Surat, 07.-15.10.2003
120 Delegierte aus zehn Ländern – Indien, Großbritannien, USA, Russland, Moldawien, Tadschikistan, Ukraine, Nepal, Malaysia, Deutschland - kamen im Oktober 2003 für neun Tage zusammen, um entweder die Methode der Preksha Meditation zu erlernen oder ihre Meditationspraxis zu intensivieren und mit Hintergrundinformationen anzureichern. Aus unterschiedlichen Weltgegenden gelangten sie nach Surat im indischen Bundesstaat Gujarat mit dem festen Entschluss, neun Tage ihres Lebens mit der Evaluation ihres Selbst zu verbringen und die Wahrheit durch den Blick nach innen zu finden.
Wie im Programm angekündigt, wurde von allen Teilnehmern die strikte Einhaltung des vorgegebenen Tagesablaufs erwartet. Der Tag begann um 5:15 in der Frühe mit der ersten Meditationssitzung (Wecken ca. 4:30), dann Guru-Darshan bei Acharya Mahaprajna (gesprochen: Mahapragya), anschließend Yoga-Asanas mit Pranayama und gegen 8.00h Frühstück.
Die audio-visuellen Lektionen von Muni Mahendra Kumar, Professor für Preksha Meditation, fanden um 9:00 statt. Seine persönliche Anwesenheit wirkte sehr aufbauend. Wenn die Konzentration nachzulassen drohte, konnte man sich nach Augenkontakt mit ihm wieder besser konzentrieren. Die theoretischen Lektionen wurden anschließend gleich angewandt. Von 10:00 bis 11:00 unter Anleitung Samani Shardapragyas setzten wir eine Kontemplation (Anupreksha) in die Praxis um. Muni Kishan Lal, ebenfalls Professor für Preksha Meditation, gab uns von 11:00 bis 12:00 durch Kayotsarg Gelegenheit zur Entspannung mit Gewahrsein des Selbst.
Nach der Mittagspause um 14:00 fand eine weitere Meditationssitzung statt. Diese wurde von Kumar Shraman (‚Kleiner Heiliger’) durchgeführt, einem 22jährigen Mönch, der bereits mit neun Jahren in den Orden aufgenommen wurde. Eine ihrer Wanderungen als Asketen inspirierte Muni Jay Kumar und ihn zu der Idee, ein internationales Meditationscamps durchzuführen. Es zeigte sich, dass die Idee perfekt war.
Auf die Nachmittagsmeditation folgte der spirituelle Vortrag Acharya Mahaprajnas von 15:00 bis 15:45.
Nach der Teepause präsentierte Dr. G.L. Jain aus Udaipur, der auch die Begrüßungsrede und den Einführungsvortrag gehalten hatte, eine Anatomielektion. Im Anschluss daran gab es eine Pause von ca. 90 Minuten für das Abendessen.
Danach fanden sich gegen 18:30 fast alle Teilnehmer zum ‚Gehen mit Achtsamkeit’ ein, um die kurze Entfernung zwischen Unterkunfts- und Veranstaltungsort gemeinsam zu Fuß zurückzulegen. Das ‚Gehen mit Achtsamkeit’ ist eine Konzentrationsübung, bei der sich die Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Vorgang des Gehens und den Weg richtet. Es wird darauf geachtet, keine kleinen Insekten oder Pflanzen zu zertreten.
Nach dem abendlichen Guru-Darshan im Terapanth Bhawan (Terapanth-Zentrum) rezitierte Saman Ashwinpragya ‚Heilige Wünsche’ aus der Jaina Tradition. Saman Ashwinpragya trug sie rhythmisch singend vor, und die Gruppe wiederholte sie. Im ersten Teil enthalten sie spirituelle Zielsetzungen wie ‚Möge ich Frieden erlangen’ oder ‚Möge ich unerschütterlich werden’. Anschließend werden die Wünsche als realisiert wahrgenommen, erlebt und ausgedrückt: ‚Geradlinigkeit ist entwickelt, Sanftheit ist entwickelt’ oder ‚Es gibt keine Schmerzen, keine Dunkelheit der Unwissenheit für mich’.
Die Abendmeditation fand unter Anleitung Yuvacharya Mahashramans statt. In der einstündigen Abschlusssitzung konnte man Fragen an Prof. Muni Mahendra Kumar stellen. Um 21:00 brachen alle zur Rückkehr in die Unterkunft auf. Zum Abschluss des Tages sollte ein Bogen ausgefüllt werden, auf dem die Kategorien ‚Leben in der Gegenwart’, ‚Handeln - nicht reagieren’, ‚Freundschaft mit allen’, ‚Nur Nötiges sprechen’ sowie ‚Nicht zuviel essen’ auf einer Skala von 10 (völlig eingehalten) bis 0 (überhaupt nicht eingehalten) angekreuzt werden konnten.
Den Vormittag des ersten Tages füllten Anmeldung, Unterbringung der Teilnehmer sowie die Einführungszeremonie in Anwesenheit Acharya Mahaprajnas aus. Während dieser Zeremonie gab der Acharya den Teilnehmern des Camps seinen Segen.
Nach dem Mittagessen und der Begrüßung hielt Dr. G.L. Jain aus Udaipur seinen Einführungsvortrag.
Eingangs wurde die Haltung des Kopfes, des Rückens, der Arme und Hände sowie der Beine beschrieben. Es kann im Liegen, Sitzen oder Stehen meditiert werden, die gewählte Haltung sollte während der Dauer der Meditation beibehalten werden. Für den Anfänger wird die Haltung im Sitzen mit gekreuzten Beinen empfohlen. Die höchste Konzentration wird im Stehen erreicht, weil die Energieströme so ungehindert fließen können.
Preksha Meditation führt zu Veränderungen auf allen Ebenen der Persönlichkeit. Die Wahrnehmung des Selbst wird als wichtige Voraussetzung zur Erreichung spiritueller Ziele angestrebt. Preksha bedeutet wörtlich ‚schauen’ und ‚wahrnehmen’. Schauen und Wahrnehmen sind ebenso wie Denken und Reflektieren Bestandteile der mentalen Prozesse. Während der Meditation fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit auf den Prozess der Wahrnehmung, während wir uns im Allgemeinen auf das Denken konzentrieren.
Wie können wir uns auf die Wahrnehmung konzentrieren und unser Selbst wahrnehmen? Der einleitende Aphorismus der Preksha Meditation ‚Sampikae Apaga Mappa Enam’ (Prakrit) – Das Selbst mit dem Selbst sehen, das Selbst mit dem Selbst erkennen, das Selbst mit dem Selbst wahrnehmen – bezieht sich auf sieben Ebenen. Dort können wir das Selbst erfahren und wahrnehmen:
• Körper
• Atem
• Lebensenergie
• Geist
• Psyche
• Emotionen
• Psychische Farben (innen) – Aura (außen)
In der Preksha Meditation wird jede dieser Ebenen auf das eigene Selbst konzentriert, das auf allen Ebenen präsent ist.
Mit der Konzentration auf die Wahrnehmung reinigen wir das Selbst von den karmischen Kontaminierungen, welche durch Zuneigung oder Abneigung entstehen. Wir bringen es in eine ausgeglichene Situation und ermöglichen ihm die Existenz in seiner reinen Form. Das Selbst kann sich aus den Verstrickungen des Karma befreien und ist in der Lage, sich selbst wahrzunehmen.
In der Preksha Meditation lernen wir auch, unsere gesamte Lebensenergie für die Realisierung unserer Lebensziele von innen heraus zu nutzen und uns von äußeren Einflüssen zu emanzipieren. Dadurch entwickeln wir eine ausgeglichene Persönlichkeit, und unsere Lebensqualität nimmt allmählich zu.
Nach dem Einführungsvortrag stellte sich jeder Teilnehmer mit einigen Worten Seiner Heiligkeit Acharya Mahaprajna vor.
Acharya Mahaprajna hatte nach dieser in Vergessenheit geratenen Meditation der Jaina in den Agamas, den Lehren Lord Mahaviras, gesucht und sie auch wiedergefunden. Vor ungefähr fünfzig Jahren übertrug der Acharya, zu dieser Zeit noch Muni Nathmal, die in vielen Schriften verstreuten Elemente des Meditationsverfahrens aus dem Prakrit in modernes Hindi und fasste sie zusammen.
Später unterstützte ihn ein Team engagierter Mönche und Nonnen. Ehe er die Resultate dieser Arbeit der Öffentlichkeit präsentierte, praktizierte er über zwei Dekaden erst einmal selbst die herausgearbeiteten Verfahren und legte seine Ergebnisse Wissenschaftlern vor. Aus dieser Zusammenarbeit erwuchs allmählich die wissenschaftliche Basis der Preksha Meditation.
Seit fast dreißig Jahren wird das Meditationsverfahren mit den neuesten Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung beleuchtet und dem mentalen Verständnis zugänglich gemacht.
In Indien kamen die Resultate dieser Arbeit bereits vielen tausend Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft zugute. Dort werden regelmäßig Meditationscamps veranstaltet, eine Übersetzung ins Englische erfolgte auf Anregung des Acharyas. Das erste internationale Preksha Meditationscamp fand 2002 in Ahmedabad, Gujarat, statt, das dritte ist im Oktober 2004 in Siriyari, Rajasthan, geplant.
Anschließend fand die erste Meditationssitzung ‚Wahrnehmung des Körpers’ mit Yuvacharya Mahashraman statt. Mit der Schilderung meiner eigenen Erfahrungen während dieser Sitzung möchte ich einen Eindruck von den spirituellen Inspirationen während des Camps vermitteln:
Mein bewegungsloser Körper hatte keine Bedeutung mehr, eine vielfarbige Wolke umhüllte mich. Ich folgte den Vibrationen der Stimme, die mich tief in mein Inneres führte. Dort konnte ich wahrnehmen, wie die Lebensenergie meinen Körper durchpulste. Als ich den Sharan-Sutra (Zufluchtsaphorismus)
Arhante Sarenam Pauerjami | Ich nehme Zuflucht zu den Allwissenden |
Siddhe Sarenam Pauerjami | Ich nehme Zuflucht zu den befreiten Seelen, die Erlösung |
Sahu Sarenam Pauerjami | Ich nehme Zuflucht zu den Heiligen |
Kevali Panatam Sarenam Pauerjami | Ich nehme Zuflucht zu den Verkündigungen der Allwissenden |
vernahm, vibrierte jede einzelne Zelle meines Körpers vor Energie. Ich hörte und fühlte das Rauschen des Blutes in meinen Adern und empfand Freude und Glück.
Nach dieser Sitzung begab sich jeder in den ‚Schlaf mit Gewahrsein’ (Yog Nidra), aus dem ich gegen 04.30h erwachte, die richtige Zeit für die morgendliche Meditation um 05.15h.