Meditieren - warum?: Bewusstsein der Freisetzung & Preksha Meditation (2)

Veröffentlicht: 22.12.2012

Ungebundenheit gehört zur Welt der Seele. Diese unterscheidet sich gründlich von der Welt der Materie. Wer nur in der materiellen Welt lebt mit der Bindung an Objekte, weiß nichts von der Welt der Seele. Erst wenn man an eine ungünstige Situation gebunden ist, möchte man sich daraus befreien. Dieser Befreiungskampf wird dann zu einem Wendepunkt im Leben. In einer derartigen Situation treten Menschen häufig einen Schritt zurück und realisieren, dass das Leben sich nicht auf einen Aspekt beschränken lässt. Auch eine ernsthafte Erkrankung kann zu einem Wendepunkt werden. Im Leiden lockert die Materie ihre Umklammerung und tritt aus dem Bewusstsein zurück. Wie auch sollte die materielle Welt helfen können, wenn man leidet? Ebenso kann das Nahen des Todes zu einem Wendepunkt werden und Menschen zu einer Änderung ihrer Denkweise veranlassen. Ich habe viele Menschen gesehen, denen Religion Zeit ihres Lebens verhasst war. Im Angesicht des Todes erlebten sie eine innere Transformation unvorstellbaren Ausmaßes. Noch kurz vor seinem Tod kann ein Atheist zum Theisten werden.

Einst wurde Acharya Tulsi von jemandem gebeten, der im Sterben lag, ihm Mönche und Nonnen zu schicken, die ihn segnen und ihm die spirituelle Welt nahe bringen könnten. Sein Leben lang hatte er die Religion aufs schärfste kritisiert. Acharya Tulsi machte sich selbst auf den Weg. „Gurudev,“ sagte der Mann, „ich war so lange auf dem falschen Weg. Jetzt erkenne ich, wie sehr ich mich geirrt habe und was für ein großer Fehler das war. Ihr, du und die Mönche und Nonnen, die mit dir kamen, habt mir geholfen, den spirituellen Weg zu finden.“ Seine Erkenntnisse auf dem spirituellen Weg fasste er so zusammen: „Nicht nur jene, die dich verehren, führst du zur Erlösung. Auch mich, der dich nicht schätzte, hast du befreit. Himmlisch sind deine Qualitäten.“ 

Viele Menschen habe ich auf ihrem Totenbett gesehen. Das ist ein sehr entscheidender Moment. Manchen Menschen gelingt es, sich zu transformieren. Getrieben von Unrast können andere sich nicht lösen. Am Anfang erfreuen materielle Objekte die Sinne, doch diese Freude währt nicht lange. Sie wird immer schaler, desto näher man dem Ende seines Lebens kommt.

Ein großer Heiliger sagte einmal: „Zuckerrohr schmeckt herrlich süß, während man es auslutscht. Doch wenn man es zerkaut hat, bleiben nur Fasern ohne jeden Geschmack.“ Ein Dichter rief beim Anblick eines Zuckerrohrfeldes: „Oh Zuckerrohr, du scheinst so süß! Doch deine Süße schwindet mit jedem Tropfen des Genusses!“ Genauso ist es mit den Sinnesfreuden.

Eines nachts stritt sich ein Paar so laut, dass die Nachbarn wach wurden und sich um das Paar versammelten. Ein weiser Mann sagte: „Mein guter Nachbar! Die Nacht ist zum Ausruhen und Schlafen da, und ihr streitet! Außerdem stört ihr die Nachtruhe eurer Nachbarn. Worum geht es denn überhaupt?“ Der Ehemann antwortete: „Wir sind jetzt im dritten Jahr verheiratet. Im ersten Jahr hörte mir meine Frau zu, wenn ich sprach. Im zweiten Jahr hörte ich meiner Frau zu, wenn sie sprach. Und jetzt, im dritten Jahr, sprechen wir beide und unsere Nachbarn  hören zu.“

Es ist nur eine Geschichte, aber sie hat auch einen wahren Kern. Es liegt in der Natur aller Objekte, dass ihre Anziehungskraft im Laufe der Zeit stetig nachlässt. Das ist die wahre Natur aller materiellen Objekte! Was nun ist die wahre Natur des Bewusstseins? Am Anfang erscheint es schwierig und trocken. Je mehr wir uns mit ihm befassen, desto mehr erfreuen wir uns an ihm. Mit dem ersten Tag spiritueller Praxis tritt die anfängliche Trockenheit nie wieder auf. Anfangs fällt einem das Sitzen in Meditationshaltung schwer, bereitet vielleicht Schmerzen in den Beinen, und der Geist geht auf Wanderschaft. Die Sinne, der Geist, die Psyche, die Emotionen, der Körper, sie alle unterstützen die Meditation nicht. Sie bauen ein Hindernis nach dem anderen auf. Vielleicht denkt man sogar daran aufzuhören. Das legt sich nur durch kontinuierliche Praxis.

Oft wurde darüber diskutiert, wie lange ein Meditationscamp dauern sollte, 5 oder 10 Tage? Wer sich für 5 Tage ausgesprochen hatte und im Laufe der 5 Tage die wachsende Glückseligkeit in sich erlebte, wollte gern um 5 Tage verlängern und gab dabei nur zu bedenken, dass selbst 10 Tage angesichts der wohltuenden Emotionen, die nach der Meditation das Innere durchströmten, zu wenig seien. Vergleichen wir die Natur der Objekte mit der Natur der Spiritualität. Die Natur der Objekte ist, zu Beginn große Freude auszulösen, die jedoch im Laufe der Zeit schwindet. Die Natur der Spiritualität ist, nach einem schwierigen Anfang zur Quelle der Freude in seinem Inneren zu finden, die nicht aufhört zu sprudeln. 

Wenn große Gier der Antrieb zum Handeln ist, werden andere übervorteilt und ausgebeutet. Korruption und Vetternwirtschaft breiten sich aus. Irgendwann dämmert die Erkenntnis, die Mitmenschen zur Erlangung materieller Vorteile benutzt zu haben. Es kommt auch eine Zeit der Reue. Hat ein Mensch, der anderen und sich selbst verziehen und vergeben hat, Anlass zur Reue? Von negativen Affekten und Emotionen beeinflusste Handlungen fördern die Entwicklung eines an weltliche Objekte gebundenen Bewusstseins. Von positiven Affekten und Emotionen geleitete Handlungen fördern die Entfaltung eines spirituellen Bewusstseins und setzen kreative Energien in einem Menschen frei.

Quellen
Englischer Titel:
Why Meditate? Redaktion:
Muni Dhananjay Kumar
Herausgeber:
2005 Jain Vishva Bharati
Institute, ©2005 Übersetzung ins Englische:
2005 Samani Charitra Pragya,
Neeraja Raghavan, Sudhamahi
Regunathan Übertragung ins Deutsche:
2008 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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