§108
Der Asket, der erhabene Mahāvīra, war nach seiner Herkunft (gotra) ein Kāsava (skt. Kāśyapa). Ihn betreffend werden drei Namensverleihungen folgender Art genannt, nämlich: Als Sohn seiner Eltern war er Vaddhamāṇa (Vardhamāna) (»der Wachsende«); mit allgemeiner freudiger Zustimmung Samaṇa (Śramaṇa) (»der Asket«). Weil er unbewegt von Furcht und Schrecknissen, Mühsalen und Störungen, geduldig in Geduldsproben, einer, der das Stehen in der asketischen Position des kāyotsarga treu einhielt, weil er weise (dhīmān), gleichmütig gegenüber Unerfreulichem und Erfreulichem, ein Gefäß vieler guter Eigenschaften (dravya), mit Stärke (vīrya) begabt war, gaben ihm die Götter den Namen Samaṇa Bhagavaṃ Mahāvīra (Śramaṇo bhagavān Mahāvīra) (»der Asket, der erhabene Mahāvīra«).
Die körperliche Tüchtigkeit des Kindes
Als Vardhamāna, der Erhabene, acht Jahre alt geworden war, sanft, gut, wohldiszipliniert, tüchtig, tapfer und sehr kräftig, – zu jener Zeit, in jenem Augenblick betrachtete Śakra, der Götterfürst und König der Götter, mit seinem übernatürlichen Wissen den Erhabenen, verneigte sich und rühmte die Vorzüge seines Wesens: »Ah, der Erhabene! Ein törichtes Kind noch, aber nicht kindisch ist sein Verhalten, nicht kindisch seine Kraft. Noch nicht erwachsen, übt er die Tugenden eines Erwachsenen. Er ist von großer Tapferkeit (Mahāvīra). Es ist nicht möglich, daß ein Gott oder Dämon (dānava) ihn schreckt oder durch seine Kraft besiegt oder durch List überlistet!«
Da war ein Gott, der dem Inhalt dieser Worte des Śakra nicht traute. Der begab sich dorthin, wo Mahāvīra sich aufhielt. Der Erhabene vergnügte sich gerade gemeinsam mit den Kindern der Dienerschaft am Suṃkali-Spiel. Wer von ihnen einen bestimmten Baum innerhalb der Bäume des Parks zuerst erreichte oder berührte, der durfte auf den Kindern reiten. Der Gott aber verwandelte sich, um den Herrn (Mahāvīra) zu erschrecken, in eine große, furchtbar giftige, wütende Giftblickschlange mit riesigem Körper und wartete unter dem Baum. Der Herr, unbeirrt, schleuderte ihn mit der linken Hand hoch bis in die siebente Himmelsetage. Da dachte der Gott: »Bisher habe ich ihn jetzt noch nicht überlistet!« - Dann wieder vergnügte sich der Herr (Mahāvīra) mit dem tindūsaka-Spiel. Der Gott aber verwandelte sich in ein Dienerkind und spielte mit dem Herrn zusammen. Der Herr setzte sich als Reiter auf ihn. Da verwandelte sich der Gott in die Gestalt eines Piśāca und begann zu wachsen. Aber auch der wurde von dem Herrn, der das bemerkt hatte und furchtlos war, mit der flachen Hand geschlagen, so daß er an Ort und Stelle versank. Daraufhin fürchtete sich der Gott und dachte: »Auch diesmal konnte er nicht überlistet werden!« Da verehrte er den Herrn und ging.
(Aus der Āvaśyakavṛtti des Malayagiri)
Der Schulgang des Achtjährigen
Dann, als der Erhabene das achte Lebensjahr überschritten hatte, wurde er, nach einem Bad, dem Vollzug von Hausopfern, Festlichkeiten, Glückszeremonien und Sühnungen, in ein kostbares weißes Gewand gekleidet, mit einem weißen Kranz und Schmuck geziert, auf dem Rücken eines edlen weißen Elefanten sitzend, über dem ein Schirm mit einem Gebinde von Perlenschnüren und weißen Girlanden gehalten wurde und weiße kostbare Yakschweifwedel unablässig geschwenkt wurden, während Freunde, Verwandte, Angehörige, Mitbürger und Gefolge, die Nāyaka und Kṣatriya hinter ihm herzogen, von seinen Eltern dem Schreiblehrer zugeführt. Für diesen Schreiblehrer war ein sehr üppiger, breiter Sitzplatz vorbereitet worden. Aber der Sitz des Śakra geriet in Bewegung: schnell kam er herbei und setzte dort den Herrn (Mahāvira) nieder, den Schreiblehrer dagegen auf den für den Schüler vorgesehenen Platz. Dann, mit zum Añjali zusammengelegten Handflächen, bat Śakra um eine Einführung in die Grammatik, vom Buchstaben »a« angefangen. Da erklärte der Herr alles auf vielerlei Weise. Die allgemeinsprachlichen und die durch Konvention festgelegten Wörter wurden von ihm erklärt. So gibt es die »Wortkunde«. Auch der Lehrer hörte zu. Bei ihm blieb einiges vom Sinn der Worte hängen, er faßte es zusammen, und so entstand »das Aindram«, die nach Indra benannte Grammatik. Alle Zuhörer gerieten in Staunen. Śakra aber verkündete: »Der Erhabene weiß alles, er hat die Erinnerung an seine Vorgeburten und besitzt die drei Arten des Wissens.« Da waren seine Eltern zufrieden. – So wuchs Mahāvīra ohne Störungen (upasarga) heran.
(Aus der Āvaśyakacūrṇī des Jinadāsa)
Das Lebensstadium des jungen Mannes
Dann lebte der Asket, der erhabene Mahāvīra, der Unterscheidungsvermögen und Reife erlangt und seine Kindheit hinter sich gelassen hatte, indem er die durch die Tradition gebotenen, alle fünf Sinne ansprechenden Freuden der großartigen menschlichen Liebe erfuhr.
(Aus der Einleitung der Bhāvanāḥ)
§109
Der Vater des Asketen, des erhabenen Mahāvīra, war nach seiner Herkunft ein Kāsava (Kāśyapa). Ihm wurden drei Namen gegeben, nämlich: »Siddhatthe« (Siddhārtha) oder » Sejjaṃse« oder »Jasaṃse«. Die Mutter des Asketen, des erhabenen Mahāvīra, war nach ihrer Herkunft eine Vāseṭṭhā (Vāsiṣṭha). Ihr wurden drei Namen gegeben, nämlich: »Tisalā« oder »Videhadinnā« oder » Piyakāriṇī«. Der Asket, der erhabene Mahāvīra, hatte einen Onkel väterlicherseits namens Supāse; sein ältester Bruder war Nandivaddhaṇe, seine Schwester Sudaṃsaṇā; seine Gattin war »Jaśoyā«, ihrer Herkunft nach eine Koḍinnā (Kauṇḍinyā). Der Asket, der erhabene Mahāvīra, hatte eine Tochter, nach ihrer Herkunft eine Kāsavī (Kāśyapī). Ihr wurden zwei Namen gegeben, nämlich: »Aṇojjā« oder »Piyadaṃsanā«. Der Asket, der erhabene Mahāvīra, hatte eine Enkelin, nach ihrer Herkunft eine Kosiyā (Kauśikā); ihr wurden zwei Namen gegeben, nämlich: »Sesavaī« oder »Jasavaī«.
Die Eltern
Die Eltern des Asketen, des erhabenen Mahāvīra, waren Laienanhänger der Asketen in der Linie des Pārśva geworden. Viele Jahre lang bewahrten sie den Asketen ihre Gefolgschaft als Laienanhänger. Um die sechs Klassen von Lebewesen zu schützen, zeigten sie sich an, tadelten sie sich und klagten sich vor dem Lehrer an, bekannten sich schuldig und nahmen die verhängte Sühne mit Zusatzgelübden an. Auf einer Streu von Kusagras entsagten sie der Nahrung und beendeten ihr Leben nach einem Sterbefasten mit ausgedörrtem Körper. Nachdem sie ihren Körper verlassen hatten, traten sie im Zustand der Göttlichkeit im »Adbhutakalpa« in Erscheinung. Von dort werden sie, wenn ihr Lebensmaß erschöpft ist, in den Mahāvidehavarṣa eingehen und mit einem letzten Atemzug vollendet, erweckt, befreit werden, das vollkommene Nirvāṇa erreichen und das Ende all ihrer Leiden bewirken.
(Aus der Einleitung der Bhāvanāḥ)