Zur Harmonie im Inneren: 02. Kontrolle der Ernährung

Veröffentlicht: 12.11.2012

Ein Freund fragte mich: „Ist es möglich, dass ich mich ändere oder werde ich immer so weitermachen wie bisher?“

Ich antwortete: „Alles ändert sich ständig in der Welt, in der wir leben, warum sollte sich der Mensch nicht auch ändern können. Für den, der sich ändern möchte, ist das sicherlich möglich. Sich nicht zu ändern, ist gar nicht möglich.“

Das Gesetz permanenter Wandlung ist ewig. Jedes materielle Objekt durchläuft dauernd eine Art von Veränderung. Jedoch ist es eine Charakteristik des Menschen, sich in eine bestimmte Richtung verändern zu wollen.

Weiter wollte er wissen: „Wie kann ich mich ändern? Bitte lehre mich den Weg. Können Gewohnheiten verändert werden?“

Ich entgegnete: „Natürlich können sie verändert werden. Könnten wir unsere Gewohnheiten nicht ändern, wäre jedes Gerede über Erlösung sinnlos. Dann hätte auch unsere Existenz keinen wie auch immer gearteten Sinn. Alles wird bedeutungslos, wenn der Mensch sich nicht ändert oder es nicht kann. Intensives Bemühen wird deshalb so hoch geschätzt, weil mit seiner Hilfe das scheinbar Unmögliche möglich wird. Um seine Gewohnheiten zu ändern, muss man sein Essverhalten ändern.“

Er bemerkte: „Das klingt seltsam. Was hat das Essverhalten mit der Änderung von Gewohnheiten zu tun? Ich esse doch, weil ich essen möchte, weil es mir schmeckt, zur Belohnung meines Gaumens. Wie kann das mit Gewohnheiten zu tun haben, wie können Nahrungsaufnahme und Gewohnheiten zusammenhängen?“

Ich sagte: „Das bestimmt unser unvollkommener Geist. Es ist doch eine Tatsache, dass jemand, der seine Nahrungsaufnahme nicht kontrollieren kann, auch nicht in der Lage ist, seine Gewohnheiten zu ändern – beides steht in engem Zusammenhang.“

Gewohnheiten entstehen im Ursprung allen Bewusstseins. Im Gehirn befinden sich unzählige Bewusstseinszentren, die den Charakter eines Menschen bestimmen. Für schlafen, lachen, weinen, träumen, erinnern, ebenso für alle mentalen Dispositionen wie denken, sich etwas vorstellen, reflektieren, etc gibt es ein eigenes Zentrum im Gehirn. Der Charakter eines Menschen wird durch seine bereits aktivierten Zentren determiniert. Diese Zentren werden durch elektrische und chemische Veränderungen angeregt, die das Gehirn selbst produziert. Dazu braucht das Gehirn ebenso wie der Körper Nahrung zu seiner Stärkung.

Die Esoteriker der Vergangenheit haben auf diesem Gebiet viele Entdeckungen gemacht, die ayurvedischen Bücher sind voll davon. In diesen alten Wälzern finden sich vollständige Beschreibungen von Materialien, die Gehirn und Nervensystem kräftigen oder aber schwächen. Auch die moderne Wissenschaft beschäftigt sich damit, immer neue und bessere Stärkungsmittel für das Gehirn zu entwickeln.

Das Gehirn arbeitet auf der Grundlage elektrischer und chemischer Energie. Die Chemikalien werden aus der Nahrung gewonnen, die wir aufnehmen. Nahrung ist also ein Faktor, der die Aktivitäten des Gehirns unterstützt oder drosselt und damit auch unsere Gewohnheiten. Die Qualität der Nahrung bestimmt die Qualität der produzierten Chemikalien, diese wiederum die Qualität der Aktivitäten des Gehirns und davon hängen unser Verhalten, unsere Gedanken und Gewohnheiten ab.

Ohne die Funktion der Nahrung zu begreifen, können wir unsere Gewohnheiten nicht ändern. Ohne Verfeinerung der Nahrung bleibt der Charakter grob. Welche Veränderungen auch immer man in seinem Leben vornimmt, ohne Veränderung der Nahrungsaufnahme kann man sich nicht wirklich transformieren. Beides ist aufs engste verbunden. Demgemäss müssen wir zuallererst darauf achten, welche Nahrung wir zu uns nehmen. Nahrung ist hier im weitesten Sinne gemeint - nicht nur was wir mit dem Mund aufnehmen, sondern was unser Organismus auch mittels der Sinnesorgane von außen in sich aufnimmt, wie Atemluft, Musik, Fernsehsendungen und Gedanken.

Leert man ein Glas Wein auf einen Zug, lässt sofort die gewohnte Kontrolle über das Gehirn nach, und der Mensch wird betrunken. Das Glas Wein hat das Gleichgewicht seines Gehirns gestört. Ein Anderer raucht Haschisch. Himmel und Erde scheinen miteinander zu verschmelzen, und die Welt um ihn herum beginnt sich zu drehen. Alles wegen des Haschischs, das er geraucht hat. Mit der Wirkung von berauschenden Drogen sind wir wohl vertraut. Jemand hat ein schwaches Gedächtnis. Er nimmt brahmi [ayurvedisches Mittel zur Anregung der Blutzirkulation im Gehirn] und shankhpushpi [ayurvedisches Beruhigungsmittel], seine Gedächtnisleistung steigert sich.

Die heutigen Wissenschaftler erforschen unterschiedliche Chemikalien zwecks Verbesserung der Gedächtnisleistung und erkunden zur selben Zeit, welche sie zerstören können. Sie arbeiten unter der Voraussetzung, dass nicht jeder Intelligenz und Gedächtnis braucht: Wenn Diebe, Plünderer oder Mörder und Gewalttäter ihres Gedächtnisses beraubt werden, hilft das sicherlich, die Kriminalität einzudämmen. Die Wissenschaftler arbeiten an solchen Drogen zur Schwächung der Intelligenz zwecks Verringerung der Kriminalität. Es ist bekannt, dass Gefängnisnahrung auf der Grundlage dieser Erkenntnisse zubereitet wird. Gleichzeitig wird an Drogen zur Verbesserung der Gedächtnisleistung gearbeitet.

In der ayurvedischen Medizin kennt man viele Substanzen und Kräuter zur Förderung der Gedächtnisleistung, gorakh mundi (Sphaeranthus indicus), satavari (Asparagus racemosus), brahmi, shankhpushpi etc. Die Meister kannten viele Substanzen und hielten die Prozeduren fest, diese in chemische Flüssigkeiten zu konvertieren, welche die mentale Kapazität steigern. Natürlich ergeben sich auch hier beide Alternativen: die mentale Leistungsfähigkeit kann gefördert oder gehemmt werden. 

Es gibt bereits viele Forschungsarbeiten über die verschiedenen Auswirkungen unterschiedlicher Nahrungsmittel auf den Körper. Jedoch gibt es weder in der Allopathie (westliche Schulmedizin), noch in der ayurvedischen Medizin Forschungen hinsichtlich der Frage, wie eine fundamentale Transformation des Charakters bewirkt werden kann. Nichtsdestotrotz sprechen die ayurvedischen Meister von verschiedenen Arten der Nahrung: lebenswichtig-nahrhaft, stimulierend, erholsam-stärkend. Es gibt lebenswichtige Nahrung, die kräftigt und das Leben erhält, potente, die Potenz des Körpers erweiternde Nahrung, feurige, den Körper stimulierende Nahrung, verbrauchte Energie wiederherstellende Nahrung und vieles andere.

Es gibt drei Arten von Substanzen:

  • beruhigende
  • aufreizend-stimulierende
  • das Gleichgewicht herstellende

Es gibt Substanzen, welche Wind, Galle und Schleim unterdrücken, andere stimulieren sie und wieder andere halten sie im Gleichgewicht.

Gallenflüssigkeit stimulierende Substanzen rufen Ärger hervor. Galle und Ärger sind eng miteinander verbunden. Ein Mensch mit vermehrter Gallenflüssigkeit kann nicht anders als ärgerlich sein.

Ein Mensch mit erhöhtem Schleimaufkommen ist gierig. Selbst wenn er Hunderte von spirituellen Vorträgen gehört hat, bleibt die Gier. Solange der Schleim in ihm dominiert, kann er sich nicht von seiner Disposition zur Gier befreien. Seine mentale Kondition ändert sich nicht. Sobald die vom Schleim verursachte Wut abflaut, verändert sich seine Disposition, denn zwischen Gier und Schleim besteht eine enge Verbindung.

Den Wind provozierende Substanzen lassen Mutlosigkeit entstehen. Menschen mit zuviel Wind versinken immer in Verzweiflung, sind tief deprimiert und von mentaler Mattigkeit geplagt. Zwischen dem Wind und all diesen Verstimmungen besteht ebenfalls ein enger Zusammenhang.

Ein Mann lud seinen Freund zum Essen ein. "Es findet eine Hochzeit statt," sagte er, "du musst zum Essen kommen." Als der Freund zur genannten Stunde kam, bürstete sein Gastgeber gerade das Fell seines Esels kräftig durch und badete ihn anschließend. "Was machst du?" fragte der Freund. Der Gastgeber antwortete: "Das ist mein Esel, der heute heiraten wird. Deshalb bade ich ihn." - "Oh," meinte der Freund, "dann heiratet also dein Esel? Hast du mich deshalb zum Essen eingeladen? Was willst du uns denn vorsetzen?" - "Mein Lieber, sei nicht so ungeduldig, der Bräutigam bekommt, was wir auch essen."

Über nichts wird in der Welt soviel gesprochen wie über die Nahrung. Auch Gastfreundschaft beginnt mit Nahrung. Wo immer sich zwei Menschen begegnen, sprechen sie vom Essen. Der gesamte Kreislauf des Lebens wird durch die Nahrung aufrecht erhalten. Die Persönlichkeit eines Menschen kann aufgrund der Nahrung evaluiert werden. Man ist, was man isst.

Der Fragesteller fuhr fort: „Nach dieser gelehrten Erörterung ist es ziemlich klar, dass die Reinheit der Nahrung notwendig für die Änderung der Gewohnheiten ist. Doch was bedeutet das?“

Ich antwortete: „Laut "Disziplinierung des Geistes" bedeutet reine Nahrung gesunde und einfache Nahrung. Saubere, unverfälschte Nahrung ist bekömmlich in Qualität und Quantität.“ Der Fragesteller war immer noch nicht zufrieden. Viele Zweifel plagten ihn. Der Fragesteller ist frei, der Antwortende nicht, er ist an den Fragenden gebunden.

Er fragte also: „Wie definieren Sie bekömmliche Nahrung?“

„Was bekömmlich ist, ist ein zu weites Feld, um hier behandelt werden zu können. Was bestimmt letztlich, ob etwas zu unserem Wohlbefinden beiträgt? Unser Körper besteht aus vielen wichtigen Teilen, Gehirn, Herz, Leber, Lunge, Milz und Nieren, schließlich die Sinnesorgane: Augen, Ohren, Nase, Zunge, Haut. Auch das gesamte Nervensystem hat seine eigene Bedeutung, man muss über enormes Wissen verfügen, um entscheiden zu können, welche Substanz für welchen Teil des Körpers gut ist.“

Gemäss der ayurvedischen Medizin basieren zahlreiche Herzerkrankungen auf dem exzessiven Gebrauch von Salz. Nicht-Vegetarier nehmen sehr viel Salz zu sich, weil sie es zur Verdauung des Fleisches benötige. So ist vom Verzehr von Fleisch schon aus gesundheitlichen Gründen abzuraten. Zu- oder Abträgliches wird nicht durch einseitige Sichtweise determiniert, sondern durch Einbeziehung verschiedener Aspekte. Kinder brauchen Proteine, also brauchen sie Milch. Doch wer die Schwelle von der Kindheit zur Jugend überquert hat und immer noch Proteine im selben Maße zu sich nimmt, zieht die Probleme geradezu an. Milch ist ein nützliches Nahrungsmittel, doch auch diese beste aller Nahrungen wirkt schädlich ohne Berücksichtigung von Menge und Zeit, so wird Nektar zu Gift. Moderate Einnahme einer Substanz unter Berücksichtigung von Alter, Zeit und Situation ist zuträglich.  

Einfache, in der Menge begrenzte Nahrung ist bekömmlich. Das Wissen darüber, welche Nahrung in welchen Mengen aufgenommen werden sollte, ist essentiell. Für Asketen ist Maßlosigkeit beim Essen unwürdig. Auch gemäss der ayurvedischen Lehre ist Unbescheidenheit beim Essen ein ernstes Fehlverhalten, denn ein zwanghafter Esser lädt unfreiwillig zahlreiche Gebrechen ein. Ebenso unterscheidet man leichte von schwerer Kost. In der leichten Kost dominiert das Element Wind, sie ist aufgrund ihres hohen Maßes an Feuerelementen leicht verdaulich. In der schweren Kost dominiert das Element Wasser, sie enthält weder Wind noch Feuer, weshalb sie nahezu unverdaulich ist. Schwere Kost verursacht Funktionsstörungen und Charakterfehler. 

Nicht nur in Rajasthan liebt man die Süßspeisen. Die Worte ‚essen’ und ‚Süßspeisen’ werden dort fast wie Synonyme gebraucht, keine Gastfreundschaft ohne Süßspeisen. Einladungen waren ohne Süßspeisen undenkbar. Übermäßiges Verzehren von Süßspeisen, die Milch und Butter enthalten, führte dazu, dass viele Menschen mit dreißig Jahren schon alt aussahen. Sie litten bereits in jungen Jahren an Altersbeschwerden und Impotenz, der Tod mit vierzig Jahren oder kurz danach war nicht ungewöhnlich. All das hat sich jetzt geändert. Heutzutage betrachten sich Menschen im Alter von vierzig bis sechzig Jahren als jung. Schwere Kost lässt einen Menschen aber vor seiner Zeit altern. Sie erfreut Auge und Zunge, doch fehlt es ihr an verdaulichen Elementen. Unverdaute oder nur zum Teil verdaute Nahrung schafft Probleme, die häufig zum vorzeitigen Tod führen.

Kenntnis des richtigen Maßes ist eine der Grundlagen der Diätetik. Selbst leicht verdauliche Nahrung sollte man nur maßvoll zu sich nehmen. Bei schwerem Essen sollte die Menge noch geringer sein. Doch das soziale Verhalten ist seltsam. Wenn sich zehn oder zwanzig Leute treffen und zum gemeinsamen Essen niedersetzen, gerät der Grundsatz der Quantität in Vergessenheit. Schwer Verdauliches wird in verlockenden Häppchen angeboten, ein Gang nach dem anderen serviert, bis der Magen zum Bersten gefüllt ist. Erst dann wird das Zeichen "genug" gegeben. Daran wird deutlich, dass niemand weiß, wie viel er essen sollte.

Unwissende Menschen verhalten sich ihren Liebsten gegenüber so fürchterlich, wie sie es ihrem ärgsten Feind gegenüber nicht täten. Unser Feind kann uns nicht so schaden, weil wir jede seiner Handlungen aufmerksam verfolgen. Doch sind wir gegenüber einer Person, die wir mögen, nicht so wachsam. Was immer sie tut, denken wir, tut sie zu unserem Besten. So wird einem Menschen gutgläubig geschadet, während dieser sich dabei geliebt und verwöhnt fühlt. Er glaubt, sich niemals zuvor einer derartigen Gastfreundschaft erfreut und eine so wunderbare Zeit verlebt zu haben! Wie schmackhaft war das Essen! Wie köstlich die Speisen!

Essen sollte nach den Erkenntnissen der dietätischen Forschung wohltuend und rein sein. Reines und gutes Essen verdirbt die Bewusstseinzustände nicht. Essen, das leuchtende Gedanken aufsteigen lässt und lotusweiße Vibrationen erzeugt, ist gut und rein. Man unterscheidet

  • Tamsik

Essen verunreinigt den Geist. Es hat lasterhafte Gedanken, Leidenschaften und Lust, Ärger, Gier und Gewalt zur Folge. Derartiges Essen kann weder rein, noch gut sein. Es ruft Dunkelheit und Unwissenheit hervor und aktiviert die unterhalb des Nabels gelegenen Bewusstseinszentren.

  • Rajik

Nahrung, die Genusssucht und notorisches zur Schaustellen der eigenen Person fördert.

  • Satvik

Nahrung ist von guter und reiner Beschaffenheit, stimuliert die Bewusstseinszentren oberhalb des Nabels, insbesondere das Zentrum der Glückseligkeit (Herzgegend), das der Reinheit (Kehlkopf), das der Erleuchtung (Mitte der Stirn) und das der Weisheit (höchster Punkt des Schädels).

So zeigen sich die engen Beziehungen zwischen Nahrung und Körper, psychischen Zentren und mentalen Dispositionen. Der Mensch ist mit unschätzbarem Reichtum und unerschöpflichen Schätzen ausgestattet. Doch er hat sich auf den Status eines Bettlers reduziert, der von anderen korrektes Verhalten erwartet und deren Weisheit und mentale Leistungen bemüht. Er ist überall und zu jeder Zeit auf der Suche, ohne dem Schatz in seinem Inneren Beachtung zu schenken.

Ein Bettler saß am Rande des Weges, auf dem die königliche Prozession vorbei ziehen sollte. Ein Polizist kam und wollte ihn verscheuchen. Der Bettler sagte: „Die Strasse ist für alle da. Ich bleibe, wo ich bin. Der König kann mir nicht befehlen, mich zu entfernen.“ Der Polizist meinte: „Das Wort des Königs ist Gesetz. Er kann tun und lassen, was er will. Er ist so mächtig, dass er jeden aus seinem Königreich entfernen kann.“ Der Bettler sagte: „Oh, ist der König so mächtig. Dann sage ihm doch mal, er soll allen Mücken und Fliegen aus seinem Königreich befehlen, sich zu entfernen. Wenn er das tun kann, will ich ihn als wahren König anerkennen.“

Der Polizist starrte den Bettler an und begann sich zu wundern, was für ein Mensch er ist. Dann sagte er: „Er kann nicht allen Mücken und Fliegen befehlen, sich zu entfernen, und doch ist der König ein großer Mann. Seine Paläste werden Tag und Nacht bewacht.“ Der Bettler lachte und sagte: „Das nennst du einen König! Er scheint doch eher ein Gefangener zu sein. Seine Paläste werden Tag und Nacht bewacht. Auch ein Gefängnis wird Tag und Nacht bewacht. Sage dem König, er soll seine Wachen abziehen.“

Mittlerweile näherte sich die Prozession des Königs. Der Bettler folgte ihr. Ein Tempel stand am Weg. Der König stieg ab, betrat ihn, ging vor dem Standbild in die Knie und betete mit gefalteten Händen: „Oh Gott, sei mir gnädig. Vervielfache meinen Reichtum und lasse meinen Klan wachsen und gedeihen. Mögen mir noch größerer Ruhm und Wohlstand beschieden sein.“ Der Bettler stand in einer Ecke und lauschte jedem Wort des Königs. Nach seinem Gebet verließ der König den Tempel, sah den Bettler und sagte: „Ah, du möchtest Almosen. In Ordnung, bitte mich und ich gewähre dir, was du möchtest.“ Der Bettler entgegnete: „Ja, ich bin gekommen um zu betteln. Ich dachte, hier wäre ein sehr reicher und wohlhabender König. Er wird mir Almosen geben und meine Armut beseitigen. Allerdings habe ich eben gehört, dass du selbst der größte lebende Bettler bist. Was kann ein Bettler schon einem anderen Bettler geben? Ich bitte keinen Bettler um Almosen. Ich bin nur ein kleiner Bettler, du hingegen bist ein ganz großer.“

Das ist die Situation des heutigen Menschen: Er besitzt eine Schatzkammer voller unerschöpflicher Kräfte, doch bettelt er ständig bei anderen um dieses oder jenes. Er kann seine eigenen Kräfte erst erkennen, wenn das Verlangen nach Spiritualität in ihm erwacht. Spirituelle Unterweisung beinhaltet das Erkennen der eigenen latenten Kräfte. Im Inneren des Menschen ist unbegrenztes Wissen, unerschöpfliche Seligkeit, unendliche Energie. Wenn ein Mensch den ersten Schritt unternimmt, diese Kräfte zu erkennen, wird ihn das zur Selbsterkenntnis befähigen.

Meditation dient der Erlangung des Wissens über sich selbst. Der erfolgreiche Höhepunkt dieses Unternehmens ist die komplette Transformation des Menschen. Die Aufnahme reiner Nahrung (satvik) ist die Vorbedingung für die Transformation. Im Verlauf der Meditation verändern sich Chemie und Elektrizität des Körpers und die oberhalb des Nabels gelegenen psychischen Zentren werden aktiv, während die unterhalb des Nabels gelegenen Zentren, die besser schlummern sollten, inaktiv bleiben.

Der Tag des Erwachens bringt die Erfahrung einer völlig neuen Welt, den Beginn eines neuen Lebens. Dann kann der Mensch mit stolz erhobenem Haupt sagen: „Ich kann die Welt, von der bisher niemand auch nur zu träumen wagte, sehen. Der Zeitpunkt der Erleuchtung ist nahe.“


Fragen und Antworten

Frage:
Die Körperchemie ändert sich durch andere Ernährung, und Gewohnheiten ändern sich mit den Veränderungen der Körperchemie. Es wird heutzutage damit experimentiert, das Temperament eines Menschen durch die Verordnung synthetischer Chemikalien zu beeinflussen. Wie unterscheidet sich die Meditation davon?

Antwort:
Chemikalien gewinnt der Körper nicht nur aus der Nahrung, sondern auch aus den Gefühlen. Wir können sehr wichtige Chemikalien im Körper durch Gefühle erzeugen und sie auch durch Gefühle verändern. Die Meditation bringt den Prozess der chemischen Veränderungen im Körper in Gang. Die Nahrung ist dabei ein wichtiger Faktor. Die richtige Nahrung unterstützt die Herstellung der richtigen Chemikalien im Körper. Meditation ermöglicht die Schaffung neuer Fähigkeiten und die Veränderung bestehender Charaktereigenschaften. Synthetische Chemikalien sind insgesamt nicht sicher, sie haben ihre Nebenwirkungen. Die Wissenschaftler sind sich dieser Tatsache bewusst.

Dünger aus Kuhdung ist ein Naturprodukt, mit dem man die Produktion beispielsweise von Weizen steigern kann. Synthetische Dünger erhöhen auch die Produktion, aber ebenso die Nebenwirkungen. Synthetische Chemikalien sind wie synthetischer Dünger, ihr Einsatz ist nicht ungefährlich. Synthetische Chemikalien werden an Ratten und Affen getestet, weil diese Experimente an Menschen zu gefährlich sind. Wenn wir auf die Veränderung der Körperchemie durch Meditation und reine Nahrung setzen, sind wir auf der sicheren Seite und gehen kein Risiko ein.

Frage:
Sie haben von den fünf Arten des Hellsehens gesprochen, welche Vorderseite, Rücken, rechte und linke Seite und Mitte betreffen. Das ist nicht klar. Würden Sie das bitte ausführen?

Antwort:
Vollständige Klarheit haben Sie erst, wenn Sie hellsehen können. Doch einige Fakten können hier genannt werden. Das zentrale Nervensystem liegt in der Wirbelsäule, rechts und links davon befinden sich das sympathische und das parasympathische Nervensystem, die sich von dort aus weiter verzweigen. Auch die Quelle der Bewusstseinszentren liegt im Rückenbereich und reicht von dort in den vorderen Körperbereich. Deshalb meditieren wir in der Preksha Meditation sowohl über den vorderen, als auch über den rückwärtigen Bereich des Körpers. Mit zunehmendem Fortschritt in der Meditation konzentrieren wir uns auf die linke und die rechte Seite und schließlich auf den Kopf. Ziel ist es, den Körper transparent wie einen Kristall werden zu lassen. Diese Transparenz ist nötig, damit Hellsehen zustande kommen kann. Solange der Körper nicht transparent ist und die Hauptzentren des Körpers kein Kraftfeld bilden, können die Strahlen der Erkenntnis nicht passieren. Die Lampe leuchtet. Wäre sie verhüllt, wäre kein Licht zu sehen. Ist der Lampenkörper transparent, kann das Licht nach allen Seiten leuchten.

Damit sich Erkenntnis manifestieren kann, müssen die Bewusstseinszentren klar und rein sein. Manche behaupten, dass von den Bewusstseinszentren in der spirituellen Tradition des Jainismus keine Rede sei. Ihnen sei gesagt, dass die gesamte Erörterung des Hellsehens und seiner fünffältigen Manifestationen nichts anderes als die Thematisierung der Bewusstseinszentren ist. In den Kommentaren von Nishit und Nandi bediente sich der Kommentator derselben Beispiele und führte aus, dass die Strahlen der Erkenntnis sich genau wie die Strahlen des Lichtes durch einen transparenten Körper nach allen Seiten hin ausbreiten und aus allen Teilen und jedem Zentrum des Körpers, der rein und transparent geworden ist, leuchten. Zwei Arten des Hellsehens sind bekannt:

  • Endliches Hellsehen
    Begrenztes Wissen, das von einem Teil des Körpers ausstrahlt.
  • Unendliches Hellsehen
    Unbegrenztes Wissen, das vom gesamten Körper ausstrahlt.

Hellsehen kann sich in jedem Teil des Körpers manifestieren, selbst im kleinen Finger. Er kann so transparent werden, dass die Strahlen der Erkenntnis von hier ausgehen. Stoppt man den Prozess, gibt es dort keine parapsychischen Energien mehr. Diese Vorgänge markieren eine wichtige Entwicklung im Bereich des spirituellen Trainings.

Frage:
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Begriff chit und dem Verstand?

Antwort:
Chit ist der Meister, der Verstand der Diener. Chit ist ein Instrument des Bewusstseins und der Verstand das Instrument intellektueller Aktivitäten. Er ist kein Werkzeug des Bewusstseins, sondern ein Werkzeug des Körpers, des Gehirns, mit dem das Bewusstsein harmonisch zusammenarbeitet.

Frage:
Wie entsteht das Verlangen?

Antwort:
Der Ursprung des Verlangens liegt tief im Inneren, nicht im physischen Organismus, sondern im Unbewussten. Spirituell kann man sagen, dass es sich als Wechselwirkung zwischen Urtrieben und Umwelt präsentiert und nicht an den gegenwärtigen Körper oder das gegenwärtige Leben allein gekoppelt ist, sondern mit den unzähligen vergangenen Verkörperungen ebenso zusammenhängt, wie mit den aus der Vergangenheit mitgebrachten feinstofflichen Körpern. Tief innen fließt dieser Strom des Verlangens. Wann immer sich eine Ursache präsentiert, wird das Verlangen nach außen manifestiert. Voraussetzung für die Untersuchung des Verlangens ist die Erforschung der inneren Tiefen.

Quellen
Englischer Titel:
Towards Inner Harmony Redaktion:
Muni Dulheraj
Herausgeber:
Jain Pubilishers (P) Ltd, New Delhi
http://www.bjainbooks.com Übertragung ins Deutsche:
2004 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

http://de.herenow4u.net/fileadmin/cms/Buecher/Zur_Harmonie_im_Inneren/Acharya_Mahaprajna_-_Zur_Harmonie_im_Inneren_200.jpg

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