Ladnun, 02.10.2007
Der 2. Oktober ist in Indien ein Feiertag zu Ehren Mahatma Gandhis, denn er wurde an diesem Tag geboren. Weltweit wird dieser Tag inzwischen als Ahimsa Day bezeichnet. Ahimsa ist der von Mahavira, dem 24. und letzten Tirthankara unserer Zeit als wichtigste Maxime für das Leben verkündete Grundsatz. Ahimsa bedeutet Wertschätzung der Vielfalt des Lebens in allen seinen Formen, Achtung vor jedem Leben und zugleich die Anerkennung der kosmischen Ordnung.
Mahavira sagt dazu: „Jeder möchte leben, niemand möchte sein Leben verlieren. Wie ich mit einem anderen Lebewesen umgehe, so gehe ich mit meinem Selbst um. Leben und leben lassen ist unsere große Verantwortung als höchstentwickelte Lebewesen auf diesem Planeten.“
Ahimsa beginnt damit, dass wir uns unserer Gedanken bewusst werden und negative Gedanken als solche erkennen, ihnen keinen Raum in unserem Leben lassen und sie sozusagen gleich durchwinken, anstatt sie durch unsere Aufmerksamkeit wachsen und sich in unseren Worten und Handlungen manifestieren zu lassen. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, dass sich seine von Instinkten und Impulsen gesteuerten Handlungen, bzw. negativen Reaktionen bewusst machen kann und sich dafür entscheiden kann, sie nicht auszuführen, wenn er erst einmal erkannt hat, dass in genau dieser Abkehr von Instinkten, Impulsen und Reaktionen das große Potential für die Verwirklichung seines Selbst liegt.
Blick aus dem Gästehaus der Universität
Straße auf dem Campus von Jain Vishva Bharati
Park auf dem Campus von Jain Vishva Bharati
Weiblicher Pfau im Park
An diesem 2. Oktober ist wie gesagt Feiertag in Indien, was bedeutete, dass der Campus von Jain Vishva Bharati wie ausgestorben war. Auch im Park spazierten nur die Pfauen. Der Campus ist wie eine kleine autonome Stadt. Hier ist die Zentralverwaltung der philanthropischen Jain Vishva Bharati Gesellschaft (sinngemäß: Gesellschaft für die Stimme des Jainismus in der Welt), Angehörige der Universität, Studenten und viele Mitarbeiter wohnen hier, und nicht zuletzt ist auf dem Gelände auch der Campus der Universität, ein Campus im Campus sozusagen.
Ich dachte, ich sei mit nur wenigen Erwartungen nach Ladnun gekommen, doch am 2. Oktober merkte ich, dass dem nicht so war. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass es in der Universität keine dem Anlass entsprechenden Aktivitäten wie gemeinsame Meditation mit inspirierenden Worten gab. Doch später erfuhr ich, dass es bereits am 1. Oktober eine feierliche Zusammenkunft aller Universitätsangehörigen gegeben hatte, in der die Verdienste Gandhijis, wie er in Indien genannt wird, in Ansprachen von Studenten des Fachbereichs Non-Violence and Peace Education (Gewaltlosigkeit und Friedenserziehung) und des Fachbereichsleiters Prof. Dugar gewürdigt worden waren.
Wohnsitz der Rektorin der Universität, Dr. Samani Mangal Pragya
Doch war ich nicht tatenlos an diesem Tag. Dr. Anil Dhar, der Koordinator für den Sprachkurs, zeigte mir den Raum, in dem der Kurs stattfinden würde, die ausgedruckten Materialien, die ich per Email geschickt hatte, und begleitete mich zu meinem Antrittsbesuch bei Samani Mangal Pragya, der Rektorin der Universität. Sie empfing mich in ihrem neuen Wohnsitz, den sie mit drei Samanis teilt. Samani Mangal Pragya ist die Leiterin der Gruppe, die aus den Samanis Chaitya, Ritu, and Ramaniya Pragya besteht. Da Samanis niemals allein irgendwo hingehen, begleitet jeweils eine aus der Gruppe die Rektorin der Universität zu ihren zahlreichen in- und auswärtigen Terminen. Damit die Samanis gleichzeitig ihren Studien nachgehen können, wechseln sie sich ab. Gewöhnlich bestehen die Gruppen aus zwei Samanis, die ältere ist immer auch die Leiterin der Gruppe, das heißt, für die erfolgreiche Gestaltung der Aktivitäten dieser Gruppe verantwortlich.
Der Antrittsbesuch war locker, Samani Mangal Pragya und ich kennen uns seit vielen Jahren. Sie erzählte mir, dass der Kurs am nächsten Tag mit einer feierlichen Einführung beginnen würde.
Für den Rest des Tages hatte ich nichts weiter zu tun, als Dr. Dhars Fragen hinsichtlich meines Werdeganges zu beantworten, damit er mich in seiner Rede vorstellen könnte.
Dr. Anil Dhar, Vice-Chancellor Dr. Samani Mangal Pragya, Carla Geerdes (Karuna Jain)
Samanis & Mumukshus (Novizinnen)
Universitätsmitglieder & Studenten
Studentinnen & Mumukshus
Die Einführung am 3. Oktober fand um die Mittagszeit in einem Versammlungsraum der Universität statt. Anwesend waren die Rektorin, Samani Mangal Pragya, der Koordinator Dr. Dhar und erstaunlich viele Zuhörer. Das auf dem Podium sichtbare rote Stoffplakat mit der Aufschrift „German Language Certificate Course“ (Sprachkurs deutsch mit Zertifikat) hängt seitdem im Unterrichtsraum.
Die Rektorin der Universität, Dr. Samani Mangal Pragya
Nachdem Dr. Dhar mich den Zuhörern vorgestellt hatte, (Lehrerin mit den Fächern Französisch und Didaktik, sowie Editor und Mitarbeiterin von HereNow4U) sprach Samani Mangal Pragya davon, wie der Sprachkurs zustande gekommen war. Bei unserem letzten Besuch in Ladnun im November 2006 hatte sie mich gefragt, ob ich für die Universität einen Deutschkurs entwickeln könnte, der auf die Belange der Jain-Universität abgestimmt ist, was ich bejahte und zu tun versprach. Als sie dann im Frühjahr per Email anfragte, wann ich den Kurs halten könnte, schickte ich ihr Links zum Goethe-Institut in Neu-Delhi, das für seine Sprachkurse mit europäischen Standardzertifikaten bekannt ist und auf der Webseite allen indischen Institutionen Unterstützung anbietet, die deutsche Sprachkurse einrichten wollen. Samani Mangal Pragya wollte aber, dass ich einen Kurs wie versprochen entwickele, erzählte sie den Zuhörern lachend.
In der Universitätsbibliothek gibt es nämlich nicht nur einige philosophische Standardwerke in deutscher Sprache, sondern auch Abschriften der Übersetzungen Hermann Jacobis aus dem Prakrit ins Deutsche, mit denen er nachwies, dass der Jainismus eine Philosophie und Religion mit eigener Tradition sei und weder ein Zweig des Hinduismus, noch des Buddhismus.
Carla Geerdes (Karuna)
In meiner Ansprache bedankte ich mich für die Einladung, für das immense Interesse an dem Sprachkurs und sagte, das Erlernen einer Sprache sei eine Brücke, die in eine neue geistige Welt führt.
Samani Pratibha Pragya
Samani Pratibha Pragya, die mich 2004 & 2005, uns beide, Editor Cris Geerdes (Aparigraha Jain) und mich, 2006 an Paryushan nach London eingeladen hatte, drückte ihre Freude darüber aus, dass die Studenten deutsch aus Mund des Gaules selbst (englische Redensart: from the horse´s mouth) lernen würden.
Dr. Samani Chaitanya Pragya, Fachbereichsleiterin für Sozialarbeit, und ich
Nach der Feier freute ich mich noch über ein Wiedersehen mit der Leiterin des Fachbereichs Sozialarbeit, Dr. Samani Chaitanya Pragya, die auch an dem Kurs teilnehmen wollte.