An diesem Morgen hieß es, Abschied zu nehmen von Shravanabelagola. Unsere Freunde aus Bangalore waren schon am Vorabend dorthin zurückgefahren. Es war vorgesehen, dass unsere kleine Rundreise im Karnataka Jain Bhavan Bangalore enden sollte und wir vor unserer Weiterreise nach Kerala unsere Geschenke von dort mitnehmen würden. Gleich nach dem Frühstück sollte ein Wagen uns abholen.
Küchenmeister Shantiraj (m), NIPSAR Dozenten Parshvanath (l) und Murali (r)
Küchenmeister Shantiraj (König des Friedens, wie er seinen Namen lächelnd übersetzte) hatte in Shravanabelagola für alle Mahlzeiten gesorgt. Das leibliche Wohl der Gäste gehört mit zu seinen Aufgaben, die seit mehr als 20 Jahren aus dem Einkauf von Lebensmitteln, Planung der Mahlzeiten und Aufsicht über ihre Zubereitung bestehen. Er habe, so sagte er, einen der schönsten Arbeitsplätze der Welt. Immer schönes Wetter, gute Grundstoffe, keine Korruption und einen der wirklich Weisen auf diesem Planeten als Chef. Seine Kinder, Sohn und Tochter, studieren beide in Bangalore. Mit seiner Familie wohnt er nicht weit von seiner Arbeitsstätte in einem schönen Haus, dessen Dach er uns sogar zeigte. Seine stets freundliche, offene Art hatte mit dazu beigetragen, dass wir uns in Shravanabelagola sehr wohl gefühlt haben.
Ein letzter Blick auf den Vindhyagiri Hügel, eines der Dächer gehört zu Meister Shantirajs Haus
NIPSAR Dozent Parshvanath war im Auftrag unserer Gastgeber gekommen, um sich im Namen aller noch einmal von uns zu verabschieden und eine gute Weiterreise zu wünschen. Er machte sich gleich nach unserer Abfahrt zu Fuß auf den Rückweg zum NIPSAR. Das Angebot, ihn mit dem Auto dorthin zu fahren, lehnte er lächelnd, aber bestimmt ab. Sein Kollege Murali begleitete uns die ganze Fahrt über und fuhr abends mit dem Fahrer wieder zurück nach Shravanabelagola.
Typisches Gehöft in Karnataka
Blick von der Straße auf den Eingangsturm (Gopura) des Chennakesava Tempels in Belur
Nach knapp zweistündiger Fahrt hatten wir das 88 km entfernte Belur erreicht. Der Chennakesava Tempel in Belur ist eines der 7 Wunder Indiens. Das 20 000 Einwohner zählende Städtchen ist neben Halebidu eine der Haupttouristenattraktionen in Karnataka. Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert u.Z. gehörte es zum Hoysala-Reich, dem Machtbereich der Herrscherdynastie Hoysala in Süd-Karnataka, unter der es Dichtkunst und Tempelarchitektur mit charakteristischen filigranen Reliefs zu kultureller Blüte brachten. Der Übertritt der Herrscherdynastie vom Jainismus zum Hinduismus soll einigen Quellen zufolge der Grund für die Errichtung einiger der eindrucksvollsten Hindu Tempel Südindiens sein. Der Chennakesava Tempel wurde 1117 in Auftrag gegeben, nach 103 Jahren Bauzeit fertiggestellt und ist Vishnu gewidmet in seiner Gestalt als Chennakesava (der mit den schönen Locken). Noch heute finden dort religiöse Zeremonien statt, so auch während unseres Besuches.
Blick auf den Tempel und den weitläufigen Platz davor mit Dhwaja Stamba (Säule)
Blick auf den Komplex links vom Tempel
Blick auf den Eingangsturm (Gopura) vom Tempel aus
Eingang des Tempels
Hoysala Emblem vor dem Tempeleingang
Blick ins Innere des Tempels
Kunstvoll gedrechselte Säulen
Türwächter vor dem Sanktum
Religiöse Zeremonie im Schrein des Vishnu
Außenfront des Tempels mit typischen filigranen Reliefs
Noch lange hätte man sich in Belur in die Einzelheiten der Hoysala Tempelarchitektur vertiefen wollen, doch die uns dort zur Verfügung stehende Zeit war begrenzt. Zudem waren alle hungrig, und wir sahen im Mittagessen eine willkommene Pause. Der Fahrer kannte sich gut auf der Strecke aus und empfahl ein Restaurant etwas abseits von den Hauptverkehrsströmen, was die etwas längere Anfahrt wirklich wert war. Gestärkt und aufnahmebereit fuhren wir die nicht mal 20km nach Halebidu, wo uns ein Shiva geweihtes weiteres berühmtes Werk der Hoysala Tempelarchitektur erwartete. Halebidu (in etwa: alte Wohnstätte) war im 12. Jahrhundert unter dem Namen Dorasamuda Hauptstadt des Hoysala Reiches. Der Hoysaleshwara Tempel wurde 1121 u.Z. nach seinem Stifter Vishnuvardhana Hoysala und seiner Königin Shantala benannt und ist berühmt für seine variantenreichen und kunstvollen bildhauerischen Details aus der Hindu Mythologie. Es heißt, dass jede der Skulpturen hier ein Unikat ist. Das zu überprüfen hatten wir leider keine Gelegenheit.
Eingang des Tempelkomplexes
Detailreiche Deckengestaltung
Blick aus dem Tempelinneren auf den Nandi (Stier) Shivas
Nandi
Gedrechselte Säulen mit Skulpturen als Abschluss
Wächterskulpturen vor dem Sanktum
Aussenansicht
Filigranes Relief an der Außenfront
Einmal jährlich wird die Fassade des Tempels vorsichtig gereinigt
Der Tempelkomplex ist von einem weiträumigen Park umgeben, der von den Besuchern gern genutzt wird
Halebidu ist ein beliebtes Ausflugsziel
So traten wir am Nachmittag die Fahrt von Halebidu in das ca. 170 km entfernte Mysore an. Dort hatte Prof. Hampa für uns eine Unterkunft im Gästehaus der Universität reserviert. Gegen 18:00h kamen wir dort an und bekamen durch die sprachliche Unterstützung unserer Freunde von dem freundlichen Pförtner auf unsere Bitte hin tatsächlich ein appartementähnliches 4-Bettzimmer mit Etagenbetten und Bad im ersten Stock für IR 700 zugewiesen. Mr. Murali und der Fahrer überzeugten sich davon, dass alles seine Richtigkeit hatte und machten sich nach vielen Segenswünschen und einem herzlichen Abschied eilends auf den Rückweg nach Shravanabelagola. Wir waren inzwischen hungrig und fragten den Pförtner in Zeichensprache (eine Hand auf dem Magen, die andere immer wieder zum Mund führend), wo wir etwas essen könnten. Zu unserem Erstaunen deutete er auf einen Gang unweit des Pförtnerbüros und zeigte mit der Hand, ihm zu folgen. Tatsächlich kamen wir an eine Küche, in der eine freundliche Dame Gemüse putzte, die uns 8 Finger zeigte und dazu lächelnd „Dinner!“ sagte. Wir merkten uns den Weg und kamen zur angegebenen Zeit zurück. An dem großen viereckigen Esstisch hatten inzwischen mehrere Essensgäste Platz genommen. Neben uns saß ein freundlicher Herr, der sich als Blogger Prof. Narayana Prasad vorstellte, der an einem Sanskritauffrischungskurs der Universität für Lehrer teilnahm. Da wir ziemlich erschöpft waren, wollten wir erst einmal schlafen und verabredeten uns mit ihm zu einem ausführlicheren Gespräch am nächsten Morgen.