Die Mahavira-Legende ►§1

Veröffentlicht: 22.03.2015
Aktualisiert: 23.03.2015

§1

Verehrung den Arhats!
Verehrung den Erlösten!
Verehrung den gelehrten Würdenträgern!
Verehrung den geistlichen Lehrern!
Verehrung allen Frommen in der Welt!

Diese fünfteilige Ehrerweisung ist Vernichterin alles Bösen, und von allen Glückszeichen (maṅgala) ist sie das erste.

In jener Zeit, in jenem Augenblick war der Asket, der erhabene Mahāvīra von der Mondkonstellation Uttaraphalgunī betroffen - nämlich in den folgenden fünf astronomischen Momenten: Im Zeichen der Uttaraphalgunī stieg er aus der Himmelsexistenz herab und ging, als er herabgestiegen war, in den Mutterschoß ein; im Zeichen der Uttaraphalgunī wurde er von dem einen Mutterschoß in den anderen übertragen; im Zeichen der Uttaraphalgunī wurde er geboren; im Zeichen der Uttaraphalgunī zog er, nun ein kahlköpfiger Mönch, aus dem Hause hinaus in die Unbehaustheit; im Zeichen der Uttaraphalgunī entstand ihm das unendliche, höchste, ungestörte, unbehinderte, ganze, erfüllte, in dem vorzüglichen All-einig-vollkommenen Wissen (kevala-vara) bestehende Erkennen und Schauen. Im Zeichen der Mondkonstellation Svāti erlosch der Erhabene.

§2

In jener Zeit, in jenem Augenblick, im vierten Monat der heißen Jahreszeit, in der achten Monatshälfte, der Zeit des zunehmenden Mondes des Mondmonats Āṣāḍha, am sechsten Tag dieser Zeit des zunehmenden Āṣāḍha-Mondes, stieg der Asket, der erhabene Mahāvīra hier auf den Rosenapfel-kontinent und auf diesen Erdteil Bhārata herab. Sein zwanzig Ozeanvergleichsjahre währender Aufenthalt in dem Großen Fliegenden Götterpalast mit dem Namen Mahāvijayapuṣpottarapuṇḍarika war gerade beendet, und von den sechs absteigenden Zeitaltern der gegenwärtigen Weltperiode waren die ersten drei Epochen, nämlich »Gut-Gut«, »Gut« und »Gut-Schlecht«, bereits vergangen. Von der Epoche »Schlecht-Gut« waren nur noch 75 Jahre und neuneinhalb Monate übrig. Bereits 23 Tīrthaṃkaras waren bis dahin in Erscheinung getreten, von denen 21 der Ikṣvāku-Familie und dem Kāśyapa-Geschlecht, zwei aber der Harivaṃśa-Familie und dem Gautama-Geschlecht angehörten. Von den früheren Tīrthaṃkara vorausgesagt, trat nun der Asket, der erhabene Mahāvīra, als letzter Tīrthaṃkara um Mitternacht, während der Mond im Sternbild Uttaraphalgunī stand, im Brahmanenviertel der Stadt Kuṇḍagrāma in den Leib der Brahmanin Devānandā, der Gattin des Brahmanen Ṛṣabhadatta aus dem Koḍāla-Geschlecht ein, und wurde ein Embryo.

§3

Der Asket, der erhabene Mahāvīra, verfügte schon über drei Arten des Wissens. Er wußte: »Ich werde herabsteigen«; während er herabstieg, wußte er das nicht; »Ich bin herabgestiegen«, das wußte er. In der Nacht, als der Asket, der erhabene Mahāvīra, in den Leib der Brahmanin Devānandā aus dem Jālandhara-Geschlecht eintrat, um ein Embryo zu werden, sah die Brahmanin Devānandā, halb schlafend, halb wach auf ihrem Lager verharrend, die folgenden großartigen, segenbringenden, wohltuenden, erfreuenden, glückbedeutenden, prächtigen Großträume,

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nämlich:
Einen Elefanten, einen Stier, einen Löwen, die Begießung, eine Girlande, den Mond, die Sonne, eine Flagge, eine große Vase, einen Lotusteich, ein Meer, einen fliegenden himmlischen Palast, einen Juwelenhaufen, ein Feuer.

§5-7

Gleich darauf erwachte sie. Ihr Herz klopfte vor Freude. Die Poren ihrer Haut weiteten sich, erfrischt wie die Blüten des Kadambabaumes nach einem Regenguß. Sie faßte die Träume in ihrem Gedächtnis zusammen, stand auf und begab sich ruhigen Schrittes zu dem Brahmanen Ṛṣabhadatta, ließ ihn hochleben, ließ sich auf einen bequemen Sitz nieder, atmete tief, legte ihre Fingerspitzen über ihrem Haupt zum Añjali-Gruß zusammen und sprach: »So habe nun ich, du Göttergeliebter, gerade eben auf meinem Lager im Halbschlaf diese glückbedeutenden, prächtigen Großträume gesehen. Welch segenbringendes Geschehen, Göttergeliebter, wird wohl die besondere Frucht dieser großartigen vierzehn Träume werden?«

§8

Erfreut wandte sich Ṛṣabhadatta der Betrachtung der Träume zu, bildete sich zunächst seine eigene Meinung, faßte dann mit Einsicht und Unterscheidungsvermögen den Sinn der Träume in seinem Gedächtnis zusammen und sprach zu der Brahmanin Devānandā in folgender Weise:

§9

»Großartige Träume hast du, Göttergeliebte, gesehen! Segenbringende Träume hast du, Göttergeliebte, gesehen! Freundliche, Reichtum und Glück, Gesundheit und langes Leben bedeutende Träume hast du, Göttergeliebte, gesehen! Das ist Gewinn des Ziels, du Göttergeliebte! Gewinn von Genüssen, Gewinn von Söhnen, Gewinn des Glücks! Nach neun Monaten und siebeneinhalb Tagen wirst du einen wohlgestalteten Sohn gebären mit zarten Händen und Füßen, ohne Mängel, mit allen fünf Sinnen und vollkommenem Körper, mit günstigen Haupt- und Nebenmerkmalen versehen und mit guten Eigenschaften ausgestattet, wohlproportioniert, gutgewachsen und schön an allen Gliedern, lieblich wie der Mond, reizend und lieb anzusehen.

§10

Und dieser Knabe wird, wenn er die Kindheit hinter sich gelassen hat, zu unterscheiden weiß und gereift ist, als junger Mann einer sein, der die vier Veden, nämlich den Ṛgveda, den Yajurveda, den Sāmaveda, den Atharvaveda, samt den Purāṇa als fünftem und dem Vokabular als sechstem Bestandteil auswendig gelernt hat, beherrscht und im Gedächtnis trägt, dazu die Haupt- und Nebenglieder und die Geheimlehren.

Auch Kenner der Lehre von den Kategorien und der Arithmetik wird er sein und sich vorzüglich in den sechs Gliedern der Wissenschaft auskennen, nämlich in Phonetik, Ritual, Grammatik, Metrik, Etymologie und Astronomie, sowie in vielen anderen die Brahmanen (und die Wanderasketen) betreffenden Wissenschaften.«

Quellen

Die Erlösungslehre der Jaina | Mette / Mette | Buch (Cover)

Die Erlösungslehre der Jaina

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