Meditieren - warum?: Bewusstsein der Freisetzung & Preksha Meditation (3)

Veröffentlicht: 23.12.2012

Noch nie habe ich davon gehört, dass jemand es nach dem Durchführen von Samayik bereut hat, 48 Minuten seines Tages mit spirituellen Gedanken und Rezitationen verbracht zu haben. Wirken negative Emotionen auf die Handlungen eines Menschen, gibt es hinterher immer Anlass zu Reue und Bitten um Verzeihung und Vergebung. Wer auch in Konfliktsituationen versöhnlich und liebenswürdig bleibt, braucht nichts zu bedauern und auch nicht um Verzeihung und Vergebung zu bitten. Bemühen wir uns darum, den Unterschied zwischen Materie und Geist zu verstehen. Wer zutiefst mit der Materie verbunden ist, hat es schwer, die Welt des Bewusstseins zu erfassen. Hin und wieder kann es zu einem Wendepunkt im Leben kommen, an dem die Realität des Bewusstseins plötzlich einsichtig wird. Manche erwachen durch eigene spirituelle Praxis, manche dadurch, dass sie anderen folgen.

Ein Mann ging zu einem Heiligen und hörte dessen Vortrag über Frieden. Der Vortrag hatte ihn tief berührt und zum Nachdenken gebracht. Er versuchte, mit all seinen negativen Emotionen in Kontakt zu kommen, indem er sie ansprach: „Lieber Zorn! Unsere Beziehung dauerte sehr lange, nun ist es an der Zeit, dass du dir ein neues Zuhause suchst!“ Der Zorn stand schweigend auf und ging. „Liebes Ego,“ fuhr der Mann fort, „du warst lange mein Freund. Bitte verlasse nun mein Haus. - Liebe Täuschung, ich möchte, dass auch du mich verlässt! Und nun zu dir, meine liebste Freundin Gier, ich war dir ein guter Gefährte. Nun möchte ich nicht mehr mit dir leben. Finde deinen Platz woanders.“ All die negativen Emotionen riefen: „Bist du verrückt geworden? Was erzählst du da, wie können wir dich verlassen?“ Der Mann entgegnete gelassen: „Spiritualität hat mich erleuchtet! Jetzt gibt es für euch keinen Raum mehr in mir.“

Sobald sich die Tore zum Bewusstsein öffnen, lebt man in einer anderen Welt. Der Fluss des Lebens transformiert sich. Der Einfluss der Materie schwindet, das Bewusstsein wird frei gesetzt. Das hat zur Folge, dass man sein Leben anders ausrichtet. Bis zu einem Alter von 40 Jahren denkt man vielleicht nicht viel über die Entwicklung des Bewusstseins nach. Doch ab 40 sollte man sein Leben in neue Bahnen lenken. Die Reise unseres Lebens kriegt dann ein Gefälle, die Potenz unserer Sinne nimmt ab. Im Acharanga Sutra und auch im Ayurveda ist das ausführlich beschrieben.

Warum muss ich eine Brille tragen? Ich habe sehr gut gesehen bis 40. Augenspezialisten haben mir dann geraten, die Augen mit einer Brille zu entlasten, denn ich muss viel lesen. Mit 40 Jahren beginnt sich der Mensch zu verändern. Zuerst lassen die Funktionen seiner Sinnesorgane allmählich nach. Das zeigt an, dass es an der Zeit ist, den Geist zu öffnen und die Ernährung auf leichtere Kost umzustellen. Wenn wir uns in diesem Alter auf unsere innere Entwicklung konzentrieren, lösen sich auch unsere Bindungen an Objekte. In der Psychologie klassifiziert man mehrere Grundinstinkte, vom spirituellen Standpunkt aus gibt es nur einen Grundinstinkt, den des Gebundenseins. Alle anderen Instinkte gehören spirituell gesehen zur gleichen Familie. Gebundensein und Abstoßung gehören ebenso zusammen wie Gebundensein und Anziehung. Abstoßung und Anziehung sind Produkte des Gebundenseins. Abstoßung (Abneigung) oder Anziehung (Zuneigung) ziehen das Band, mit dem wir gefesselt sind, immer fester, verwickeln uns immer mehr und binden uns immer stärker an Personen oder materielle Objekte. Der Geist geht dann davon aus, dass wir ohne Gebundensein nicht leben können. So funktioniert das Gebundensein.

Erst wenn man sich von der Materie distanziert, lösen sich die Fesseln allmählich. Die Abkehr von der Materie setzt Energien des Geistes frei, die bisher durch das Gebundensein blockiert waren. Nun stehen sie für die Entwicklung des Bewusstseins zur Verfügung. Unser Bewusstsein ist nicht mehr gefesselt, wir sind befreit und unabhängig. Es gibt den Zustand der Gefangenschaft und den Zustand der Freiheit. Gebundensein, Hinwendung zur Materie führt in die Gefangenschaft, Ungebundenheit, Abwendung von der Materie, in die Freiheit.

Wie nun setzt man sein Bewusstsein frei? Tiefenentspannung mit Selbstgewahrsein im Kayotsarga führt direkt in die Freiheit, zwischen Seele und Körper unterscheiden zu lernen. Ziel dieser Unterscheidung ist, das Gebundensein an Körper und Sinne aufzugeben und auf die Zuordnung „mein“ zu verzichten. Kayotsarga ist nicht nur eine Entspannungsübung für den Körper, sondern bereitet durch dessen Stilllegung den Weg, das Gebundensein an ihn aufzugeben. Das führt zu dem Erlebnis, aus dem im Laufe wiederholter Praxis Erfahrung wird, dass Seele und Körper voneinander verschieden sind. 

Aus diesem Grund ist Kayotsarga eine wichtige Technik der Preksha Meditation, Einstieg und Meisterschaft zugleich. Unsere spirituelle Reise beginnt und endet mit Kayotsarga. Es gibt 14 Stufen (Gunasthanas) der spirituellen Entwicklung der Seele. Bewegt die Seele sich von der dreizehnten zur vierzehnten und letzten Stufe ihrer spirituellen Entwicklung, ist Kayotsarga vollkommen realisiert. Kayotsarga aktiviert nicht nur die Freisetzung des Bewusstseins, sondern bringt sie auch voran.

Quellen
Englischer Titel:
Why Meditate? Redaktion:
Muni Dhananjay Kumar
Herausgeber:
2005 Jain Vishva Bharati
Institute, ©2005 Übersetzung ins Englische:
2005 Samani Charitra Pragya,
Neeraja Raghavan, Sudhamahi
Regunathan Übertragung ins Deutsche:
2008 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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