Karma: Der Mechanismus: Tattvarthasutra 6.08

Autor*in:  Image of Hermann KuhnHermann Kuhn
Veröffentlicht: 08.03.2014
Aktualisiert: 22.03.2014

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Adyam samrambha samarambha rambha yoga krita karita numata kasaya vishesais tristristrish chatush chaikashah (8)

Eine Handlung, die ihren Ursprung im Bewußtsein hat, wird in ihrer karmischen Wirkung dadurch beeinflußt, daß der Handelnde entweder

  • nur den Entschluß faßt, die Handlung zu begehen (Planung),
  • konkrete Vorbereitungen für das Ausführen der Hand­lung trifft (z.B. das Sammeln von Material für diese Handlung), oder
  • mit der Handlung selbst beginnt.

Diese drei Handlungsmuster werden weiterhin dadurch modifiziert, daß die besagte Handlung entweder

  • von dem jiva selbst ausgeführt wird,
  • aufgrund seiner Veranlassung (von anderen) ausge­führt wird oder
  • ob der jiva der Handlung nur innerlich zustimmt (oh­ne weiter an deren Ausführung beteiligt zu sein).

Der Aktivitätstyp (yoga - Körper, Sprachorgane und/oder Geist), über den eine Handlung ausgeführt wird, verändert ebenfalls die karmischen Auswirkungen.
Eine weitere Modifizierung ergibt sich, wenn die vier Leidenschaften (Ärger, Stolz, Falschheit und Gier) an der Gestaltung einer Handlung Anteil haben. (8)


Der Sutra-Text macht deutlich, daß nicht nur das reine Ausführen einer Handlung das Einfließen und Binden von Karma verursachen kann, sondern auch das Veranlassen, die indirekte Beteiligung, die Vorstufen einer Handlung, sowie die stille Zustimmung.

Je tiefer und unmittelbarer ein jiva in eine Handlung ver­strickt ist, desto intensiver ist der Charakter des aufgenomme­nen Karmas und desto länger dauert es an. Je weniger ein jiva in eine Handlung verstrickt ist, desto milder und kurzfristige ist der Charakter des aufgenommenen Karmas.

Das bedeutet jedoch nicht, daß das aufgenommene Karma bei seiner Manifestation umso weniger intensiv ist, je weiter ein Person von der eigentlichen Ausführung einer Handlung entfernt ist. So kann z.B. das aus Leidenschaft geborene Verursachen (Befehlen, Anstiften, Zulassen, etc.) einer Handlung z einer weit intensiveren karmischen Bindung führen, als deren relativ unbeteiligte Ausführung durch einen Befehlsempfänger. Entscheidend ist dabei immer die Intensität des eigenen Engagements, egal ob der jiva an der Handlung direkt, indirekt oder nur still zustimmend beteiligt ist.

Der Aktivitätstyp (yoga), über den eine Handlung ausgeführt wird (d.h. ob der Körper, die Sprachorgane oder der Geist an einer Handlung beteiligt sind), bestimmt den Lebensbereich den die neu aufgenommene karmische Materie beeinflußt. So führt beispielsweise eine Tendenz zur Streitbarkeit, der unghindert Lauf gelassen wird, zur Bindung eines Karmatyps[14], der die Physiognomie des derart Handelnden seiner inneren Haltung anpaßt. Körperliche Veränderungen dieser Art zeigen sich bei vielen Personen mit streitbarer Haltung bereits im Laufe ihres jetzigen Lebens. Ein positives Gegenbeispiel sind Personen, deren innere Ausgeglichenheit sich auf andere über­trägt und deren reine Anwesenheit oft schon zur Schlichtung von Streit ausreicht. Auch hier zeigt sich die grundlegend fried­volle Einstellung oftmals im Gesicht und in der Körperhal­tung.[15]

Das Wort cha (und) im Text des Sutra zeigt an, daß nicht nur die vier Leidenschaften, sondern auch die Intensität, mit der sie sich manifestieren, die karmischen Auswirkungen einer Hand­lung beeinflussen. Die Jains definieren vier Intensitätsgrade:

  1. Die intensivste Manifestation der Leidenschaften verursacht fortgesetzte Wiederholungen des Zyklus von Geburt und Wiedergeburt, ohne daß die erste Entwicklungsstufe (gunasthana) des jiva - der Zustand der Täuschung, des Irrtums und des Mißverstehens der Weltmechanismen - je verlassen wird. Wenn keine anderen Komponenten hinzukommen, die eine Möglichkeit eröffnen, aus diesem Zustand herauszu­finden, kann er ewig andauern. Die Jains vergleichen die Dauer dieses Intensitätsgrades mit der Beständigkeit einer Linie, die in Stein gemeißelt ist.

  2. Der zweite, weniger intensive, aber immer noch starke Intensitätsgrad der Leidenschaften verhindert ein Erreichen der Selbstdisziplin, durch den die Achtung der geringeren Freiheiten möglich wird. Die Dauer dieses Intensitätsgrades wird mit der Zeichnung einer Linie in Erde gleichgesetzt.

  3. Der dritte, moderate Intensitätsgrad der Leidenschaften behindert die Achtung der fünf großen Freiheiten. Seine Dauer ist so flüchtig wie die Zeichnung einer Linie in Staub.

  4. Der vierte, mildeste Intensitätsgrad behindert das Erreichen perfekten Handelns. Er hinterläßt so wenig Eindruck wie eine Linie im Wasser.

Die Karmas, die durch diese vier Modifikationen gebunden werden, manifestieren sich je nach Intensitätsgrad erst in den höheren Entwicklungsstufen (gunasthanas). Diese Mechanismen werden in Anhang 2 ausführlich erläutert.

Insgesamt ergeben sich aus den Kombinationen der in diesem Sutra aufgeführten Komponenten 108 Energie- und Handlungsmuster (adhikarana) des Elementes jiva, die auf den Kontakt mit Karma (asrava) Einfluß haben.16 [16]

Die in diesem Sutra aufgeführten Handlungsmuster haben ihren Ursprung im Bewußtsein eines Lebewesens und können daher auch von dort aus gesteuert werden.

Der nächste Sutra listet die Handlungsmuster, die ihren Ur­sprung in der (materiellen) Umgebung eines Lebewesens haben, d.h. die von außen an ein Lebewesen herangetragen werden und von dort aus die karmischen Auswirkungen beeinflussen.

Fußnoten
14:

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15:

Zum Vorkommen im Text springen

16:

Zum Vorkommen im Text springen

Quellen
Titel: Karma: Der Mechanismus Ausgabe: 1998 Verlag: Crosswind Publishing, 31505 Wunstorf ISBN: 3-9806211-9-7 HN4U Online Edition: 2014

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  1. Adhikarana
  2. Asrava
  3. Entwicklungsstufen
  4. Gunasthana
  5. Gunasthanas
  6. Jiva
  7. Karma
  8. Karmas
  9. Karmische Materie
  10. Wiedergeburt
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