwissenheit: das ist die neunfache Hinderung des Glaubens.
Das zu Empfindende [ist] zweifach: [es betrifft] Willkommenes und Unwillkommenes; vom Willkommenen aber [und] ebenso vom Unwillkommenen [gibt es] viele Arten. Auch das Verwirrende [ist] zweifach: [es tritt auf] in Glauben und Wandel; beim Glauben ist es dreifach, beim Wandel zweifach. Rechtheit, Irregehen und die Mischung beider, das sind die drei Arten des Verwirrenden beim Glauben; das Karman, das den Wandel verwirrt, ist zweifach benannt, [im Hinblick auf] die Leidenschaften und die Nicht-Leidenschaften [57]. [...] Leben als Höllenwesen, als Tier, als Mensch und viertens als Gott, [das sind] die vier Arten der Lebensmenge.
Die Individualität ist zweifach: [sie führt zu] Gut und Schlecht, [und] beide haben viele Arten. Die soziale Stellung ist [gleichfalls] zweifach: [sie führt zu] hohem und niedrigem [Stande]. [...] Im [Nichtgeschehen von] Geben, Empfangen, Genießen, dauernd Besitzen und Kraftanwenden [und zwar allen günstigen Vorbedingungen entgegen] ist die fünffache innere Hemmung in Kürze bezeichnet. [...] Die Zahl der Atome aller Karman[arten] ist unendlich. [...] Das Karman kommt aus den sechs Richtungen [58] in den Greifbereich aller Seelen und wird in allen [seinen] Atomen durchaus [und] gänzlich gebunden.
Umāsvāti, Tattvārthādhigamasūtra 8, 2 f.: Weil die [im Saṃsāra treibende] Seele Leidenschaft [=Klebsamkeit [59] ] hat, nimmt sie Stoffe auf, die für [die Bildung des] Karman[leibes] tauglich sind. Dies [ist] die Bindung.
Viyāhapannatti 7, 6: Karman, das schmerzhaft zu empfinden sein wird, wirken die Seelen durch Schädigung von Wesen, durch unwahre Rede, durch unerlaubte Aneignung, durch geschlechtliche Regung, durch Besitz, durch Zorn, Stolz, Trug [und] Gier, durch Liebe [und] Haß, durch Streit, Anschwärzen, Zutragen [und] üble Nachrede, durch Unlust [und] Lust, durch Täuschung [und] Lüge, [und endlich] durch falschen Glauben, diesen Stachel. Karman, das nicht schmerzhaft zu empfinden sein wird, wirken die Seelen durch Enthaltsamkeit von Schädigung, von unwahrer Rede [...] (usw. wie eben) [...] Karman, das wohltuend zu empfinden sein wird, wirken die Seelen durch Mitgefühl mit den Wesen (aller Art) [und] dadurch, daß sie viele Wesen (aller Art) nicht unglücklich, traurig, niedergeschlagen, bedrückt, bekümmert [oder] leidend machen. Karman, das nicht wohltuend zu empfinden sein wird, wirken die Seelen dadurch, daß sie Andere, daß sie viele Wesen (aller Art) unglücklich [...] [oder] leidend machen.
Viyāhapannatti 12, 1 (12, 2; 1, 1): Eine Seele, Sankha, die im Banne ist von Zorn (Stolz, Trug, Gier) - die im Banne ist des Gehörssinnes (des Gesichtssinnes, des Geruchssinnes, des Geschmackssinnes, des Tastgefühls), wirkt [zwangsläufig alle] acht Arten von Karman mit Ausnahme der Lebensmenge, schwächer gebunden [oder] stärker gebunden, zu kürzerer [oder] längerer Dauer bestimmt, von geringerer [oder] größerer Kraft [während seines Aufgehens [60] ], weniger [oder] mehr Atome [seiner selbst] umfassend. Das Karman Lebensmenge bindet sie je nach dem. Karman, das nicht wohltuend zu empfinden sein wird, häuft sie aufs neue an [und] durchwandert [deshalb] den anfang- [und] endlosen Zeitraum, den vierfachen [61] Irrgarten der Daseinsformen.
Pannavaṇā 23, 1: Infolge des Aufgehens des Karman Hinderung des Wissens stellt sich das Karman Hinderung des Glaubens ein, infolge des Aufgehens des Karman Hinderung des Glaubens das Karman Verwirrendes im Glauben, infolge des Aufgehens des Karman Verwirrendes im Glauben Irrglaube, [und] infolge des vorzeitigen Aufgehens [62] des Irrglaubens bindet die Seele [alle] acht Arten des Karman. Hinderung des Wissens bindet die Seele in den zwei Formen Liebe und Haß, von denen die erstere sich in Trug und Gier, die letztere sich in Zorn und Stolz darstellt. So bindet die Seele das Karman Hinderung des Wissens in diesen vier Formen, deren ihre Energie sich bemächtigt hat. [63]
Viyāhapannatti 3, 3: Man kennt fünf [Arten von] Handlungen: die auf körperlicher Betätigung beruhende, die auf Anwendung eines Werkzeugs beruhende, die auf feindseliger, auf quälerischer [und] auf tödlicher Betätigung beruhende.
Viyāhapannatti 1, 8: Ein Mann, der von Wild lebt, an Wild denkt, nach Wild verlangt, geht in einem Gemüsegarten, auf einer fürstlichen Weide, in einer Senkung, in einer Erhebung aus dem Wasser, [an einer Stelle] im Busch, im Walde oder im Gebirge, sei sie leicht oder schwer zuganglich, auf die Jagd nach Wild und legt einen Fallstrick, um ein Stück Wild zu fallen, weil er [weiß und] glaubt, daß es [dort] Wild gibt. Dieser Mann ist dreier, vier oder fünf [Arten von] Handlungen schuldig: soweit [zwar] Auslegen [des Fallstricks], [aber] nicht Binden [und] nicht Töten eintritt, hat er Teil an körperlicher, an werkzeughafter und an feindseliger [Handlung, also] an drei Handlungen; soweit [zwar] Auslegen [des Fallstricks, und] Binden, [aber] nicht Töten eintritt, hat er Teil an körperlicher, an werkzeughafter, an feindseliger [und] an quälerischer [Handlung, also] an vier Handlungen; wenn Auslegen [des Fallstricks], Binden [und auch] Töten eintritt, hat er Teil an körperlicher, an werkzeughafter, an feindseliger, an quälerischer [und] an tödlicher [Handlung, also] an [allen] fünf Handlungen [64]. [...]
Ein Mann, der von Wild lebt [...], geht [...] (wie oben) [...] auf die Jagd nach Wild. Während er [die Bogensehne mit dem] Pfeil bis zum Ohr angezogen hat, schlägt ihm ein anderer Mann, der des Weges kommt, mit eigener Hand [und] mit dem Schwert das Haupt ab. Der Pfeil [aber fliegt] kraft der Spannung [der Sehne ab und] trifft das Tier. Hat nun jener [zweite] Mann Teil an schlimmem Tun gegen das Tier und gegen den Menschen? [Nein.] Wer das Tier tötet, hat Teil an schlimmem Tun gegen das Tier; wer den Menschen tötet, hat Teil an schlimmem Tun gegen den Menschen. (Denn) was im Begriff ist, getan zu werden, [gilt als] getan; was im Begriff ist, aufgelegt zu werden, [gilt als] aufgelegt; was im Begriff ist, abgehen gemacht zu werden, [gilt als] abgehen gemacht; was im Begriff ist, entsandt zu werden, [gilt als] entsandt. [65]
Sūyagaḍa 2, 2, 2-4: Hienieden fürwahr, im Osten, Westen, Norden [oder] Süden, gibt es Menschen, als das sind Arier, Nichtarier, edle, niedere, große, kleine, gutfarbige, mißfarbige, wohlgestalte [und] mißgestalte; und [...] für sie gelten, so ist verkündet worden, folgende dreizehn Fälle von Gewalttat. Sie entspringen aus zweckhafter Gewalttat, zweckloser Gewalttat, wehrhafter Gewalttat, zufälliger Gewalttat, Gewalttat aus Augentäuschung, Handeln, das in unwahrer Rede, in unerlaubter Aneignung, in [unguter] Gemütsstimmung, in Stolz, in Versündigung gegen Befreundete, in Täuschung, in Gier, in gebotenem Tun erscheint. [66]
Viyāhapannatti 7, 10: Wie wenn ein Mann eine wohlschmeckende, als im Topf gekocht gare, mit [allen] achtzehn wesentlichen Zutaten [nach Bedarf] versehene, [aber] mit Gift untermischte Speise ißt und bei deren Einverleibung [zwar] gesund ist, sich darauf [aber] [...] (zu einem in jeder Hinsicht schlechten Zustand) [...] verändert, ebenso verändern sich, Kālodāī, die Seelen, wenn sie sich die Schädigung von Wesen, [...] (wie oben S. 17) [...], falschen Glauben, diesen Stachel, eineignen, [...] (zu einem in jeder Hinsicht schlechten Zustand) [...] So geht es zu, Kālodāī, daß die Seelen schlimmes Tun vollziehen, aus dem schlimme Frucht reift. Wie wenn [aber] ein Mann eine wohlschmeckende, [...] [und] mit heilsamem Stoff untermischte Speise ißt und bei deren Einverleibung [zwar] nicht gesund ist, sich darauf [aber] [...] (zu einem in jeder Hinsicht guten Zustand) [...] verändert, ebenso verändern sich, Kālodāī, die Seelen, wenn sie sich die Enthaltsamkeit von Schädigung, [...] (wie oben S. 17) [...], von falschem Glauben, diesem Stachel, eineignen, [...] (zu einem in jeder Hinsicht guten Zustand). [...] So geht es zu, Kālodāī, daß die Seelen gutes Tun vollziehen, aus dem gute Frucht reift.
Die ersteren heißen Zorn, Stolz, Trug und Gier, die letzteren Spaß, Vergnügen, Überdruß, Traurigkeit, Furcht, Scheelsucht, Weiblichkeit, Männlichkeit und drittes Geschlecht (die Namen nach H. Jacobi).
Diese äußert sich in seinem Fühlbarwerden für das Individuum. Dem Wort „Aufgehen” (udaya, Jacobi: 'Realisation') liegt der Vergleich mit dem Samenkorn zugrunde.
Es folgen andere Beispiele. Die Theorie dieser (und anderer) fünf Arten von Handlungen wird oft behandelt, vgl. Verf., Worte Mahāvīras, S. 24f.