Am nächsten Morgen sprachen wir nach dem Frühstück weiter, wo uns die Müdigkeit Grenzen gesetzt hatte. Unsere Freunde führen ein sehr spirituell orientiertes Leben und meditieren täglich morgens und abends bis zu 3 Stunden. Jeder in einem eigens dafür genutzten Raum, möglichst immer zur einmal gewählten Tageszeit. So beginnt und endet jeder Tag für sie in der Regel mit Meditation.
Rajendra Bengani während unseres Gespräches
Rajendra Bengani hält zudem die von Mönchen und Nonnen befolgte Regel ein, nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang nichts zu sich zu nehmen, auch kein Wasser. Jeden Morgen steht er ebenso wie die Mönche und Nonnen gegen 04:00 h morgens auf. Das hält er seit vielen Jahren so.
Vijaya Bengani gesellte sich nach ihrer Meditation dazu.
Vijaya Bengani erzählte uns, wie der 10. Terapanth Acharya Mahapragya sie ermunterte, sich zur Preksha Meditationstrainerin ausbilden zu lassen. Jeden Freitag gibt sie Meditationssitzungen für die Kinder der Jaina Gemeinschaft in Dubai, zudem einmal wöchentlich am frühen Abend für Erwachsene.
Darüber und über vieles mehr haben wir gesprochen und hätten noch Gesprächsstoff für Tage gehabt. Erst während des auf unsere Gespräche folgenden Vormittags bemerkte ich, wie gut Rajendra Bengani uns auf das Zusammentreffen mit der Jaina Gemeinde in Dubai vorbereitet hatte. Er leitete diese Versammlung und gab ihr eine Richtung, die für alle Beteiligten fruchtbar war.
Gegen 10:00 h verließen wir das Haus und fuhren ca. 30 Minuten durch die Stadt zu der Wohnung, in der die Freitagsversammlung immer stattfindet. Wir betraten eine geräumige Wohnung, in deren Wohnzimmer die Möbel so beiseite geräumt worden waren, dass alle Platz finden konnten. Wie in Indien saßen Männer und Frauen auf je einer Seite zusammen. Die Kinder werden gewöhnlich freitags in einer anderen Wohnung einige Etagen höher unterrichtet, doch an diesem Freitag kamen alle in der Wohnung zusammen, in der sonst die Erwachsenen sich treffen.
Rajendra Bengani machte uns alle miteinander bekannt: Die Wohnungsbesitzer, …
…eine junge Frau, die sich freute, Jaina aus Deutschland zu treffen, …
…ein junger Mann, der uns willkommen hieß, …
… kleinere und größere Brüder, …
… kleinere und größere Schwestern, …
… alte Freunde, lange nicht gesehen, …
… inzwischen Eltern (rechts der kleine Sohn) und Großeltern (wir) geworden, …
… an die 40 Zuhörerinnen und Zuhörer, die …
aufmerksam Rajendra Benganis Eröffnung dieser Zusammenkunft verfolgten, …
… an diesem Feiertag in Dubai.
Rajendra Bengani stellte uns gekonnt der Versammlung vor und bat jeden von uns um eine kurze Rede.
Dieser folgten Antworten auf Fragen aus dem Kreis der Jaina Gemeinschaft.
Im Anschluss überreichte man uns Buchpräsente.
Ashok Doshi sprach uns an, weil sein Sohn Shreyans von April bis Juli ein Studiensemester in Potsdam im Rahmen des Studentenaustauschprogramms seiner amerikanischen Universität verbringen würde.
Vater Doshi intensivierte den Kontakt zu uns in seiner einige Stockwerke höher gelegenen Wohnung, wo seine Familie mit der seines Bruders als „joint family“ zusammen wohnten.
Das Offerieren von Wasser und/oder Tee ist eine der Grundlagen indischer Gastfreundschaft.
Tatsächlich hatten wir nicht nur per Email Kontakt, sondern Shreyans besuchte uns auch. Nicht nur das, die ganze Familie kam noch einmal auf ihrer Europatour bei uns vorbei, als Shreyans ihnen zum Abschluss Potsdam und Berlin zeigte. Es war sehr schön, wie die fünfköpfige Familie, Shreyans hat zwei jüngere Brüder, von ihren Erlebnissen in Deutschland berichtete. Überall hatten sie sehr freundliche Menschen getroffen, und Shreyans hat es so gut in Deutschland gefallen, dass er sehr gerne wiederkommen möchte.
Auf der Straße trafen wir Lalit (r) Jains Familie noch einmal zum Abschied.
Zum Mittagessen luden unsere Freunde uns in ein neu eröffnetes indisches Restaurant ein.
Dort gab es nicht nur außergewöhnliche Dekoration, sondern auch außergewöhnlich gutes Essen.
Danach gab es noch etwas zu sehen: Hafen von Dubai.
Die ausgeladenen Waren standen einfach auf der Straße neben dem Kai, bis sie von den Empfängern abgeholt wurden.
Die Fracht kam aus Mumbai, wie wir erfuhren.
Den ganzen Kai entlang hatten Schiffe aus Indien angelegt, die gerade ihre Fracht ausgeladen hatten. Diese bestand aus Konsumgütern für die indischen Arbeitsmigranten.
Sehr groß sind die Schiffe nicht, welche die 1935 km Entfernung auf dem Seeweg zwischen Mumbai und Dubai in ca. 5 Tagen zurücklegen, wie man an den Aufbauten sieht.
Durch die feiertäglich ruhigen Straßen gelangten wir schnell wieder zurück zum Heim unserer Freunde.
Nachdem wir geruht und unsere Sachen gepackt hatten, verbrachten wir den Abend zusammen und verließen dann gegen 23:00 h das Haus unserer Freunde. Ein großes Dankeschön an Rajendra & Vijaya Bengani für dieses Wiedersehen in Dubai nach 8 Jahren, an das wir voller Freude und Dankbarkeit zurückdenken. Vielleicht findet unser nächstes Wiedersehen ja in Berlin statt. Alles ist möglich.
Pünktlich 2,5 Stunden später verließen wir Dubai in Richtung London. Vermeintlich in den aufdämmernden Berliner Frühling. Wenigstens hatten wir 4 Tage lang diese Illusion. Doch der Winter versperrte fast weitere 4 Wochen lang dem Frühling den Einzug und führte ein unerbittliches Regiment aus grauen Wolken, aus denen es auch noch ausdauernd schneite. Ja, wir waren nach einer interessanten Indienreise eben wieder zuhause. Zum Glück haben wir hier alle Heizungen, dachte ich immer wieder, wenn ich aus dem Fenster schaute. Doch auch dieser Winter ging vorüber, wie alles im Leben. Unsere Jaina Freunde pflegen zu sagen, dass alles vergänglich ist. Recht haben sie, aber glücklicherweise verfügen wir Menschen auch über die Fähigkeit des Erinnerns.
Allen Leserinnen und Lesern möchten wir von Herzen für ihr Interesse an unseren Berichten danken, und hoffen, dass wir unsere Freunde, die dieser Jahrtausende alten Tradition der Friedfertigkeit und des Glaubens an die Entwicklungsfähigkeit des Menschen folgen, auch ein bisschen zu Ihren machen konnten.
16. Tirthankara Shantinatha