Am frühen Nachmittag des 12.01. kamen wir in Bangalore an. Die Temperaturen lagen bei angenehmen 26°C, auf dem Mittelstreifen der gut ausgebauten Straße waren Blumenbeete mit exotischen Pflanzen angelegt worden, und unser Ziel war der 40km stadteinwärts vom Flughafen entfernte Karnataka Jain Bhavan, den wir nach 90-minütiger Fahrt quer durch die Innenstadt dank der vorzüglichen Ortskenntnisse des Fahrers der Bangalore-Airport-Prepaid-Taxis-Ltd. ohne Umwege auch erreichten. Es war unser erster Besuch bei einer Digambara Jain Community. Unser mittlerweile guter Freund Prof. Dr. Nagarajaiah Hampana hatte für uns eine kleine Rundreise zusammengestellt, auf der er uns nach Shravanabelagola begleiten würde. Seit geraumer Zeit standen wir mit ihm in Emailkontakt, bis wir ihn 2008 in Berlin persönlich kennengelernt haben. Anlässlich der Verleihung der Prakrit Jñānabhārati International Awards 2006 und 2007 an Professor Dr. Willem Bollée (Würzburg) und Professor Dr. Klaus Bruhn (Berlin) waren er und der Direktor im Auftrag des National Institute of Prakrit Studies and Research (in etwa: Nationales Institut für Prakritstudien und Forschung) eigens nach Berlin gekommen, um die beiden Gelehrten hier im Rahmen einer Veranstaltung zu würdigen und ihnen die Auszeichnung zu überreichen. Seitdem haben wir uns fast jedes Mal getroffen, wenn Prof. Hampa in Berlin war. Nun folgten wir mit unserem Besuch in Karnataka den mehrfach ausgesprochenen Einladungen. Zwei Tage nach unserer Ankunft in Bangalore sollte es losgehen. So hatten wir noch etwas Zeit, als Übernachtungsgäste des Karnataka Jain Bhavan einen kleinen Eindruck von der auch als Bengaluru bekannten riesigen Stadt (8,2 Millionen Einwohner, drittgrößte Stadt Indiens!) zu gewinnen.
Der Karnataka Jain Bhavan wird als Studentenheim für das gegenüber liegende V.V. Puram College of Science genutzt. Dort gibt es auch eine Kantine, die am Sonntag unserer Ankunft aber geschlossen war. Inzwischen waren wir hungrig, denn wir hatten noch nichts gegessen. Bei unserer Ankunft wurden wir vom Generalsekretär der Karnataka Jain Association und dem Hausmeister begrüßt. Prof. Hampa hatte sie damit betraut, sich um uns zu kümmern, bis wir am übernächsten Tag mit ihm gemeinsam nach Shravanabelagola aufbrechen würden. Direkt nach unserer Ankunft begrüßte er uns telefonisch, und wir freuten uns schon sehr auf die Tour mit ihm. Zudem kündigte er uns für den nächsten Tag eine von unseren Gastgebern geplante Stadtrundfahrt an.
Als diese von ihm erfuhren, dass wir hungrig seien, sorgten sie dafür, dass jemand uns den Weg zu einem erstaunlich guten nahegelegenen Schnellrestaurant zeigte. Der Weg war zwar nicht weit, aber für Christian Geerdes dennoch ziemlich anstrengend. Hatte er sich doch in Jaipur mit einer von relativ hohem Fieber begleiteten Bronchitis angesteckt. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen führten dazu, dass er schließlich Antibiotika nehmen musste. Am späteren Nachmittag kam der Präsident der Karnataka Jain Association, Jitendra Kumar, extra vorbei, um uns zu begrüßen und willkommen zu heißen.
Karnataka Jain Bhavan (M), im linken Flügel des Gebäudes finden soziale Feste wie Hochzeitsfeiern statt, rechts vom Hauptgebäude ist der Mahavir Tempel.
Am nächsten Vormittag nahmen unsere Gastgeber uns in den zur Anlage gehörenden Mahavir Tempel mit. Der Präsident der Karnataka Jain Association, Jitendra Kumar, sowie deren Generalsekretär und ein weiterer Angestellter wurden von dem anwesenden Pujari gesegnet und erhielten Safranpaste auf den Punkt zwischen den Augenbrauen von ihm, wir auch. Uns beiden wurde dann im Tempel Schals verliehen, eine schöne Sitte bei den Jaina zur Ehrung von Gästen.
Das Innere des Mahavir Tempels
Der Pujari (r) streut dem Präsidenten der Karnataka Jain Association, Jitendra Kumar, Blüten aufs Haupt.
Der Pujari trägt uns gleich mit einem Holzstäbchen die Safranpaste auf.
Präsident Jitendra Kumar ehrt Christian Geerdes, später auch mich, mit einem Schal im Tempel.
Mahaviradarstellung aus goldenfarbenem Jaisalmer Gestein
Schwarz-Weiß-Fotografie einer Gruppe von Mönchen an der Wand des Tempels
Anschließend holte uns ein Taxi zur angekündigten Stadtrundfahrt ab. Nach kurzer Verständigung über die anzufahrenden Ziele und vielen Segenswünschen ging es los. Wir begannen mit dem Ganesha geweihten Shree Dodda Ganapathi Hindu Tempel, dem der Shivas Bullen geweihte Big Bull Tempel angegliedert ist. Die Tempelanlage befindet sich in einem aus Felsen bestehenden Park auf einer Anhöhe mit dem Namen Bugle Rock, in etwa: Steinernes Horn. Auf der Fahrt dorthin und auch später sahen wir, dass gerade die gesamte Stadt umgebaut zu werden schien. Metrobau (Hochbahn) und Ausbau von Schnellstraßen zur Umfahrung des Zentrums verändern gerade das Gesicht der Stadt. Mal sehen, wohin die Entwicklung geht.
Eingang des Shree Dodda Ganapathi Hindu Tempel
Big Bull, der Namensgeber des Tempels
Ganeshastatue zu Füßen des steinernen Bullen
Danach statteten wir dem berühmten Botanischen Garten Lal Bagh einen Besuch ab. Breite Alleen laden zum Spaziergang ein und alte Bäume zum Träumen. Der Mittelpunkt des Botanischen Gartens ist ein zu Ehren eines Besuches von Prinz Albert gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtetes Glashaus, in dem gerade die Pflanzen der Saison zum Auspflanzen bereitgestellt wurden. Eine weitere Attraktion ist der 1975 zum geologischen Denkmal erklärte Gneissfelsen, der 1916 von Geowissenschaftlern der Universität Mysore seinen Namen erhielt. Dieser Felsen ist einer der ältesten der Erde, ihm wird ein Alter von 3000 Millionen Jahren zugeschrieben.
Allee mit altem Baum in Lal Bagh, im Hintergrund der Gneissfelsen
Es war eine Farben- und Blütenfülle, in der man nur schwelgen konnte. Beim Mittagessen ließen wir die herrlichen Eindrücke noch einmal an uns vorbeiziehen und fragten uns, was wir noch zu sehen bekämen. Eine Kunstgalerie – Venkatappa Art Galery - oder ein Technikmuseum – Visvesvaraya Industrial & Technological Museum, doch die Kunstgalerie war geschlossen, also Technikmuseum. Viele Familien hatten sich den Feiertag für einen Besuch im Technikmuseum mit Kindern und Großeltern ausgesucht.
Freiluftexponate der Venkatappa Art Galery, entdeckt bei der Umrundung des Gebäudes.
Aus der Nähe betrachtet fast noch schöner.
Original Dampfmaschine vor dem Technikmuseum
Klappt das riesige Maul auf und zu und brüllt dabei so furchterregend vom Band, dass alle Kinder lauthals lachen.
Nachbau des Flugzeuges der Gebrüder Wright
Blick auf die 'Maschinenhalle' des Technikmuseums von der Galerie aus
Zu guter Letzt fuhr uns der Taxifahrer einmal quer durch die Stadt zu einem Ziel, das wie das Kontrastprogramm für das Technikmuseum wirkte: Der riesige Sri Radha Krishna Chandra (Hare-Krishna) Tempel. Gleich nach den Schuhen mussten wir unsere Kamera abgeben, so dass wir keine Aufnahmen vom Inneren machen konnten. Ein ganzer Hügel ist mit einem mehrstöckigen Tempelkomplex für Tausende von Besuchern bebaut. Man wird behutsam mithilfe von Wegweisern und freundlichen Mitarbeitern durch die Anlage geschleust und kann über den Einfallsreichtum der Erbauer und Betreiber der Anlage nur staunen. Überall gibt es kommerzielle Stützpunkte für den Erwerb von spirituellen Souvenirs oder zur leiblichen Stärkung. Die Verdeutlichung der Tatsache, dass wir alle nur Sandkörner im Strom des Universums sind, ist dort sehr einprägsam gelungen. Tausende waren zur gleichen Zeit wie wir dort, doch in der so großzügig konzipierten Anlage kam es nicht zu Gedränge. Eine zeitgenössische Meisterleistung in Logistik und Tempelbaukunst.
Der Sri Radha Krishna Chandra (Hare-Krishna) Tempel, leider nur von außen