Je mehr man sich dem Eingangsbereich des Nakoda Jain Tempelkomplexes nähert, desto weiter lässt man das marktähnliche Treiben und die Restaurants rund um den Parkplatz hinter sich. Nachdem man die wenigen, aber deutlich sichtbaren Sicherheitsleute passiert hat, betritt man tatsächlich eine andere Welt. Sie ist um einiges stiller, und die Bewegungen der Menschen sind erkennbar gemessener. Hier herrscht keine quirlige Hektik, niemand möchte einem etwas verkaufen, man lächelt sich höchstens freundlich an. Eine kleine Welt für sich, die schon durch ihre Atmosphäre die Bereitschaft zur Öffnung der eigenen inneren Räume wachsen lässt.
Die Nakoda Jain Tempel sind seit langem ein Anziehungspunkt für Jain Pilger aus Indien und aller Welt. Der Gesamtkomplex umfasst drei Jaina Tempel, großzügige Unterbringungsmöglichkeiten für Pilger sowie eine große Halle zum Einnehmen der Mahlzeiten. Mit den Bauarbeiten zu dieser Anlage wurde ca. im 11. Jahrhundert begonnen. Diese ersten Bauten in den Hügeln unweit des heutigen Dorfes Mewanagar, früher Virampur, entstanden im 13. Jahrhundert durch die Initiative zweier Brüder, der Lokalfürsten Virsen und Nakorsen. Sie waren die Ersten, die an dem legendären Ort einer „Jaina Tirth“ im 13. Jahrhundert einen Jaina Tempel bauen ließen. Eine Jaina Tirth (Furt) ist ein häufig in den Bergen gelegener Ort, der ein Übergang zwischen weltlicher und immaterieller Realität ist. Diese Orte werden als Tore zur höheren Wirklichkeit wahrgenommen, was mit dem über die Sinne hinausreichenden Wirken starker Naturkräfte in Verbindung gebracht wird. Die Statuen der Tirthankaras des im 13. Jahrhundert gebauten Tempels wurden von Acharya Sthulibhadrasuri geweiht und zwischenzeitlich vor Eroberern an einen Ort namens Kalidrah in Sicherheit gebracht. Seit dem 15. Jahrhundert wurde die Tempelanlage erweitert und instandgesetzt. Drei Tempel mit über 200 Statuen und Skulpturen bilden gegenwärtig den inneren Bereich des Nakoda Jaina Tempelkomplexes. Sie sind dem 01. Tirthankara Rishabha Natha & Shanti Natha (16.), sowie Parshva Natha (23.) geweiht.
Blick vom Eingang auf die Nakoda Rishabnatha & Shantinatha Tempel
Eingang Rishabha Natha & Shanti Natha Tempel
Blick vom Rishabha Natha & Shanti Natha Tempel (r) zum Eingangsbereich des Tempelkomplexes (l)
Details der Fassade des Rishabha Natha & Shanti Natha Tempels mit Dharmachakra
Folgt man dem breiten, mit weißer Farbe markierten Plattenweg, kommt man zum Eingang des Rishabha Natha & Shanti Natha Tempels. Die marmornen Tempelfassaden sahen aus wie gerade frisch poliert. Auch die farblichen Details der Darstellungen strahlten in ihren ursprünglichen Farben. Oft ist der erste äußere Eindruck auch eine Aussage über die finanziellen Mittel, welche die für den Erhalt des Tempels zuständige Stiftung dafür aufwenden kann. Nakoda Ji (Abkürzung von Jinalaya, Ort, an dem die Jina – Sieger residieren) ist als Pilgerziel sehr bekannt, weil dem Ort starke Wirkkräfte zugeschrieben werden. Zudem handelt es sich hier nicht um einen als Antiquität bewahrten Ort voller Ausstellungsstücke, also kein Museum, sondern um einen Tempel, in dem täglich die Riten praktiziert werden als lebendiger Ausdruck der Verehrungskultur der Jaina. Dazu gehört die rituelle Neueinkleidung von Kopf bis Fuß nach der rituellen Waschung als äußere Signale dafür, dass der Praktizierende sich von allen weltlichen Anhaftungen und negativen, die Seele verunreinigenden Gedanken und Impulsen bewusst gereinigt und sich so auf die Begegnung mit der höheren Wirklichkeit im Tempel vorbereitet hat.
Deckenborte mit einer Darstellung des 02.Tirthankara Ajita Natha
Nachdem man den Tempel durch eine der beiden breiten Eingangstreppen betreten hat, kommt man in eine kleine Halle, von der aus man durch einen Erker nach draußen sehen kann. Wendet man sich um, erblickt man eine nach oben führende Treppe hinter einer weit geöffneten schweren Silbertür. Oben angekommen, erregen die Verzierungen der Decken und Wände die Aufmerksamkeit. Die Borte unterhalb des halbkreisförmig gestalteten Deckenmotivs enthält eine Darstellung des 02. Tirthankara Ajita Natha.
16. Tirthankara Shanti Natha im Lotussitz (m)
22. Tirthankara Neminatha (stehend)
16. Tirthankara Shanti Natha (m), 08. Tirthankara Chandra Prabha (r)
Die Darstellung des 16. Tirthankara Shanti Natha im Garbhagriha ist flankiert von den kleineren Darstellungen zweier Tirthankaras, die alle vor einer mit goldenen floralen und rituellen Motiven geschmückten Wand aus massivem Silber sitzen. Die verschiedenen Aufnahmewinkel zeigen einmal den Tirthankara links und einmal den rechts neben der größer dargestellten Hauptskulptur. Links vor dem Garbhagriha sind eine stehende Marmorskulptur sowie zwei kleinere sitzende Marmorskulpturen und drei noch kleinere Sandsteinskulpturen zu sehen. Im Folgenden findet sich eine kleine Auswahl weiterer Details.
Blick vom Garbhagriha zurück auf die geschmückten Säulen
Details der verzierten Decke
Decke und Säulen mit Girlanden (Toranas)
Ein vierarmiger Mensch mit einem goldgeschmückten Schweinskopf reitet auf einem wilden Eber.
Hügel hinter dem Tempel im Obergeschoss
Darstellung des 24. Tirthankara Mahavira (m) in Marmor, links davon etwas kleiner des 2. Tirthankara Ajita Natha in Sandstein
Darstellung des 23. Tirthankara Parshva Natha in Marmor (M) und des 21. Tirthankara Nami Natha (l) kleiner in Sandstein
Darstellung des 21. Tirthankara Nami Natha (oben) und eines Jainalehrers (darunter)
Detailaufnahme eines verzierten Treppenaufganges
Als wir wieder hinaustraten, hatte sich der Eindruck verändert. Es waren viele Menschen in festlichen Gewändern unterwegs. Sie blieben gern stehen für ein Foto.
Dieses junge Mädchen war mit seiner Familie auf dem Weg zur Andacht.
Immer mehr Menschen strömten den Hauptweg entlang.
3 Freunde
Hochgewachsen & in feines Tuch gewandet....
und weiter schnellen Schrittes....
Die Menschen strömten nun alle in eine Richtung. Es war ein schönes Gewoge von Männern und Frauen in traditionellen indischen Festgewändern, wie sie eigens zum Tempelbesuch neu angelegt werden. Wir beschlossen, ihnen zu folgen und bereuten es nicht.