Karma: Der Mechanismus: Tattvarthasutra 6.12

Autor*in:  Image of Hermann KuhnHermann Kuhn
Veröffentlicht: 12.03.2014
Aktualisiert: 22.03.2014

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Bhutavratyanukampa dana saragasamyamadiyogah ksanti shauchamiti sadvedyasya (12)

  • Zuneigung zu allen Lebewesen,
  • Zuneigung zu denjenigen, die auf ihrem Weg zur Befreiung die fünf Freiheiten aktiv praktizieren,
  • Mildtätigkeit, die auf Zuneigung beruht,
  • Selbstbeherrschung, selbst wenn sie nicht perfekt ist,
  • Gleichmut, wenn sich positive oder negative Karmas manifestieren,
  • spirituelle Anstrengungen, selbst wenn sie nicht auf korrektem Wissen beruhen,
  • Meditation und intelligentes Verhalten auf dem Weg zur Befreiung,
  • das Vergeben von Fehlern (sich selbst und anderen),
  • Ausgeglichenheit und
  • die Freiheit von Gier (die Freiheit von dem Zwang, mehr und mehr besitzen zu müssen)

verursachen in dem derart handelnden jiva das Einfließen von Karma, das ein angenehmes Lebensgefühl hervorruft. (12)


Die zehn im Sutra aufgeführten Handlungsarten lassen sich in drei Gruppen mit deutlich unterschiedlichem Charakter unterteilen:

  • Selbstbeherrschung, Gleichmut und Ausgeglichenheit sind Eigenschaften, durch die ein klares, selbstbestimmtes und nicht von Hektik überschattetes Erkennen des eigenen Weges möglich wird.

  • Meditation und aktive spirituelle Anstrengungen bringen Dynamik in die geistige Entwicklung. Voraussetzung für den Aufbau des entsprechenden positiven Karmas ist jedoch die intelligente und engagierte Ausführung dieser Handlungen. (Das schließt z.B. das rein mechanische Wiederholen von Gebeten, Formeln oder Mantras, das formale Ausführen religiöser Zeremonien ohne innere Beteiligung und das Aufsuchen von Kirchen, Tempeln oder Kongregationen aus rein sozialen o.a. Gründen aus.[21])

  • Die Ausdehnung der inneren spirituellen Haltung auf die Außenwelt erhöht den Wirkungsgrad dieser Entwicklung. Sie stellt die Verbindung vom eigenen, oft isolierten Sein zum 'Rest der Welt' her.

    Das entsprechende positive Karma wird gebunden

    • durch eine Haltung der Zuneigung zu allen Lebewesen (die sich z.B. als grundlegender Respekt für deren Leben, als wohlwollende Förderung ihrer Vitalität und Fähigkeiten und als deren Schutz vor Schaden äußern kann),

    • durch Mildtätigkeit, die von Herzen kommt (das schließt z.B. das Spenden aus rein sozialen oder finanziellen Gründen aus),

    • durch den Verzicht darauf, mehr und mehr besitzen zu wollen und

    • durch das Vergeben von Fehlern, die man selbst oder die andere begangen haben.

    • Eine Sonderstellung nimmt die Zuneigung zu all denen ein, die auf ihrem spirituellen Weg aktiv an der Auflösung ihres Karmas arbeiten (die fünf Freiheiten praktizieren). Hier entsteht im sozialen Umfeld leicht die Tendenz, deren anders geartetes Verhalten für lächerlich, bedrohlich oder irrelevant zu halten und negativ oder abweisend darauf zu reagieren. Ein Verständnis für das Handeln dieser spirituell aktiven Menschen und die daraus folgende Achtung, Zuneigung und der Impuls, diese Menschen schützen zu wollen, zeigen an, daß ein jiva auf dem Weg zu seiner Befreiung schon erheblich gefestigt ist.

    Obwohl die Zuneigung zu spirituell aktiven Menschen schon in der 'Zuneigung zu allen Lebewesen' eingeschlossen ist, wird sie separat erwähnt, um deren Bedeutung für die eigene Entwicklung hervorzuheben.

Innere Gelassenheit, die Entfaltung spiritueller Aktivitäten und die Übertragung der eigenen spirituellen Haltung in die Außenwelt sind erste Anzeichen für die Tendenz eines jiva, sich von seiner Bindung an die unbelebten Elemente (Materie, Raum, Zeit etc.) befreien zu wollen.

Wie läßt sich nun diese innere Gelassenheit etc. erreichen? Der Wunsch allein reicht selten aus, um erste Anzeichen einer spirituellen Tendenz so zu verstärken, daß sie dauerhaft werden. Zwar ist der Wunsch nach einer aktiven Neuorientierung unbedingt notwendig, doch muß noch eine weitere Komponente hinzukommen, damit sich ein neues Verhaltensmuster stabilisieren kann. Diese zweite Komponente ist das Verhalten zu dem Zeitpunkt, an dem erste Impulse zu den aufgeführten Handlungsarten auftreten. Dieses Verhalten zur rechten Zeit ist von entscheidender Bedeutung.

Karma hat die Eigenschaft, in der Intensität seiner Manifestation zu variieren. So gibt es im Leben eines jiva immer wieder Zeiten, in denen weniger Karma aktiv ist und er dadurch auch weniger in seine materielle Umgebung eingebunden wird. Diese Perioden werden als Zeiten der Ruhe, Ausgeglichenheit und Nachdenklichkeit erfahren und bilden einen deutlichen Kontrast zu den aktiveren Perioden. In aktiven Perioden wird die Aufmerksamkeit und Energie eines jiva normalerweise von Handlungsabläufen vereinnahmt, deren Dynamik sein Bewußtsein überschattet, die er nur begrenzt steuern kann und die eine distanzierte Betrachtung der aktuellen Abläufe kaum möglich machen. Der Wechsel zwischen diesen beiden - vom Charakter her völlig verschiedenartigen Perioden - ist eine der Grunderfahrungen menschlicher Existenz.

Wenn - häufig in einer Periode mit weniger intensiven karmischen Manifestationen - Impulse zu den oben aufgeführten Handlungen auftreten, zeigt dies an, daß ein jiva genau zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit hat, sich für eine Befreiung aus der Überschattung seines Bewußtseins durch Aktivität und Materie zu entscheiden. (Einfach ausgedrückt: es ist zu diesem Zeitpunkt weniger Karma aktiv, das ihn an dieser Entscheidung hindern könnte.) Ob er die Gelegenheit ergreift und die Impulse in Handlung umsetzt, liegt dabei allein in seiner Verantwortung.

Das Auftreten dieser Impulse ist zeitlich begrenzt und dauert oft nur sehr kurze Zeit an. Die Entscheidung, (aus welchem Grund auch immer) erst zu einem späteren Zeitpunkt dem Impuls folgen zu wollen[22], hat daher meist zur Folge, daß später die Öffnung zu dem neuen Handlungsimpuls nicht mehr vorhanden ist und so die inspirierte Handlung nicht stattfindet. Das Versäumen des ersten Impulses wird in der (späteren) Erinnerung daran vielfach von einem Gefühl des Bedauerns begleitet, während die Umsetzung des Impulses in Handlung immer eine unmittelbare angenehme Erfahrung (Freude, Befriedigung, Harmonie etc.) auslöst.

Auch diese Art inspirierter Handlung (und die daran gekoppelten Intentionen und Gefühle) verursachen eine Bindung an Karma. Bei der (späteren) Manifestation dieses positiven Karmas erhält der jiva dann jedoch die Möglichkeit, Impulse und Informationen für eine Entwicklung zu empfangen, bei der kein weiteres Karma mehr aufgenommen wird.

Die nächsten beiden Sutren beschreiben, welche Aktivitäten und Haltungen mit Karma assoziiert sind, das Täuschung (Verschleierung) verursacht. Davon gibt es zwei Varianten:

  • Karma, das das Entstehen nicht-irrenden intuitiven Ver-stehens behindert und
  • Karma, das richtiges Handeln blockiert.

Zunächst die Aktivitäten, die das Entstehen nicht-irrenden intuitiven Verstehens behindern:

Fußnoten
21:

Zum Vorkommen im Text springen

22:

Zum Vorkommen im Text springen

Quellen
Titel: Karma: Der Mechanismus Ausgabe: 1998 Verlag: Crosswind Publishing, 31505 Wunstorf ISBN: 3-9806211-9-7 HN4U Online Edition: 2014

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