Geheimnisse des Geistes: Preksha Meditation - Training für den Geist (2)

Veröffentlicht: 02.11.2012

Vorrangige Aufgaben der Philosophie sind die Öffnung des Bewusstseins für die Erfassung subtiler Wahrheiten und das Training des Geistes. Subtile Wahrheiten können nur mit einem dafür ausgebildeten Geist erfasst werden, nicht mit einem allein an der Materie orientierten Verstand. Es gibt außer Meditation auch andere Methoden, den Geist auf die Erfassung der subtilen Wahrheiten einzustimmen. Alle erfordern eine Synthese von Handlung und Geist, was bedeutet, dass wir den Geist auf das konzentrieren müssen, was wir gerade tun.

Die Anekdote über den Philosophen, der während eines geistigen Höhenfluges in einen Graben fällt, ist wohlbekannt. Und auch, dass die alte Frau, die ihm aus dem Graben half, zu ihm sagte: „ Manchmal sollten auch Sie mit beiden Beinen auf der Erde  stehen!“ Was dem Philosophen passierte, ist eine alltägliche Erfahrung. Oft lassen wir unsere Gedanken weit schweifen und beachten nicht, was gerade vor uns liegt. Selten nur bemühen wir uns überhaupt darum, Geist und Handlung miteinander in Einklang zu bringen. In der Meditation können wir das lernen.

Die mentale Disziplin wächst mit dem Reifeprozess beim Meditieren. Wir sollten alle unsere Handlungen mit dem Geist verknüpfen. Bhavakriya ist ein wichtiger Bereich der Philosophie. Sie trägt dazu bei, dass die Meditation integraler Bestandteil unseres Alltags wird. Wer Bhavakriya praktiziert, führt alle Handlungen in einem meditativen Geist aus. Durch Bhavakriya werden Geist und Persönlichkeit zunehmend bewusst, weshalb Bhavakriya alle Komponenten des Geistes und der Persönlichkeit vollkommen integriert. Durch Bhavakriya gewinnt der Geist an Tiefe und kann die subtilen Wahrheiten erfassen.

Ein zweiter wichtiger Aspekt für das Training des Geistes sind Entfaltung von Vorstellungs- und Willenskraft mit dem Ziel, den Geist zu klaren Erkenntnissen zu bringen. Vorstellungskraft gibt unseren Zielen eine klare und definierte Form. Bhavana – Suggestion durch Symbole – aktiviert die Willenskraft und bringt uns dem Ziel näher, nach dem wir uns ausrichten wollen.

Der dritte Aspekt für das Training des Geistes ist Konzentration. Die natürliche Tendenz des Geistes ist Unbeständigkeit. Der Geist neigt zur Zerstreuung und bleibt nicht bei einer Sache. Ein beständiger Geist ist etwas mehr oder weniger Unnatürliches. Oft wird der Geist mit Quecksilber verglichen, weil man ihn nicht festhalten kann. Die Menschen versuchen das schon seit Jahrtausenden. Doch der Mensch ist ein so einfallsreiches Wesen, dass es ihm sogar gelungen ist ein Verfahren zu entwickeln, Quecksilber in kleine Kügelchen zu pressen. Deshalb wird es ihm eines Tages auch gelingen, den vorübereilenden mentalen Prozessen Einhalt zu gebieten. Konzentration bindet den Geist an einen definierten Inhalt. Dadurch werden gewaltige mentale Energien freigesetzt, die man wiederum dafür benötigt, den Geist auch nur für eine kurze Zeit zu konzentrieren.

Der vierte Aspekt für das Training des Geistes ist Preksha Meditation. Der Begriff Preksha bedeutet sehen, wahrnehmen. Der Geist muss in der Kunst der Wahrnehmung unterwiesen werden. Bisher haben wir ihn nur in der Kunst des Denkens ausgebildet. Und genau deshalb denken wir immer so fleißig. Damit der Geist nun auch wahrnehmen lernt, müssen wir ihn neu trainieren.

Denken findet in den äußeren Bewusstseinssphären statt, Wahrnehmen hingegen in den Tiefen des Bewusstseins. Ist der Geist in der Wahrnehmung trainiert, gewinnt auch das Denken an Tiefe. Wenn wir keine eigenen Erfahrungen haben, übernehmen wir ungeprüft traditionelle Vorstellungen und Ansichten, die wir dann auch noch als wahr akzeptieren. Die Folge davon ist, dass wir an Wendepunkten im Leben von Zweifeln und bösen Vorahnungen heimgesucht werden. Direkte Wahrnehmung zerstreut sie und stärkt unser Urteilsvermögen. Oft sagen wir: „Das habe ich mit eigenen Augen gesehen.“ Wir meinen damit unser Wahrnehmungsvermögen. Wahrnehmungsvermögen ist der hieb- und stichfeste Beweis für das, was wahrgenommen werden kann. Meistens kommt das Denken an erster Stelle, und das Wahrnehmungsvermögen erst an zweiter. Es geht darum, diese Ordnung wieder umzukehren, zuerst wahrnehmen, dann denken.

In der Preksha Meditation verfolgen wir den Weg des Atems mit dem Geist, wir verknüpfen ihn mit dem Atem. Denken ist nicht Bestandteil dieses Prozesses. Die Wahrnehmung allein ist noch nicht Konzentration, Konzentration ist der zur Wahrnehmung parallel verlaufende Prozess. Der Prozess der Wahrnehmung zielt nicht darauf, den Geist zu konzentrieren, sondern ist der Versuch, neutral und ohne Mitwirkung von Emotionen oder Bewertungen wahrzunehmen. Diese Eigenschaft aktivieren wir in der Preksha Meditation. Im Laufe unserer Praxis stellt sich die Konzentration dann von selbst ein. In gewissem Sinn ist die Konzentration ein Nebenprodukt.

In der Preksha Meditation versuchen wir den Körper wahrzunehmen. Zuerst nehmen wir seine äußere Erscheinungsform wahr. Dann versuchen wir mit dem Geist in den Körper einzudringen, um seine grob- und feinstofflichen Schwingungen wahrnehmen zu können. Der menschliche Körper ist Bestandteil und zugleich genaue Reproduktion des Universums, in dem wir leben. Der Geist ist nicht auf das Gehirn beschränkt, wie das Bewusstsein hat er mehrere Schichten. Nur eine davon liegt auf einer Ebene mit den Sinnesorganen.

In der Meditation nehmen wir so viele Schichten des Bewusstseins wie möglich wahr, damit sie sich aktivieren und entfalten. Eine Schicht des Bewusstseins existiert auf der Ebene der Körperzellen. Jede Zelle hat ein eigenes Bewusstsein und kann es entfalten, wenn es durch Wahrnehmung aktiviert wird. Ohne die aktivierende Einwirkung der Wahrnehmung kommt dieser Prozess nicht in Gang. Biologisch ist jede Zelle immer aktiv.

Auch die Bewegungsnerven und die sensorischen Nerven arbeiten unaufhörlich. Die durch einen Dorn verursachte Reizung der sensorischen Nerven wird durch Impulse über die Wirbelsäule an die zuständigen Zentren im Gehirn geleitet, was eine unmittelbare Reaktion der motorischen Nerven zur Folge hat. Sie werden aktiv, und die Hand entfernt den Dorn. 

Die Bewusstseinszentren, mit denen wir subtile Vorgänge wahrnehmen können, werden erst durch die kontinuierliche Wahrnehmung in der Meditation aktiviert. Am Ende dieses langwierigen Prozesses manifestiert sich unser über die Sinne hinausreichendes Bewusstsein, und wir können die subtilen Wahrheiten wahrnehmen. 

Preksha Meditation vermittelt nicht nur Einsichten über die Beschaffenheit unseres Körpers, sie bringt uns auch dazu, die Struktur aller Objekte in der Welt zu erkennen.

Wenn wir über eine Pflanze meditieren, können wir ihr Potential und die ihrer inneren Struktur zugrundeliegende Ordnung erkennen, ihr Sein. Wir können in ihr lesen wie in einem offenen Buch.

Preksha Meditation enthüllt uns nicht nur die Transformation des eigenen Körpers, sondern auch die jedes Objektes. Sie ist eine wertvolle Orientierung zur Beschreitung neuer Wege und könnte die Philosophie wieder mit ihren Ursprüngen verbinden.

Quellen
Englischer Titel:
The Mysteries Of Mind Redaktion:
Muni Mahendra Kumar Herausgeber:
Jain Vishva Bharati Ladnun, India 2. Edition: 2002 Übertragung ins Deutsche:
2006 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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