Tour map
27. / 28.10.2007
Shri Sushil Bafana und Shrimati Supyar Bafana
An meinem letzten Wochenende kamen Shri Sushil Kumar Bafana und Shrimati Supyar Bafana nach Ladnun und holten mich zu einem lange vor meiner Abreise vereinbarten Wochenendtrip ab. Sie wohnen in Kolkata und besuchen einmal jährlich ihren Heimatort Sri Dungargarh und ihre Angehörigen dort. Sri Dungargarh ist eine auf (Wüsten-) Sand gebaute Kleinstand und nur etwa 70 km, aber 2,5 Autostunden (die Straßenverhältnisse!) von Ladnun entfernt. Ich freute mich auf die Abwechslung.
Nach dem Deutschkurs sollte es losgehen, was günstig war, denn samstags fand der Kurs nur vormittags statt. Ab 11:00h war ich fertig, doch da Shri Sushil Kumar Bafana auf dem Campus noch Verwaltungsangelegenheiten zu erledigen hatte, wurde es halb eins, bis es dann losging. Mir war der geplante Ablauf nur noch soweit in Erinnerung, dass wir einige berühmte Mönche und Nonnen in der näheren und weiteren Umgebung und am nächsten Tag in dem 170 km entfernten Gangashahar den ‚Acharya Tulsi Samadhi Stal’, eine zu Ehren Acharya Tulsis errichtete Gedenkstätte, besuchen wollten. Acharya Tulsi hatte 1997 in Gangashahar seinen letzten Atemzug getan. 2001 waren Christian und ich schon einmal dort zu Maryada Mahotsav, einem wichtigen religiösen Fest der Terapanthi.
Muni Rajkaran, der Rechenkünstler
Das von Muni Rajkaran innerhalb von 10 Minuten in Sujangarh erstellte Rechenquadrat
In der Mittagshitze (ca. 34°C!) fuhren wir ungefähr 15km bis Sujangarh und machten dort unseren ersten Besuch. Er galt dem im dortigen Seva Kendra (Altersheim) lebenden Mönch Muni Rajkaranji. Muni Rajkaranji war zum Zeitpunkt unseres Besuches 81 Jahre alt. Sein älterer Bruder, Muni Poornananda, und ein junger, englischsprechender Mönch namens Muni Piyush Kumar betreuten ihn, denn er kann das beschwerliche Leben eines Wandermönches nicht mehr führen. Muni Rajkaran wurde mit 15 Jahren Mönch, sein 89-jähriger Bruder mit 60 Jahren. Muni Rajkaran gilt als Rechenkünstler und stellte seine Fähigkeiten unter Beweis, indem er innerhalb von 10 Minuten das abgebildete Quadrat mit Zahlen füllte, die in ihrer vertikalen, horizontalen und diagonalen Summe die von mir vorab genannte Zahl 73 ergaben.
Muni Sukh Lal in Chhapar
Muni Sukh Lal und Muni Mohjeet Kumar mit von letzterem handgefertigten und –bemalten Essgefäßen
Nach einer Teepause ging es weiter nach Chhapar, wo wir in dem dortigen Seva Kendra Muni Sukh Lal Kumarji besuchten, den ich schon 2003 in Surat kennengelernt hatte. Muni Sukh Lal betreut dort mit seiner Gruppe bis Frühjahr 2008 die pflegebedürftigen Mönche, organisiert für Studenten Trainingscamps in Gewaltlosigkeit und hält jeden Morgen einen spirituellen Vortrag, zu dem alle kommen, die ihren Tag gern mit den Realitäten des Lebens beginnen, egal, welcher Religion sie angehören. Bereits in Surat hatte er ein Meditations- und Yogaprogramm für die dem Präkariat angehörenden Bewohner einer Siedlung in der Nachbarschaft des Terapanth Bhawans entwickelt und damit vielen Menschen ein Leuchten in die Augen gezaubert, das ich nie vergessen werde. Muni Mohjeet Kumar in seiner Gruppe zeigte uns die von ihm gefertigten und bemalten Essgefäße.
Sadhvi Kailashvatipi schenkt Karuna Flyer, daneben Sadhvi Lalitashreepi, Sadhvi Pankatshree
Sadhvi Kundareki, Sadhvi Suraj Kumar in Bidasar
Shri Nirmal Requani überreicht Karuna ein Buchgeschenk
Allmählich bekam ich wirklich Hunger, doch Tee und Kekse waren der „light lunch“ des Tages. Zudem stand der Besuch des Seva Kendras für Nonnen in Charwas an. Danach der des Seva Kendras in Bidasar. Dort betreuen 6 Nonnen unter der Leitung von Sadhvi Kundareka 17 gebrechliche Nonnen. Außerdem gab es in Bidasar noch ein sogenanntes „Samadhi Kendra“, in dem ehemalige Leiterinnen von Nonnengruppen ihren Lebensabend verbringen. Zum Abschied schenkte mir der Vorsitzende des Organisationskomitees mehrere Bücher über Philosophie und Lehre Mahaviras in Hindi.
Mittlerweile war es später Nachmittag, und wir machten uns auf den Weg nach Sri Dungargarh. Nach unserer Ankunft am frühen Abend besuchten wir Elternhaus und Familienangehörige von Supyar Bafana, erneute Teepause, schließlich Aufbruch. Ich lernte meine Gastgeber kennen, bekam dort ein gutes Abendessen und fiel in das erfreulich bequeme Bett, wo ich bis zum nächsten Morgen so gut wie schon lange nicht mehr durchschlief.
Shri Bothra in Sri Dungargarh auf der Galerie
Sonntagmorgen in Sri Dungargarh
Um 07:00 weckte mich der Hausherr mit Tee, und teeschlürfend schaute ich mir von der Galerie aus das sonntag-morgendliche Treiben der Wüstenstadt an. Ich beobachtete drei zielstrebig umhereilende Tiere, ein riesiges weißes (!) Schwein und zwei Esel mit niedlichen Gesichtern, die allerdings immer gerade dann verschwanden, wenn ich sie fotografieren wollte. Sie kannten ihre Runde genau, wo sie anhielten, öffnete sich kurz darauf eine Tür oder ein Fenster, aus dem dann ihr Frühstück auf die Strasse fiel.
Shri & Shrimati Bothra, meine Gastgeber in Sri Dungargarh
Zudem bekam ich die Gelegenheit, meine Gastgeber, Shrimati und Shri Bothra, ein wenig kennenzulernen. Shrimati Bothra war bis vor kurzem Präsidentin der lokalen Terapanth Frauenorganisation. Ich konnte mir sofort gut vorstellen, wie sie sich fürsorglich und energisch um eine Lösung aller anstehenden Probleme kümmert. Shri Bothra meinte bescheiden, er sei Berater der Frauenorganisation, wozu seine Frau fein lächelte. Berater heißt in diesem Fall einfach Geldgeber. Beide verkörpern den traditionellen ländlichen Geldadel, der die sozialen Aktivitäten seiner religiösen Gemeinschaft großzügig unterstützt und sein Haus selbstverständlich auswärtigen Gästen in tiefer Gastfreundschaft öffnet.
Lagerraum im Erdgeschoss
Blick auf den Garten im Innenhof
Sie bewohnen zusammen mit Mrs. Bothra sen. ein zweistöckiges Haus mit geheimnisvoll vielen Türen, die sie bei einem Rundgang alle für mich öffneten: Im Parterre Kuh und Kalb, Lager für Feuerholz, Bauerngarten (der gesamte Eigenbedarf an Lebensmitteln wird hier erzeugt) mit Rosen. Im ersten Stock Schlafzimmer der Bewohner, 2 Gästezimmer, Aufenthaltsraum, sanitäre Anlagen (äußerst gepflegt), Wohnküche, diverse Lagerräume und auf dem Küchenbalkon über dem Garten die Unterkunft und Essplatz des 'Mannes für Alles', der seit 25 Jahren bei der Familie arbeitet und zu einem Teil von ihr geworden ist. Im zweiten Stock die Räume für die Familien der Söhne, die jedoch nicht genutzt werden, da sie in Surat wohnen und arbeiten. Und dazu ein herrlicher Blick über die Dächer von Sri Dungargarh.
Shrimati Bothra bereitet das Frühstück
Sadhvi Madhursmita in Sri Dungargarh
Sadhvi Madhursmita mit den Nonnen ihrer Gruppe
Eine junge Schülerin bedankt sich für Karunas Besuch auf englisch
Örtliche Würdenträger überreichen Karuna ein Buchgeschenk
Nach dem Frühstück brachen wir zum Terapanth Bhawan auf, wo unter dem Vorsitz Sadhvi Madhusmitas und in Anwesenheit der Sadhvis ihrer Gruppe der sonntägliche Vortrag von 09:15 bis 11:00 mit einer Willkommensveranstaltung mir zu Ehren kombiniert wurde. Alle Reden waren in englisch. Das fiel mir auf, weil es nicht selbstverständlich ist. Man überreichte mir einen Schal und ein Buchgeschenk, und ich hielt eine kleine Dankesrede.
Shri Nirmal Kumar Nolakha in seinem Haus in Gangashahar
Dem folgten mehrere „nur ganz kurze“ Besuche - bis wir wir nach Gangashahar fuhren, wo wir bei Shri Nirmal Kumar Nolakha zum Lunch eingeladen waren. Shri Nirmal Kumar Nolakha ist Mentor der sogenannten Gyanshala Trainer, das sind ehrenamtliche Terapanth Religionslehrer, die Terapanth Kindern und Jugendlichen in ganz Indien nach einem von Shri Nolakha buchstäblich minutiös entwickelten Curriculum die Grundlagen ihrer Religion vermitteln. Der Sonntag unseres Besuches in Gangashahar war einer der 21 Tage des Jahres 2007, den er bis zu seiner Abreise am Abend in Gangashahar verbrachte. Sonst ist er unentwegt ehrenamtlich und meistens auf eigene Kosten unterwegs, um die freiwilligen Helfer in der Ausführung seines Curriculums anzuleiten.
Acharya Tulsi Samadhi Stal in Gangashahar
Uns blieb noch Zeit für einen kurzen Besuch des Tulsi Samadhi Stals, nicht ohne mit dem Leiter der Wachhabenden in seinem Büro Tee getrunken und mehrmals das Video aus dem Jahre 1995 von der Amtsübergabe eines lebenden Acharyas an seinen Nachfolger angesehen zu haben.
Zurück in Sri Dungargarh gab es Abendessen, und nach weiteren knapp 3 Stunden konnte ich dann in Ladnun ins Bett sinken. Der Fahrer und Shri Bafana mussten darauf noch zwei Stunden warten, denn sie fuhren dieselbe Strecke wieder zurück.