Als wir an diesem Morgen wieder in einem Threewheeler auf dem Weg zum ASK waren, hatten wir noch keine Ahnung, was für ein ereignisreicher Tag vor uns lag. Nach der Morgenansprache trafen wir dort ein. Ein uns günstig erscheinender Zeitpunkt für Begegnungen mit Mönchen und vielleicht auch Acharya Mahashraman.
Muni Kishan Lal hatte noch andere Besucher, zudem war etwas Zeit bis zu unserer Verabredung. Deshalb schauten wir, ob wir mit Muni Kumar Shraman sprechen konnten. Muni Jay Kumar und er sind die Initiatoren der Internationalen Preksha Meditations Camps (IPMC), die seit 2002 einmal jährlich stattfinden. Das 13. Internationale Preksha Meditations Camp fand vom 07. – 13.10.2014 in Delhi statt.
Muni Kumar Shraman
Muni Kumar Shraman war mit den Mönchen seiner Gruppe in einem Raum direkt neben dem Acharya Mahashramans untergebracht. Diese Gruppe junger Mönche ist unmittelbar für die Betreuung Acharya Mahashramans verantwortlich und deshalb immer in seiner Nähe zu finden. Nach dem Rotationsprinzip wechseln ihre Aufgaben von der medizinischen Betreuung, für die Muni Kumar Shraman in Delhi zuständig war, wie er uns später sagte, bis zur Regelung aller Angelegenheiten, von denen die Mönche betroffen sind. Im weltlichen Leben würde man sie wohl in einer Firma als Manager bezeichnen. Die Verwaltung eines spirituellen Ordens unterscheidet sich kaum von der einer Firma. Kennt man den Hintergrund einiger Mönche etwas genauer, erstaunt es nicht, wie gut sie ihre Sache machen. Ihre unterschiedlichen Qualifikationen ergänzen sich hier in einem sorgfältig abgestimmten Netzwerk hinter den Kulissen zum Wohl des Ganzen, was sie vielleicht von den Managern der meisten Firmen unterscheiden mag.
Muni Kumar Shraman war in ein Gespräch vertieft, und wir beschlossen, später noch einmal wiederzukommen.
Sadhvi Pramukha Kanak Prabha (M, auf dem Stuhl) und Sadhvi Niyojika Vishrud Vibha (r) bei Acharya Mahashraman
Nebenan saßen Sadhvi Pramukha Kanak Prabha und Sadhvi Niyojika Vishrut Vibha bei Acharya Mahashraman und erörterten höchst konzentriert eine Angelegenheit. Auch hier waren alle beschäftigt, und es wurden gerade keine Besucher empfangen. Wenig später gingen die beiden Nonnen zu dem etwa 200 m entfernten Gebäude auf dem Campus, in dem sie untergebracht waren. Doch da waren wir bereits bei Muni Kishan Lal.
Muni Kishan Lal hatte jetzt Zeit für uns.
Als wir den Raum betraten, begrüßte mich Muni Kishan Lal schmunzelnd mit den Worten, „Hallo Minister, weißt du noch?“ Natürlich wusste ich noch und musste auch unwillkürlich schmunzeln. Der Hintergrund dieser Begrüßung erklärt sich am besten darüber, dass Muni Kishan Lal Spezialist für die meditative Rückführung zu früheren Inkarnationen ist und zu diesem Thema regelmäßig Meditationscamps veranstaltet. Meine erste Begegnung mit ihm fand im Januar des Jahres 2000 im Adhyatma Sadhana Kendra in Delhi statt, wo ich Muni Kishan Lal kurz nach meiner Ankunft begegnete. Er war der erste Jaina Mönch, dem ich je gegenübergestanden hatte. Seine Reaktion auf mich konnte ich mir damals nicht erklären. Er sah mich an und lachte. Von Anfang an hatte ich in seiner Gegenwart ein Gefühl der Vertrautheit. Auf jeder der darauffolgenden Indienreisen zu den Terapanthi begegneten wir ihm und erhielten Meditationsunterricht. 2003 nahm ich an einer von Muni Kishan Lal geleiteten Animesh Preksha Sitzung im Rahmen des II. IPMC in Surat, Gujarat, teil.
Pharao und Minister – so hast du es aufgeschrieben, nicht wahr?
Während der Animesh Preksha Meditation hatte ich mehrere Visionen und erkannte plötzlich, dass ich Muni Kishan Lal in einem weit früheren Leben schon einmal im alten Ägypten begegnet bin und ihn von daher gut kannte. Muni Kishan Lal als Pharao Amenophis III. hatte mir als dessen Wesir vor 3500 Jahren die Verwaltung seines Reiches anvertraut. Diese langjährige, für Land und Volk Frieden und Wohlstand bringende Zusammenarbeit war auf Loyalität und Ergebenheit des Wesirs gegenüber seinem Pharao gegründet. Mit dieser Vision ergaben viele meiner früheren Träume und Visionen mit einem Mal einen Sinn, und auch das Gefühl der Vertrautheit konnte ich mir erklären. Bereits in Delhi hatte ich auf die Bitte Muni Kishan Lals die Fotos für sein Buch über Hand Mudras gemacht und es völlig normal gefunden, von einem Jain Muni darum gebeten zu werden, eine Aufgabe für ihn zu erledigen. Muni Kishan Lal bat mich etwas, ich tat mein Bestes, das kannte ich tief innen. Erst zwei Jahre später wusste ich, warum.
Muni Kishan Lal: Hier steht dein Name.
Nach Ende des II. IPMC blieb ich noch zwei Wochen länger in Surat und besuchte täglich Acharya Mahapragya und die Mönche und Nonnen, die mit ihm dort waren. Muni Kishan Lal gab mir Meditationsunterricht, und eines Tages ergab es sich, dass ich ihm von meiner Vision während der Animesh Preksha erzählte. Er bat mich, alles detailliert aufzuschreiben. Als ich ihm die Zettel übergab, auf die ich alles niedergeschrieben hatte, fasste ich mir ein Herz und fragte ihn, ob er schon bei unserer ersten Begegnung im Kendra wusste, dass wir uns aus einem früheren Leben sehr gut kannten, und deswegen gelacht habe, als er mich sah. Das bestätigte er mit einem Lächeln.
Vor etwa einem Jahr reichte er mir die Zettel zurück, auf die ich 2003 alles geschrieben hatte (sie waren in genau dem Zustand, in dem ich sie ihm übergeben hatte!), und fragte mich, ob ich damit einverstanden sei, dass er meine Schilderung in seinem Buch veröffentlicht. Ich gab sofort meine Zustimmung, und als nächstes begrüßte er mich bei diesem aktuellen Besuch in Raum 6 wie oben beschrieben. Sein Buch ist nun druckfertig und steht kurz vor der Publizierung.
Nach dem Besuch bei Muni Kishan Lal trafen wir auf diese gut gelaunte Gruppe, symptomatisch für die Stimmung auf dem Campus.
Dann besuchten wir vor dem Mittagessen bei Swami Dharmananda Sushil Bafana im Büro des Konferenzvorbereitungsteams: Carla Geerdes, Manish Kuhar, Sunil Agarwal, Sushil Bafana (r)
Sunil Agarwal (l) und Manish Kuhar vom Konferenzteam im Auftrag der Gemini Corporation brachten Tee und fragten, wie sie bei der Realisierung unserer Pläne in Delhi behilflich sein können.
In der Tat hatten wir die Absicht, den Mehrauli Dadabari Tempel zu besuchen und an einem Treffen von Digambara Mönchen teilzunehmen, über das uns Ajit Kumar Benadi kurz vor unserer Abreise informiert hatte. Er selbst wollte auch daran teilnehmen. Manish Kuhar notierte alles sorgfältig und wollte ein Auto mit Fahrer für uns organisieren. Der Tempel ist nicht weit entfernt vom Kendra, das Treffen der Digambara Mönche sollte am 21.09. in einem als „Model Town“ bezeichneten, ziemlich weit vom Kendra entfernten Teil Delhis stattfinden. Wir freuten uns über diese tatkräftige Unterstützung und gingen guter Dinge zum Mittagessen bei Swami Dharmananda.
Nach dem Essen schauten wir uns noch einmal auf dem Gelände um, …
… auf dem wegen der Mittagszeit kaum Besucher zu sehen waren.
Acharya Mahashraman bereitete mit einigen Mönchen ein vom Dalai Lama für den 20.09.2014 einberufenes Treffen verschiedener religiöser Traditionen Indiens vor, …
… während er gleichzeitig den Anliegen von Sangh Mitgliedern zuhörte und dem Strom der Besucher seinen Segen gab, u.a. auch Christian Aparigraha Jain Geerdes (r).
Muni Kishan Lal (l), Muni Sukh Lal (M, kniend), Muni Sumermal.
Anschließend besuchten wir Muni Abhijit Kumar, von dem wir später noch berichten werden, …
… und begegneten Muni Vardhaman, der vor seiner Diksha Ausbildungen als beeidigter Bücherrevisor und Reiki Meister absolviert hat, dessen Onkel Muni Rishabh Kumar ist.
Muni Kumar Shraman war den ganzen Tag über so beschäftigt, dass wir beschlossen abzuwarten, wann sich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihm ergeben würde.
Muni Vishrut Kumar in der Gruppe Muni Kumar Shramans hatte gerade Besuch von seiner Mutter.
Die große Halle füllte sich auch allmählich wieder mit Besuchern, die als Zeichen ihrer spirituellen Hingabe den Muhapatti trugen.
Muni Vijay Kumar
Vor einer Wand der Halle saß Muni Vijay Kumar, umgeben von Angehörigen der weltlichen Familie, aus der er stammte. Sie waren eigens gekommen, ihn zu besuchen. Wir haben Muni Vijay Kumar, der seit fast 30 Jahren in Muni Sumermals Gruppe ist, bereits 2007 kennengelernt und freuten uns darüber, dass er sich noch an uns erinnerte.
Sadhvi Niyojika Vishrut Vibha und Besucher
Für den Nachmittag trennten sich unsere Wege. Während Christian Geerdes sich angeblich ein wenig ausruhen wollte, hatte ich mir einen Besuch im Haus der Nonnen vorgenommen. Mein Ziel war Sadhvi Niyojika Vishrut Vibha, der ich gern von einem Traum erzählen wollte. Als ich ihr Zimmer betrat, hatte sie gerade Besuch. Sie winkte mir zu und zeigte einladend auf den Platz an ihrer Seite. Nach einer Weile verließen die Besucher den Raum, und sie wandte sich mir zu. Ich erklärte ihr den Grund meines Besuches. Einige Tage vor unserer Abreise nach Delhi hatte ich von ihr geträumt. Sie trug aber nicht den weißen Sari einer Sadhvi, sondern westliche Kleidung, Blue Jeans und T-Shirt! Dann kam Acharya Mahashraman, auch westlich gekleidet, und sagte auf Englisch: „Wacht auf, steht auf!“ Ich sah Sadhvi Vishrut Vibha im Traum erstaunt an, die mich anlächelte, aufstand und ebenfalls auf Englisch sagte: „Na los, worauf wartest du?“
So schaute Sadhvi Vishrut Vibha, nachdem ich ihr meinen Traum erzählt hatte.
Nach meiner Schilderung sah ich sie erwartungsvoll an und machte erst einmal das Foto. Sie schwieg ziemlich lange. Solange, bis ich es nicht mehr aushielt und sie fragte, was sie von meinem Traum halte. Es dauerte eine Weile, bis sie mir mit einem feinen Lächeln um die Augen antwortete: „Die Kleidung ist nicht wichtig.“ Ja, dachte ich, das stimmt. Wir saßen noch eine Weile schweigend nebeneinander, und dann verabschiedete ich mich von ihr. Sie erwiderte meinen Gruß wieder mit diesem feinen Lächeln um die Augen. Ja, dachte ich, mit diesem Lächeln können geistige Räume geöffnet werden. Das jedenfalls war mir geschehen.
Sadhvi Sanghmitra mit ihrem Buch, das Sadhvi Samadhi Prabha für das Foto der Autorin in den Schoß gelegt hatte.
Beschwingt setzte ich meinen Weg fort, bis mich eine Sadhvi leicht an der Schulter berührte und mir bedeutete, in den Raum einzutreten, an dem ich gerade im Begriff war vorbeizugehen. Dort saß Sadhvi Sanghmitra mit gekreuzten Beinen und begrüßte mich freundlich. Sie suchte etwas in den sie umgebenden Stapeln von Büchern und Papieren. Schließlich übergab sie mir ein dickes Buch und deutete auf sich. Sie war die Autorin dieses Buches und machte es mir zum Geschenk! Das Buch mit dem Hindi-Titel "जैन धर्म के प्रभावक आचार्य ----साध्वी संघमित्रा" (in etwa: Bedeutende Acharyas des Jainismus und ihr Einfluss auf das Dharma der Jaina") ist eine anerkannte Forschungsarbeit Sadhvi Sanghmitras, wie ich dem englischen Vorwort von Prof. S. Radhakrishnan, von 1962-67 Präsident Indiens, entnehmen konnte. Auf meine Bitte hin nahm sie das Buch für das Foto noch einmal an sich und blickte geradewegs in die Kamera. Sadhvi Samadhi Prabha hatte mich auf ihre über 80jährige Gruppenleiterin aufmerksam gemacht, und es wäre sehr schade gewesen, hätte ich den Besuch dieser beschwingten Gruppe versäumt.
Sadhvi Sheel Prabha (l), Sadhvi Surat Yasha (M), Sadhvi Samadhi Prabha (r) sind in der Gruppe Sadhvi Sanghmitras.
Sadhvi Vandana Shree
Auf dem Flur sprach mich Sadhvi Vandana Shree auf das Buch unter meinem Arm an, das sie sofort erkannt hatte. Sie fragte mich erstaunt, ob ich Hindi spreche. Als ich verneinte, sprach sie weiter in Englisch. Mir war ihr zartes, jugendliches Gesicht aufgefallen, und auf Befragen erzählte sie mir, dass sie mit 15 Jahren sofort als Sadhvi von Acharya Mahapragya in den Orden aufgenommen worden sei. Das ist ziemlich ungewöhnlich, doch sie drückte auch ohne Worte aus, dass sie bereits in sehr jungen Jahren genau wusste, wie sie ihr Leben verbringen und wonach sie sich ausrichten möchte. Ihr sanftes Wesen und ihre strahlenden Augen sagen vielleicht mehr als viele Worte. Inzwischen 33 Jahre alt, wirkte sie auf mich sehr lebenserfahren und dennoch beinahe alterslos. Erst später fiel mir ein, wo wir uns schon einmal begegnet waren. Das war 2008 während des Jaipur Chaturmas Acharya Mahapragyas, wo sie eine Meditationssitzung des Preksha Meditationscamps geleitet hatte, an dem auch ich teilnahm. Die Sprache des Meditationscamps war überwiegend Hindi. Für mich war es, auch ohne Hindi zu sprechen, eine sehr bereichernde spirituelle Erfahrung, die mir zudem auch viele, über den gesamten Subkontinent verteilte Freunde schenkte. Sie alle kümmerten sich rührend um mich. Als sie bemerkten, dass ich kein Hindi verstehe, wechselten sie dann häufig einfach ins Englische. Wir sprachen beispielsweise auch darüber, ob ein Preksha Meditationscamp, ohne die Sprache zu verstehen, die eigene Meditationspraxis vertiefen kann. Da ich die einzelnen Phasen der Preksha Meditation an sich und viele der zum Preksha System gehörenden Meditationsverfahren gut kenne, konnte ich das nur bejahen. Zudem war es für mich eine Gelegenheit, die Meditation innerhalb ihres kulturellen Hintergrundes zu erfahren.
Nach dieser Begegnung eilte ich zu unserem Treffpunkt im hinteren Bereich der Versammlungshalle, wo mich Christian Geerdes erwartete. Er hatte ein schattiges Plätzchen direkt unter einem Ventilator und sogar einen Stuhl gefunden. Auch ich holte mir einen Stuhl, und wir betrachteten das Treiben um uns herum. Ein etwa zweijähriger Junge fiel uns auf, weil er uns so interessiert anschaute.
Bhavia hatte uns entdeckt, …
… näherte sich uns erst einmal auf sichere Weise …
… und legte schließlich vertrauensvoll seine Hand in meine ausgestreckte.