Am Nachmittag besuchten wir das andere auf einem Hügel über der Stadt gelegene Bauwerk, das Mehrangarh Fort. Der 122m hohe allein stehende Hügel, auf dem die Festung gebaut worden ist, hatte es vor über 550 Jahren dem König auf der Suche nach einem Hauptquartier des Rathore Clans sofort angetan. Der Name Mehrangarh Fort bedeutet "Festung der Sonne". Auch dieses seit Jahrhunderten Jodhpur überragende Bauwerk befindet sich immer noch im Besitz des Rathore Clans. Begonnen wurde mit dem bis ins 20. Jahrhundert ständig erweiterten Bau im Jahr 1459 als Palast für König Rao Jodha, Gründer der Stadt Jodhagarh/Jodhpur. Auf dem ca. 125m hohen Hügel residierte der König über seiner Hauptstadt, die er auf Anraten eines Heiligen vom 9km südlicher gelegenen Mandore hierher verlegt hatte. Die wichtige Handelsroute von Delhi nach Gujarat führte direkt hier vorbei. Maharaja Jaswant Singh vollendete 1659 zwar den Bau, doch auch dessen Nachfolger fügten immer neue Paläste hinzu. So ist über die Jahrhunderte ein eindrucksvoller, von Festungsmauern umgebener Palastkomplex entstanden, der bis zur Fertigstellung des ca. 6km entfernten Umaid Bhawan 1943 von den Eigentümern bewohnt wurde.
Teile des Mehrangarh Forts wurden im Rahmen eines vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und dem 1972 von Maharaja Gaj Singh gegründeten Mehrangarh Museum Trust geförderten interdisziplinären Projektes auf Initiative der Berliner Kunsthistorikerin und Restauratorin Christine Becker MA in Zusammenarbeit von indischen und deutschen Restauratoren bereits ab 2006 konserviert und restauriert.
Bei den klimatischen Bedingungen gewiss eine Herausforderung an alle Beteiligten. Das solide Bauwerk erreicht an seiner höchsten Stelle eine Höhe von 120 Fuß (36,57m) und hat bis zu 70 Fuß (21,33m) dicke Außenmauern. Die durch verschiedene Jahrhunderte geprägten Ausbauten und Erweiterungen der Anlage haben dazu geführt, dass man dort einen sehr interessanten architektonischen Stilmix bewundern kann. Bis zu einem großen Parkplatz kann man sich fahren lassen, doch danach muss man sich zu Fuß nach oben bewegen oder auf den Fahrstuhl warten. Der zu bewältigende Höhenunterschied entspricht ungefähr vier Stockwerken.
Rechts die Ausläufer des Parkplatzes, links Erfrischungsstände: Ab hier geht es nur noch zu Fuß weiter.
Erstes Tor, bzw. Eingang zum "Kastell der Sonne"
Typische Wanddekoration rechts neben dem Eingang
Torweg zum ersten Innenhof, im dem sich die Kasse und der Eingang zum Fahrstuhl befinden, sowie Cafés
Rechts neben der Kasse sieht man die Auszeichnung der UNESCO für den Erhalt kulturellen Erbes in der Asien-Pazifik-Region
Wer fußläufig die höchste Stelle des Forts erreichen und sich den Blick über die Stadt von dort oben nicht entgehen lassen möchte, muss sechs Tore passieren. Insgesamt sind es also sieben, das Eingangstor mitgezählt. Das hatten wir ja bereits hinter uns. Also munter voran, es gibt ja einen Fahrstuhl. Nachdem wir die Schlange am Eingang zum Fahrstuhl gesehen und jemanden gefragt hatten, wie lange man in etwa anstehen muss, bis man hinauffahren kann, entschieden wir uns dafür, die noch vor uns liegenden sechs Tore zu Fuß zu passieren.
Nur vom Fußweg aus wird man mit diesem Anblick belohnt.
Hinter dem zweiten Tor…
…gibt es in einer Wende den ersten schönen Ausblick aufs Tal.
Vor Passieren des dritten Tores sollte man nach oben schauen.
Beim vierten Tor kann man gut erkennen, dass der Anstieg nicht zu steil ist.
Der Blick zurück zeigt, was schon geschafft ist. Hinter der Mauer sieht man die Häuser Jodhpurs blau blitzen.
Das fünfte Tor verheißt baldige Ankunft
Geschafft - das 6. Tor
Dieses Gebäude ist heutzutage - ebenso wie viele andere im Burgkomplex - ein riesiges Museum, in dem man Einrichtungen, Stoffe, Turbane, Elefantenhowdahs (von Elefanten getragene Sänften) und andere königliche Sänften, sowie herrlich gearbeitete Türen und Fenster bewundern kann.
Der Hof, den man betritt, wenn das siebente Tor passiert ist, war am Tag unseres Besuches mit bunten Fahnen geschmückt. Schon in der Zeitung hatten wir gelesen, dass an dem Wochenende vom 22. bis 24. Februar 2013 das World Sufi Spirit Festival im Mehrangarh Fort stattfinden würde. Überall hörte man Musik, und das internationale Publikum gab dem Festival die Ehre. Wir wollten erst einmal von oben auf die Stadt schauen und uns dann auf den Weg zur Quelle der Musik machen.
Gut zu Fuß sollte man schon sein für die Besichtigung des Forts. Blick auf das siebente Tor, links die ehemaligen Königinnenpaläste und die Unterkünfte ihres Gefolges.
Wo einst Kanonenkugeln sprachen, sitzen nun Familien und genießen die Aussicht.
Warum Jodhpur auch „Blaue Stadt“ genannt wird, erkennt man von oben. Angehörige der Brahmanenkaste hatten einst das Privileg, ihre Häuser blau anstreichen zu dürfen.
Blick vom Mehrangarh Fort auf den 1912 errichteten Uhrturm, eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt, um den herum ein quirliger Basar entstanden ist.
Baumdenkmal im Burghof, unter dem die Kinder spielen.
Eine offene Tür in einem Gebäude gegenüber dem Baumdenkmal zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, und schon standen wir in einem Turbanmuseum voll herrlichster Exemplare.
Angelockt von der Musik, folgten wir nun unseren Ohren zur Quelle.
Kein Wunder, dass die Musik so gut mit dem Ort harmonierte:
Ein Rajasthani Orchester stellte sich hier mit seiner Musik vor.
In dem für eine Aufführung von Musik sehr geeigneten Innenhof - gute Akustik, nicht zu groß, nach oben offen - gab es ein ständiges Kommen und Gehen. Das internationale Publikum genoss sichtlich die Darbietung der aus der Wüste Thar stammenden Gruppe. Tänze, Gewänder und Klänge bildeten ein harmonisches Ganzes, das viele zum Mitklatschen motivierte und ihnen eine authentische Erfahrung bescherte. Die Künstler freuten sich riesig über die positive Reaktion des Publikums und gaben wirklich ihr Bestes. Was für ein Erlebnis, umsonst und draußen, wie es in Berlin so schön heißt. Mir kam die Äußerung eines indischen Freundes in den Sinn: „Die besten Dinge im Leben sind umsonst.“ Nachdem wir diesen Innenhof verlassen hatten, spazierten wir durch ein geöffnetes Tor in den gegenüberliegenden. Dort erwartete uns, später auch die Abendgäste, ein märchenhafter Anblick.
In diesem Ambiente sollte am Abend das Eröffnungskonzert vor geladenen Gästen und Besuchern stattfinden.
Blick auf die berühmte Ausstellung von Elefantenhowdahs im Mehrangarh Fort
Blick aus einem der Fenster des Ausstellungsraumes
Mit Liebe zum Detail: Kunstvoll gearbeitete Tür mit landestypischem Dekor
Die Stadt zu Füßen: Ausblick aus dem Flügel eines Palastes
Ein Prachtstück aus der königlichen Sänftensammlung
Wanddekoration in einem der Palasträume
Königliche Wasserpfeife
Allmählich senkte sich die Dämmerung über die Stadt, und über unsere Augen die Müdigkeit. Was für ein denkwürdiger Ausflug in die Geschichte Jodhpurs!