Ahimsa Yatra, Siriyari, 09.08.2004
Spirituelle Praxis ist nur dann von Bedeutung, wenn sie mit persönlichen Einschränkungen verbunden ist. Wird Spiritualität, ohne mit persönlichen Einschränkungen verbunden zu sein, in den Mittelpunkt gestellt, verliert die Religion ihre Bedeutung.
Im Jainismus ist Einschränkung gleich bedeutend mit Selbstbeherrschung. Dazu gehören Management des Selbst und der Persönlichkeit, damit die in einem schlummernden Möglichkeiten erwachen können und man so unvorhergesehenen Schwierigkeiten zu begegnen weiss.
In den Jaina Schriften werden siebzehn verschiedene Arten von Einschränkungen aufgeführt, Beherrschung der Gedanken und Sinne eingeschlossen. Um ein harmonisches und friedliches Leben führen zu können, sollte man alle Arten von Einschränkungen praktizieren, ungeachtet ihrer schwierigen oder einfachen Realisierung. Natürlich variiert das Ausmass der Beherrschung von Mensch zu Mensch.
Suche nach Wahrheit
Gewaltlosigkeit, Wahrheit, nicht stehlen, Einschränkungen und Besitzlosigkeit sind die fünf grossen, von Jaina Mönchen befolgten Gelübde. Das zweite Gelübde, Wahrheit, ist überdimensional und ewig. Es ist das größte, wonach man im Leben streben kann. Lord Mahavira lehrt: 'Suche selbst die Wahrheit'. Die Suche nach der Wahrheit umfasst zwei Bereiche: die Suche nach der Wahrheit und die Suche nach dem Selbst. Die Wahrheit, die wir selbst suchen, kann niemand anderem nützen. Nur wer die Wahrheit ausfindig macht, kann sie nutzen und sich des höchsten Glückes der Selbstrealisation erfreuen. Der Mensch verfügt über ein hochentwickeltes Gehirn sowie Zentren suprasensorischen Wissens. Deshalb kann auch nur der Mensch die Wahrheit herausfinden.
Die aus wissenschaftlichen Anstrengungen resultierenden Errungenschaften werden von der gesamten Gesellschaft genutzt, die aus spirituellen Anstrengungen resultierenden Errungenschaften hingegen auschliesslich persönlich. Man muss sich selbst auf den Weg machen, der zu Wahrheit und Selbstrealisierung führt. Erfolgreiche spirituelle Aspiranten haben versucht, ihre Erfahrungen anderen zu kommunizieren. Doch spirituelle Erfahrungen können anderen nicht übertragen werden, jeder muß sie selbst erleben.
Alles, was an spirituellen Erfahrungen ausgesprochen und aufgeschrieben worden ist, wurde zu Sruti (Jaina Literatur). Sruti ist insofern sinnvoll, als sie den Hintergrund für die Sadhana schaffen. Doch dieser Hintergrund ist wenig sinnvoll, solange der Aspirant nicht selbst praktiziert. Spirituelle Erfahrungen sind keine sozialen Erfahrungen. Es nützt nichts, die Agamas, die Bhagavad Gita oder den Koran als Beweis dafür zu zitieren, dass es die Einheitlichkeit spiritueller Erfahrungen gibt. Nur wer die Wahrheit kennt, kann sagen "Das ist die Wahrheit, ich habe sie erkannt, wahrgenommen und erlebt." Die Entdeckung des Selbst ist genauso ungewöhnlich wie eine naturwissenschaftliche Entdeckung, man muss wissenschaftlich denken und sich selbst wissenschaftlich erleben. Niemand kann die Erfahrung eines Anderen übernehmen. Daher ist die Suche nach der Wahrheit ein langer und komplizierter Prozess wissenschaftlichen Experimentierens. Solange man Sadhana nicht durchführt, kann man die Wahrheit nicht realisieren und ihr nicht folgen.
Frieden durch Preksha Meditation
In der Welt gibt es beides, erwünschte und unerwünschte Dinge. Gewaltlosigkeit ist gleichbedeutend mit Stärke, Mut und Heroismus, sie hat keinen Bezug zur Feigheit.
Gewalt wurzelt im Hass. Alle Kriege und terroristischen Akte der Vergangenheit oder Gegenwart sind direkte Auswüchse des Hasses derer, die Menschen in der Ausführung terroristischer Aktionen trainieren. Sie träufeln Hass gegen die ausgesuchten Ziele in die Herzen und überwinden damit die Hemmschwelle gegen das Töten und Zerstören. Daher ist die Umwandlung des Hasses in Freundschaft und Liebe so wichtig. Wo Liebe ist, gibt es keine Gewalt.
Physische und mentale Intoleranz sind Hauptursachen für das Entstehen von Gewalt. Sobald die Intoleranz verschwunden ist, kann sich Gewaltlosigkeit entwickeln. Die moderne Ausbildung konzentriert sich nicht darauf, den Menschen Mitgefühl, Sensitivität, Liebe und Freundschaft nahe zu bringen, diese Qualitäten entwickeln sich nicht rein akademisch. Übungen aus dem System der Preksha Meditation wie Konzentration auf das Zentrum der Erleuchtung in der Mitte der Stirn können dazu beitragen, universales Mitgefühl, Liebe, Freundschaft und Sensitivität in sich aufzunehmen. Selbstbeherrschung ist gut, persönliche Einschränkung auch. Die Wahrheit sprechen ist gut, Gewaltlosigkeit auch. Doch ohne persönliche Einschränkung können weder Wahrheit noch Gewaltlosigkeit erreicht werden. Der Grund dafür ist, dass der Mensch seinen Geist nicht beherrscht. Ohne Beherrschung des Geistes kann man weder Gewaltlosigkeit praktizieren, noch zur Wahrheit gelangen. Der Geist kann durch Meditation und 'Wissenschaft vom Leben' beherrscht werden. So kann man auf den Weg der Erleuchtung geführt werden.