Jodhpur Bheru Bagh Parshvanath Jaina Tempel
Wie vereinbart, holte uns Saurabh Surana am nächsten Morgen gegen 08:30h vom Hotel zur gemeinsamen Tempeltour ab. Zu Beginn besuchten wir mit Saurabh Surana den Parshvanath Tempel in Jodhpur, der fußläufig vom Haus der Suranas zu erreichen war. Sushila und Surendra Surana waren schon früher am Morgen zur Andacht dort gewesen. Wir waren froh, dass Saurabh Surana uns begleitete, denn von der Straße aus ist der Tempel als solcher nicht unbedingt zu erkennen. Dort ist nur eine Hausfront mit einem Toreingang zum Innenhof zu sehen.
Durchgang zum Innenhof, in dem der Tempelkomplex liegt
Dharmshala (Unterkunft) für auswärtige Pilger
In einem Seitenflügel des Tempelkomplexes, umgeben von den blühenden Pflanzen und tropischen Bäumen, ist der Dharmshala für auswärtige Pilger untergebracht. Hier finden auch Jaina Unterkunft, die zu einer medizinischen Behandlung oder aus anderen Gründen nach Jodhpur kommen. Der Tempelkomplex wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert von einem Jaina Laien auf dem Stück Land erbaut, das der Maharaja von Marwar ihm zu diesem Zweck geschenkt hatte. Auf Initiative des berühmten Acharya Vijay Vallabh Suri wurde der Tempel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter ausgebaut und zum goldenen Jubiläum 1994 aufwändig restauriert. Nicht allein deswegen, sondern auch wegen seiner verkehrsgünstigen Lage in der zweitgrößten Stadt Rajasthans ist der zweigeschossige Tempel inzwischen zu einem gut besuchten Pilgerzentrum geworden.
Haupteingang des Bheru Bagh Tempels
Eingangshalle
Im Tempel ausgestelltes Yantra
(Mantra mit mystischen Illustrationen aus der Jaina Kosmologie)
In vielen Svetambara Tempeln übliche Darstellung aller 24 Tirthankara
Darstellung des 23. Tirthankara Parshvanath, im Kayotsarga stehend
Mit farbigen Spiegeln verzierte Decke, Treppe zum Garbhagriha
Detailansicht Decke
Vor dem Garbhagriha
Garbhagriha mit Mulnayak Parshvanatha (Mitte)
Nach diesem angemessenen Auftakt gingen wir zum Haus der Suranas zurück, von wo aus wir unsere Tempeltour fortsetzten.
Familie Surana
Wir fuhren sehr bequem in dem Siebensitzer der Familie. Schnell hatten wir die große Stadt in nördlicher Richtung hinter uns gelassen. Auf der gut ausgebauten Straße war gutes Vorankommen ein Kinderspiel. Wir ahnten, dass sich das bald ändern könnte. Nach einer knappen Stunde Fahrt hielten wir vor einem kleinen Tempel an.
Suswani Bheru Bagh Jaina Tempel
Zwischenstopp in dem Suswani Bheru Bagh, ein kleiner Jaina Tempel zu Ehren der Kuldevi Suswani Mater, Tochter eines Surana und lokale Familiengottheit, auf dem Weg von Jodhpur nach Osian
Die Familie Surana hält hier immer zur Andacht
Osian Mahavira Jaina Tempel
Durch den Abstecher zu dem kleinen Tempel hatten wir die gut ausgebaute Straße verlassen. Nun fuhren wir über lokale Landstraßen weiter in Richtung Osian. Diese waren nicht so gut ausgebaut, weshalb mein Kopf manchmal dem Wagendach gefährlich nahe kam. Ich sass nämlich etwas erhöht auf der Hinterachse. Osian und Jodhpur sind nahezu 70km voneinander entfernt, was bedeutet, dass man knapp 1,5 Stunden für die Fahrt rechnen muss.
Osian war einstmals eine blühende Stadt, jedenfalls im 8. Jahrhundert, als der dortige Mahavira Tempel gebaut wurde. Heute liegt der Tempelkomplex mitten in dem Dorf Osian. Aus Osian stammen die Oshwal oder Oswal Jaina, die nach dem Ort benannt sind. Osian ist seit vielen Jahrhunderten nicht nur ein bekanntes Pilgerzentrum für die Jaina, sondern auch für die Hindus, deren bekannter Sachiya Mata Tempel zwischen dem 9. und 10. Jahrhundert entstanden ist. Der berühmte Jaina Acharya Ratnaprabha Suri war der Sohn des Rajputenkönigs Mahendra Chud und gründete im 12. Jahrhundert den Upakesha Gaccha in Osian. Er konvertierte viele Hindus zum Jainismus aufgrund ihm nachgesagter übernatürlicher Fähigkeiten. Diese stützen sich auf die Legende, dass er die zu dieser Zeit im Hinduismus üblichen Tieropfer als grausamen Ausdruck von Gewalttätigkeit bezeichnete und an die Anhänger der Göttin Sachiya Mater mit Erfolg appellierte, diese grausame Praxis nicht mehr durchzuführen. Die Göttin geriet zuerst über die ausbleibenden Tieropfer in Zorn, doch gelang es Acharya Ratnaprabha Suri, sie zu beschwichtigen. Zudem konnte er sie davon überzeugen, dass sie als Göttin Sachiya Mater - wahre Mutter - künftig keine Tiere mehr als Opfer akzeptiert, da sie das Leben in allen seinen Facetten unterstützt. Von Hindus und Jaina wird sie gleichermaßen verehrt, seit von ihr bekannt ist, dass sie allen ihren Segen gibt, die sich für die Verbreitung der Lehre von der Abkehr von der Gewalt, Ahimsa, einsetzen. Acharya Ratnaprabha Suri nutzte zudem seinen Einfluss auf seinen Vater und brachte diesen dazu, Tieropfer in seinem Herrschaftsbereich per Dekret zu verbieten. Viele Hindus ließen sich der Legende nach daraufhin zum Jainismus konvertieren. Nicht wenige Rajputenherrscher standen den Lehren Mahaviras nahe oder führten ihr Leben auf der Grundlage seiner Lehre.
Eingangsbereich des Jaina Tempelkomplexes
Detailansicht Eingangstor
Osian Tempelkomplex, rechts der Mahavira Tempel, links Säulengang mit Schreinen
Säulen und Decken im Osian Tempelkomplex
Osian Jaina Tempelkomplex, links der Mahavira Tempel, rechts Säulengang mit Schreinen
Torana mit Dharmachakra vor dem Mahavira Tempel in Osian
Religiöse Zeremonie (Puja) im Osian Mahavira Jaina Tempel
Der 01. Tirthankara Rishabnatha
Mulnayak:
Vergoldete Mahavira Statue im Garbhagriha, flankiert von 2 kleineren Parshvanath Skulpturen aus schwarzem Marmor
Acharya Ratnaprabha Suri
Säulengänge und Torana
Darstellung des Hindu Gottes Vishnu, dem Erhalter, mit 6 Armen und Eberkopf, der auf einem Elefanten reitet und das Jaina Symbol der offenen Handfläche zeigt im Jaina Tempelkomplex Osian
Darstellung der Hindu Göttin Durga, deren Gewand den Löwen verdeckt, auf dem sie reitet, im Jaina Tempelkomplex Osian
Die Darstellungen der Hindugottheiten in Osian haben hier, wo sich Hindu und Jaina Tradition sehr nahe sind durch die Legende von dem Jaina Mönch adeliger Abstammung, der viele Hindus zum Jainismus konvertiert haben soll, erstaunten eigentlich nicht. Vishnu als Erhalter des Dharma und die mütterliche Durga stehen auch bei vielen Jainas in hohem Ansehen. Zudem ist die Durga hier ein Symbol für die wahre Mutter, Sachiya Mater, deren Segen auf allen ruht, welche die Lehre von der Abkehr von der Gewalt leben und verbreiten.
Ein köstliches Essen zum Abschluss im Osian Tempelkomplex
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: Kleiner Schwatz mit dem Gewürzhändler um die Ecke, der die Familie Surana schon seit langem beliefert.
Schon bei dem Gang durch das Dorf hinter dem Tempelkomplex meldete sich der leere Magen. Zum Glück gab es im Dharmshala schon Mittagessen, frisch zubereitet, sehr geschmackvoll und so viel man wollte! Es ist eine gute Tradition, dass in den meisten größeren Jaina Tempeln auch immer eine preiswerte und frisch zubereitete Mahlzeit für die Besucher da ist. So gestärkt konnten wir unsere Tour fortsetzen zum Gewürzhändler der Suranas, bevor es weiterging.