Geheimnisse des Geistes: Der Kampf um die Freiheit (3)

Veröffentlicht: 18.10.2012

Wir beginnen unsere Sitzung mit dem Klang Arham. Damit orientieren wir uns an dem Ideal, das in dem Klang Arham ausgedrückt ist. Mit der Orientierung an diesem Ideal machen wir es unserem Bewusstsein zugänglich. Der Klang Arham vibriert in unserem Körper und ruft dort ein Echo hervor. Danach beginnen wir mit der Meditation. Nach der Meditation sprechen wir die Worte: „Ich überlasse mich den befreiten Seelen, den Heiligen und der Wahrheit, die größer ist als ich.“ Damit drücken wir die Hingabe an ein über allem Persönlichen und Objekthaften stehendes Ideal aus. Befreite Seelen und Heilige sind keine Personen, und die Wahrheit ist kein Objekt.

Der Begriff ‘befreite Seelen’ drückt die höchste Entwicklungsstufe einer Seele aus. Er beinhaltet die Realisierung des Begriffes Gleichheit und verkörpert das Ideal der Reinheit als höchste Vollendung der Seele. Dharma bedeutet die völlige Hingabe des Selbst an das Ideal der Fähigkeit zu Erkenntnissen aus den über die Sinne hinausgehenden Wahrnehmungen und den entsprechenden spirituellen Handlungen.  

Einmal war ein Prinz namens Konika in eine Schlacht verwickelt, in deren Verlauf er erkannte, dass er sie verlieren würde. Deshalb überließ er sich Indra. Nun war es an Indra, dem höchsten Gott, den Kampf für Konika zu führen. Kein Feind konnte Indra besiegen, und Konika war siegreich. Haben wir uns einmal der Wahrheit ganz und gar überlassen, gewinnen wir an Stärke.

In der spirituellen Praxis haben wir es dann mit Schwierigkeiten wie Verblendung, Trägheit und Faulheit zu tun. Im Auftrag der Täuschung greifen sie uns immer wieder an. Es gibt Waffen, die den Feind direkt treffen, und solche, die ihn indirekt treffen. Panzer und Gewehre sind direkte Waffen, verführerische Spioninnen indirekte. Es gibt unzählige derartiger Aufträge zum Ausspionieren von Informationen. Sie sind unerlässlich für jede Regierung geworden.

Täuschung ist auch eine verlockende Waffe gegen den spirituellen Aspiranten. Wenn wir ihr unterliegen, kommt es uns so vor, als sei nichts mehr zu tun und schon alles erledigt. In einer solchen Situation verlieren wir schnell die Orientierung. Mahavira sagt: „Vernachlässigung des Selbst erzeugt Angst.” Wer das Selbst vernachlässigt, hat immer vor irgendetwas Angst. Damit vertrödelt er seine Zeit und verpasst seine Chancen.

Ein König wollte einen Ministerposten besetzen. Er führte die Bewerber in einen Raum und sagte: „Ich werde den Raum nun abschließen. Wem es gelingt, die Tür zu öffnen und den Raum zu verlassen, der wird Minister.“ Alle wunderten sich, wie sie das anstellen sollten. Sechs Kandidaten saßen müßig herum, der siebente war klüger. Er dachte, dass es mit den Worten des Königs seine Bewandtnis haben muss, ging zur Tür und stieß sie auf. Der König hatte sie alle zum Narren gehalten, die Tür war unverschlossen! Er wollte die Bewerber testen und wissen, wer die Initiative ergreifen würde. Sechs von ihnen ließen sich täuschen, der siebente ergriff die Initiative und bekam den Posten.

Der spirituelle Weg ist belagert von Täuschungen, die einen in die Irre führen und inaktiv werden lassen. Doch nur durch Initiative findet man den Ausweg. In der Tradition der Jaina war Jambu Swami der letzte, dem die Befreiung aus den karmischen Verstrickungen gelang. Viele ließen sich dadurch entmutigen und verloren das Interesse an spirituellen Praktiken.

Vor einigen Jahren arbeiteten wir an der Veröffentlichung des Buches Manonushasanam. Wir erörterten den Begriff Jina Kalpa  und wollten in diesem Zusammenhang klären, was über die Sinne hinausgehende Wahrnehmung ist. Acharya Tulsi, mein Vorgänger, meinte: „Ich möchte denen gegenüber nicht unhöflich sein, welche die Auffassung vertreten, in diesem Bereich gäbe es nichts zu erörtern, geschweige denn, etwas zu sagen. Doch haben sie der Jain Tradition dahingehend geschadet, dass diese Auffassung dazu geführt hat, dass viele apathisch wurden, anstatt eine spirituelle Methode zu suchen, die einen dazu befähigt.“ Acharya Tulsi hatte recht, wo kein Wille ist, ist kein Weg.

Ein Mann lieh sich einmal 60 Rupien von einem Freund. Nach einiger Zeit gab er ihm 20 Rupien zurück und sagte: „Ich glaube, ich habe alle meine Schulden bezahlt.“ Der Freund entgegnete: „ Du hast dir 60 Rupien geliehen, mir jetzt 20 Rupien zurückgegeben, also sind noch 40 Rupien offen, denn 20+40=60!“ Der Schuldner beharrte aber: „Das mag ja sein, dass du denkst, dass 20+40=60, aber 10+10=60! Bleibe ruhig bei deiner Ansicht.“ Gegen Unnachgiebigkeit gibt es kein Mittel, deshalb sollten wir unsere Auffassungen immer aufgrund neuer Erkenntnisse korrigieren.

Wir müssen unseren Körper genauso wie unseren Geist beherrschen. Der Geist ist stets aktiv, neigt sich diesem und jenem zu und wandert herum. Wir müssen ihn beherrschen und seine Aktivität einschränken. Das können wir durch Kayotsarga erreichen. Kayotsarga ist ein Vorgang, in dem wir unsere Kräfte ausbalancieren. Doch müssen wir darauf achten, dass wir dadurch unsere Energie nicht mindern. Deshalb müssen wir auf unsere Gesundheit achten, damit uns der Enthusiasmus nicht verloren geht. Mahavira sagt: „Kämpfe um deine Seele, nicht gegen äußere Feinde. Kämpfe gegen Täuschung und Ignoranz. Zu solchen Kämpfen hat man nur selten Gelegenheit.“

Wer mit Selbstvertrauen um seine Seele ringt und nicht nachlässt, dessen Bewusstsein wird sich bis zur höchsten Ebene entfalten.

Quellen
Englischer Titel:
The Mysteries Of Mind Redaktion:
Muni Mahendra Kumar Herausgeber:
Jain Vishva Bharati Ladnun, India 2. Edition: 2002 Übertragung ins Deutsche:
2006 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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