Wieder ein Sonntag! Kaum zu glauben, erst 10 Tage und das zweite Wochenende unterwegs, aber gefühlt seit Monaten. Den Sonntag beschlossen wir ruhig anzugehen, ideal für einen Ausflug zum Gadisar Lake (See). Der als Regenwassersammelsystem künstlich angelegte See wurde zuerst 1156 als Trinkwasserreservoir von Maharawal (großer König, Herrscherbezeichnung in Jaisalmer und Dungarpur) Jaisal selbst, nach dem die Stadt benannt ist, angelegt. Jahrhundertelang war es deswegen verboten, in ihm zu baden oder Wäsche zu waschen oder auf ihm Boot zu fahren oder gar Tiere an seinem Ufer zu tränken. Bis 1965 diente der See als Trinkwasserreservoir für die Stadt. Die Herrscher Jaisalmers feierten am Ufer und in Pavillons im See zwar legendäre Tanz- und Musikfeste, achteten aber strikt auf die Einhaltung der Verbote und hielten sich selbst auch daran. In der Trockenzeit bauten die Bauern auf dem fruchtbaren Grund des ausgetrockneten Sees genügsame Feldfrüchte an. Gegenwärtig wird der Zugang zum See geschlossen, wenn er während der Trockenzeit kein Wasser mehr hat. Baden ist immer noch verboten, aber inzwischen gibt es eine Bootsvermietung und auch die zum Stadtbild gehörenden Tiere halten sich am Ufer des Sees auf. Benannt ist er nach Maharawal Garsi Singh, der ihn 1367 ausbauen ließ. Mittlerweile ist das traditionelle System der Sammlung von Regenwasser in eigens dafür angelegten Seen für die Trinkwasserversorgung aus ökologischen Gründen wieder in der Diskussion.
Tilon ki Pol, „Konkubinentor“ zum Gadisar Lake
Dieses Tor wurde im 17. Jahrhundert von der reichen Konkubine und berühmten Tänzerin Tilon gestiftet. Als der König drohte, es abreißen zu lassen, weil er mit der Königin und seinem Hofstaat nicht durch ein von einer Konkubine gestiftetes Tor zum See gehen wollte, ließ die kluge Tilon oben auf dem Tor in der Nacht vor dem angedrohten Abriss einen Schrein für Krishna errichten. Sie fand sogar einen Priester, der gegen entsprechendes Entgelt bereit war, ihn umgehend zu weihen. Damit verhinderte sie den Abriss des Tores und zwang König, Königin und Hofstaat buchstäblich durch das von ihr gestiftete Tor. Diese Geschichte erzählt man sich in Jaisalmer schmunzelnd noch heute.
Blick links vom Tor auf den See mit Shiva Tempel (l) und Uferpavillons
Links dahinter um die Ecke geguckt
Uferpromenade mit Stufen in den See
Sonntäglicher Bootsausflug
Offensichtlich hatten wir die richtige Wahl getroffen an diesem Sonntag. Die internationalen Reisegruppen waren anderweitig unterwegs, und so genossen wir mit den Einwohnern der Stadt diesen ruhigen Sonntagvormittag. Viele junge Leute und Familien mit Kindern waren wir hier. Auf einmal scharten sich viele Besucher um eine Familie am Seeufer, und besonders alle Kinder schauten fasziniert auf das seichte Wasser.
Die berühmten Welse balgen sich unweit des Ufers um Brotkrumen, die man am Ufer kaufen kann
Eine Familie machte ihren Kindern die Freude und kaufte die fertigen Futterpakete mit Brot für die Fische. Diese sammelten sich um die Stelle, an der es immer wieder Futter in den See regnete. Noch ein anderer Seeanrainer fand in dem seichten Wasser Nahrung.
Stelzenläufer (Himantopus himantopus)
Die Stelzenläufer sehen aus wie Störche im Miniformat mit ihren bis zu 35cm langen roten Beinen und dem langen spitzen Schnabel. Dabei ist ihr Körper nicht größer als der einer Taube. Sie ernähren sich von Wasserinsekten, Krebstieren und kleinen Fischen. Vermutlich ist der Abgebildete ein Überwinterer aus dem östlichsten Bereich Europas, denn soweit können diese so zerbrechlich anmutenden kleinen Räuber in ihr tropisches Winterquartier fliegen. Ihre Überlebenschancen hängen wie die so vieler Vögel von den Aufzuchtbedingungen für ihre Brut ab. Diese sind gut, wenn sich die Kolonie der Stelzenläufer in einem stabilen Biotop niedergelassen hat, das aus feuchten Niederungen, flachen Gewässern, Reisfeldern, Fischteichen und Kläranlagen besteht. Wir setzten unseren Spaziergang am See fort, nachdem wir dem possierlichen Vogel zugeschaut hatten.
Shiva Tempel am Gadisar See
Mit dem Fahrrad zur Arbeit: sportlicher Hindupriester
„Das Fahrrad gehört bestimmt dem Priester!“ meinte jemand, der einen Witz machen wollte. Doch es stimmte! Mit dem schicken, unter den alten Bäumen lehnenden, nicht angeschlossenen (!!) Sportrad war tatsächlich der Hindupriester gekommen, um die essbaren Opfergaben aus dem Shiva Tempel abzuholen und an Bedürftige zu verteilen. Das macht er jeden Sonntag so, erzählte er mir.
Souvenirstand vor malerischer Kulisse
Souvenirs,
Souvenirs,
…und wunderschöne Druckstöcke für Stoffdruck.
Als sich der Hunger wieder bei uns meldete, suchten wir zwar, fanden aber kein Restaurant. Also fuhren wir zurück zum Fort, um unsere Mittagsmahlzeit an bewährter Stelle einzunehmen. Doch dieses Mal wurden wir bedauernd an dem Platz abgesetzt, auf dem sonst die Reisebusse halten und viele Händler ihre Waren anbieten. Eindrucksvolle Ausblicke auf das Fort inklusive.
Tor zum Fort, nachmittags dürfen keine Taxis hinauffahren.
Jaisalmer Fort
Bedruckte Stoffe in bunter Vielfalt
Das letzte Tor
Am Ziel: Terrasse des Restaurants „8th of July“
Managerin Rama Bhatia überreicht Carla Geerdes einen mit Elefanten verzierten Armreif
Essen und Geschenke austauschen gehört irgendwie zusammen, ein schöner Abschluss eines Sonntagvormittags am Gadisar See.
Für den Abend hatten wir auch schon einen Tipp erhalten: Den Sonnenuntergang auf einem Hügel unweit unseres Hotels anschauen. In Jaisalmer bekannt als Suri Dungar. Übereinstimmend wurde uns als Ankunftszeit auf dem Hügel (Dungar) ungefähr 18:30h genannt. Also machten wir uns gegen 18:15h auf den Weg. Bald sahen wir auch den Hügel vor uns, auf dem schon einige saßen, die sich dieses Schauspiel auch nicht entgehen lassen wollten.
Hier entlang!?
Hügelan in der Abendsonne, vorbei an Häusern, ist das der richtige Weg?
Oh, die Sonne ist schon an der Horizontlinie…
…und gleich darunter versunken.
Zu spät! Wir hatten den richtigen Aufgang verpasst, weil dort gerade gebaut wurde und der Baustellenbereich nicht so aussah, als käme man dort weiter. Stimmte nicht, wie wir später bemerkten. Diesen Bilderbuch-Sonnenuntergang konnten wir nicht von ganz oben verfolgen und mussten uns mit halber Höhe begnügen. Doch wir nahmen uns für einen anderen schönen Abend vor, es noch einmal zu versuchen. Dieser Abend war wolkenlos mit wechselnden Farben, einfach perfekt. Wäre auch zu schön gewesen. Doch die Freude auf unser Vorhaben am nächsten Tag tröstete uns darüber hinweg.