Anlässlich der historischen Zusammenkunft verschiedener Digambara Sanghs am Vortag in Model Town hatte Christian Geerdes die Bekanntschaft von Shamlal Jain gemacht, Mitglied des Trilok Teerth Organisationskomitees. Trilok Teerth ist der Name eines ca. 40 km von Delhi entfernten, im Bau befindlichen Digambara Jain Tempels nahe Badagaon, Uttar Pradesh (UP). Trilok oder Triloka bezeichnet im Jainismus 3 Welten oder Sphären (loka), in denen sich gemäß der Jain Kosmologie die entsprechend ihrem Karma verkörperten Seelen aufhalten. Die obere Sphäre oder himmlische Welt ist den Göttern oder himmlischen Wesen vorbehalten, die mittlere Sphäre den Menschen, Tieren und Pflanzen, die untere Sphäre oder höllische Welt den höllischen Wesen.
Trilok Tirth am 22.09.2014. Im Vordergrund ein Schrein mit der Abbildung Acharya Sanmati Sagars, dessen Visionen zu diesem Bauwerk inspirierten
Acharya Sanmati Sagar hielt es für sehr wichtig, den Menschen des 21. Jahrhunderts diese Erkenntnisse in Form eines Tempels anhand der traditionellen Jain Ikonographie nahe zu bringen. Leider wird er selbst bei der Einweihung des Tempels im Februar 2015 nicht anwesend sein können, im Februar 2013 ging sein irdisches Leben zu Ende. Seine Visionen und Träume zeigten nicht nur den Ort, an dem der Tempel gebaut werden sollte, sondern führten auch zur Gestaltung seiner Form des Jain Universums. Über der Erde erreicht er eine Höhe von knapp 100 m, ca. 30 m Tiefe unter der Erde. Das entspricht ca. 7 unterirdischen Geschossen und 17 Höhenstockwerken. Das Bauwerk wird gekrönt von der Statue des 1. Tirthankara Rishabhanatha, der sich wie alle befreiten Seelen an der Spitze des Jain Universums aufhält und im Trilok Teerth das Siddhashila zeigt. Das Bauwerk kann und soll als dreidimensionales Lehrbuch aus Stein verstanden werden, mit dessen Hilfe die Auswirkungen guten, bzw. schlechten Karmas auf das Leben der Betroffenen genau aufgezeigt und studiert werden können.
Shamlal Jain, Mitglied des Trilok Verwaltungskomitees
Shamlal Jain hatte Christian Geerdes darauf angesprochen, ob wir an einem Besuch des Trilok Teerth ca. 40km von Delhi entfernt interessiert seien. Wir hatten von dem Bau dieses Digambara Tempels schon viel gehört und gehofft, ihm einen Besuch abstatten zu können, aber noch keine konkreten Pläne. Da traf es sich gut, dass Shamlal Jain uns anbot, am nächsten Tag gemeinsam dorthin zu fahren und uns alles zu zeigen. Wir zögerten nicht mit unserer Zusage und freuten uns sehr. So saßen wir also an diesem Montagmittag schließlich zusammen im Auto und durchquerten erst einmal Delhi.
Unser Ziel war der Syadwad Bhawan, Kunti Marg, im Osten Delhis
Hier begegneten wir Gajraj Gangwal Jain, Präsident des Trilok Teerth Verwaltungskomitees, und den Trustees (Treuhänder) des Bauprojekts
Nicht nur das, wir konnten uns vor der Fahrt zum Trilok Teerth dort auch mit einem schmackhaften Mittagessen stärken
Nach dem Essen fuhren wir weiter. Die Landschaft wurde immer grüner, die Stadt lag hinter uns, die ausgebauten Straßen aber auch. Wir fuhren durch eine immer ländlicher wirkende Landschaft, vorbei an Dörfern und Ansammlungen von Häusern. Zum Glück sind die Autos des 21. Jahrhunderts gut gefedert. An immer mehr Feldern fuhren wir vorbei, bis wir an einer Wegbiegung in eine sehr schmale Landstraße einbogen. Man konnte kaum etwas von der Landschaft sehen, bis zu den Rändern der Straße wuchsen übermannshohe Feldpflanzen, vermutlich Mais. Bei der nächsten unübersichtlichen Kurve bogen wir in eine Zufahrt ein und hielten kurz darauf auf der Wiese eines abgezäunten Geländes.
Schrein des Initiators Acharya Sanmati Sagar
Trilok Teerth am 22.09.2014
Das erste, was wir nach dem Aussteigen auf dem Gelände sahen, war der Schrein Acharya Sanmati Sagars. Dahinter erhob sich majestätisch der Tempel. Während wir unsere Blicke umherschweifen ließen, fragten wir uns unwillkürlich, ob der Tempel wirklich im Februar eröffnet werden kann. Doch angesichts der Erfahrungen mit dem Adhyatma Sadhana Kendra waren wir 5 Monate vor dem anvisierten Termin ziemlich zuversichtlich. Doch wie man sieht, liegt noch jede Menge Arbeit vor allen Beteiligten.
Aryika Drasti Bhushan Mataji begrüßte uns sofort nach der Ankunft und begleitete uns außer bei den Mahlzeiten während des gesamten Besuchs auf dem Gelände
Wir näherten uns dem Bauwerk auf dem künftigen Hauptweg
Imposant ragte es vor uns auf
Auf dem überdachten Gelände neben dem Tempel arbeiteten die Steinmetze, jeder ein Experte...
...im traditionellen Kunsthandwerk
Die Bauarbeiter wissen alle noch, wie ein Tempel traditionell ausgestattet wird und beherrschen ihr Handwerk
Alles an und in diesem Tempel ist nach alter Tradition von Menschenhand gefertigt. Die Form allerdings ist bisher einmalig. Im Großen und Ganzen war der Rohbau fertig. Innenausbau und Dekorationen waren nun Aufgabe der Kunsthandwerker. Indische Bauarbeiter sind nahezu Artisten, bewundernswert gelenkig, wie man auf dem Video sehen kann, das auch einen Eindruck von der Atmosphäre vermittelt. Für uns war die Einladung zum Trilok Teerth eine einmalige Gelegenheit, einen Tag lang das Entstehen eines bereits jetzt von den Beteiligten als Weltwunder bezeichneten Bauwerks mitzuerleben.
Ein besonderer Höhepunkt war die Fahrt hinauf zum Siddhashila
Ganz oben, Siddhashila, zu Füßen des 1. Tirthankara Rishabnath (v.l.) : Der Bauprojektleiterleiter, der verantwortliche Bauleiter Trilok Jain, Shamlal Jain, Christian Geerdes, Dhamendra Jain, Aryika Drasti Bhushan Mataji, Naveen Jain
Die sitzende Statue ist knapp 10m hoch
Blick vom Siddhashila auf Trilok Dharmshala und über die Landschaft
Christian Geerdes stieg mit dem Bauleiter Trilok Jain und den beiden Brüdern Dhamendra und Shamlal Jain in den klappernden und klapprigen Aufzug nach oben. Während dieser ruckelnd anfuhr, sah ich alle langsam den Schacht emporgleiten. Ich hatte es vorgezogen, unten zu bleiben. Nicht aber Aryika Drasti Bhushan Mataji. Federleicht hüpfte sie, gefolgt von Naveen Jain, ihrem Studenten und selbst ein spiritueller Aspirant, die 16 Stockwerke hinauf. Wie Christian Geerdes berichtete, waren sie bereits oben, als er dort ankam. Beide waren losgelaufen, kurz bevor der Aufzug sich in Bewegung setzte. Der war zwar langsam, aber dennoch!
Samavasarana vom Siddhashila gesehen
Samavasarana vom Boden aus gesehen
Hier werden die Arihant Statuen gefertigt
Naveen Jain, Dhamendra Jain, Shamlal Jain, Christian Geerdes, Aryika Drasti Bhushan Mataji, Trilok Jain
Mindestens 170 kleinere Arihant Statuen werden in sogenannten Chatalyas, kleineren Vitrinen, in den oberen Stockwerken aufgestellt werden. In den Stockwerken darüber sollen dann 20 größere Arihant Statuen ihren Platz finden. Sie alle werden in einem Nebengebäude des Tempels gefertigt. Bei dem Gewicht der Statuen ist es verständlich, dass die Transportwege kurz gehalten werden.
Auch vom Dharmshala aus gesehen ist das Bauwerk sehr eindrucksvoll
Auf dem Weg zum Abendessen trafen wir diese beiden gelehrten Nonnen, Dr. Ranjana Jain (l) mit dem Fachgebiet Jain Philosophie, Dr. Rekha Jain hat sich auf Jain Literatur spezialisiert
Nach dem Essen wurden wir zu einem nahegelegenen Gebäude geführt, in dem uns eine Überraschung erwartete. Dort waren Acharya Gyan Sagar mit seinem Stellvertreter Elacharya Trilok Bhushan und den Mönchen ihrer Gruppe versammelt! Auch einige Nonnen waren anwesend. Sie alle lasen in Büchern oder meditierten. Man stellte uns dem Acharya vor, der uns sehr freundlich begrüßte. Jemand übersetzte unser kurzes, aber sehr herzliches Gespräch. Eine ganz besondere Begegnung, die wir nicht erwartet hatten.
Acharya Gyan Sagar
Die Nonnen waren sehr freundlich,…
…ebenso die Mönche, Elacharya Trilok Bhushan ganz rechts
In diesem Raum herrschte eine ganz besondere Atmosphäre. Obwohl es sehr laut war, strahlte Acharya Gyan Sagar spirituelle Ruhe und geistige Präsenz aus, was ich als sehr angenehm empfand. Dazu noch eine geradezu überwältigende Freundlichkeit. Es war unsere zweite Begegnung mit einem Digambara Acharya, und noch dazu mit so einem berühmten. Acharya Gyan Sagar ist Gründer der Gyan Sagar Wissenschaftsstiftung und setzt sich für die wissenschaftliche Aufarbeitung und Verbreitung der Jain Grundsätze in der Welt ein. Er empfindet es als besonders wichtig, diese Grundlagen in der Welt der Wissenschaft bekannt zu machen, denn wie viele ist er der Auffassung, dass die Erkenntnisse der Jain Gelehrten zwar mit den zeitgenössischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen übereinstimmen, aber weitgehend unbekannt sind. Seine Stiftung fördert alle Bemühungen, das zu ändern.
Im Anschluss daran lud uns Aryika Drasti Bhushan Mataji zu einem Besuch in ihrem Zimmer ein, bewirtete uns mit Früchten…
…und schenkte uns diese wundervolle Parshvanath Statue
Die Statue hat einen gebührenden Platz bei uns und erinnert uns immer an diesen unvergesslichen Besuch. Aryika Drasti Bhushan Mataji erzählte uns noch, dass sie täglich eine Mahlzeit morgens um 10:00h zu sich nimmt. Unwillkürlich musste ich daran denken, wie sie zusammen mit ihrem sehr sportlich wirkenden Studenten Naveen die Treppen des Tempels hochgeeilt war und klaglos alle wackeligen Leitern und Stege ohne helfende Hände bewältigt hatte, wie Christian Geerdes berichtete.
Für uns war es Zeit geworden für den Heimweg. Unsere Begleiter wurden an Metrostationen in ihrer Nähe abgesetzt, uns fuhr der Fahrer noch zu unserem Hotel am anderen Ende der Stadt. Nach 4 Stunden Fahrt freuten wir uns wirklich auf die bevorstehende Nachtruhe.