Meditieren - warum?: Veränderung des Charakters & Preksha Meditation (1)

Veröffentlicht: 09.12.2012

Ein Mann kam mit seinem Sohn zu mir und sagte: „Gurudev, bitte mache meinem Sohn klar, dass er sich vornehmen sollte, ein guter Mensch zu werden. Er hat keine guten Angewohnheiten.“ Der Vater möchte, dass der Sohn seine Angewohnheiten ändert. Häufig erleben wir auch, dass ein Sohn sich von seinem Vater wünscht, dass dieser seine Angewohnheiten ändert. So sagte ein Achtjähriger: „Mein Vater ist süchtig nach parfümiertem Tabak. Bitte sag’ ihm, dass er das nicht mehr machen soll.“

Die Frage stellt sich, ob wir unsere Angewohnheiten oder unsere Natur überhaupt ändern können. Jedenfalls nicht durch guten Rat oder gute Vorsätze. Die Früchte des Schirmbaumes (Neem) sind von Natur aus bitter, sie werden selbst dann nicht süß, wenn man sie mit Ghee [geklärter Butter] in flüssigem Rohrzucker schmort. Einerseits möchten wir uns nicht ändern, andererseits können wir uns Bitten nicht verschließen, unsere schlechten Angewohnheiten aufzugeben. Daraus lässt sich folgern, dass wir unser Wesen durchaus ändern können. Bloße Appelle nützen gar nichts. 

Unter dem Aspekt der Karmaphilosophie tauchen viele Fragen auf: Wo wird unser Wesen geformt? Wo unser Naturell? Wo unsere Gewohnheiten? Im grobstofflichen oder im feinstofflichen Körper?

Die Schwingungen des feinstofflichen Körpers formen aus unseren Angewohnheiten tief verwurzelte Gewohnheiten, die im Laufe der Zeit den Charakter unseres Wesens bestimmen. Doch wo fangen wir mit der Veränderung an? Im grobstofflichen oder im feinstofflichen Körper? In der Preksha Meditation haben wir uns nach langen Erörterungen darauf geeinigt, dass der wissenschaftliche Begriff „Feedbackmechanismus“ am besten zutrifft, wenn wir Züge unseres Wesens für veränderungsbedürftig halten und uns verändern wollen. Fastet man zum Beispiel, wirkt sich das Fasten auf den physischen Körper aus, dieser wird leichter. Betrachtet man den Vorgang des Fastens jedoch unter dem Aspekt der Karmalehre, werden durch das Fasten die im Karmakörper vorhandenen Karmapartikel aufgelöst, was in der Jainalehre als Nirjara - Auflösen früherer Konditionierungen - bezeichnet wird. Nirjara besagt, dass sich die karmischen Verknüpfungen im Karmakörper lösen, wenn dem physischen Körper Nahrung entzogen wird und zugleich Verfahren wie Meditation und Introspektion praktiziert werden.

Im Acharanga Sutra der Jain Agamas - eine der ältesten Schriften des Jaina Kanons - steht: „Bring den Karmakörper zum Schwingen!“ Ohne die Vibrationen des Karmakörpers vibriert auch der physische Körper nicht, und man kann seine Gewohnheiten nicht ändern. Das ist die spirituelle Deutung des Feedbackmechanismus. Der physische Körper erlebt die Auswirkungen des Fastens in Form von Hunger, im Karmakörper bewirkt der Vorgang des Fastens das Auflösen, bzw. Abwerfen von Karmapartikeln. Der physische Körper und der Karmakörper sind in einer Feedbackschleife eng miteinander verbunden. Die Vibrationen des physischen Körpers beeinflussen den Karmakörper und dessen Vibrationen den physischen Körper. Was sich im physischen Körper ereignet, wirkt sich auf den Karmakörper aus und umgekehrt. Ohne Wissen ihrer Korrelation können wir den Vorgang der Wesensänderung nicht verstehen. Unser Wesen verändert sich im Karmakörper, und die Veränderung manifestiert sich im physischen Körper.

Dann stellt sich allerdings die Frage, wie man den Karmakörper so stimulieren kann, dass er schwingt. Preksha Meditation ist ein gangbarer Weg dahin. Durch bewusste Wahrnehmung des Atemvorgangs aktiviert man das auch im grobstofflichen Körper präsente Bewusstsein. All unsere Aktivitäten führen wir mit dem physischen Körper aus, auch den Vorgang des Atmens. Wenn wir unseren Atem bewusst wahrnehmen, erreichen die sanften Schwingungen des aktivierten Bewusstseins in Form von Vibrationen den Karmakörper und bewirken dort die Auflösung karmischer Bindungen. Ohne Kenntnis dieses Vorgangs kann man schwerlich ein Verständnis des Begriffes „Reinigung“ entwickeln. Alle Verfahren der Preksha Meditation, Kayotsarga, Wahrnehmung des Atems, Wahrnehmung des Körpers, Wahrnehmung der psychischen Zentren, Farbmeditation etc, werden mit dem physischen Körper durchgeführt und wirken tief ins Innere bis zum Karmakörper. Unsere Welt ist voller Schwingungen, wer die Schwingungstheorie versteht, kann diesen Vorgang sehr leicht nachvollziehen. 

Beispielsweise nimmt sich jemand vor, für die Ausführung einer bestimmten Arbeit weniger als zehn Minuten zu brauchen. Mit diesem geistigen Vorhaben werden subtile Schwingungen in Gang gesetzt. Wer während seiner Aktivitäten immer wieder an sein Vorhaben denkt, identifiziert sich schließlich so stark damit, dass er mit seinem Vorhaben eins wird und ihm eines Tages auch dessen Realisierung gelingt. Auf diese Weise kann alles erreicht werden, was man sich vornimmt. Zuerst werden die Schwingungen erzeugt, die schließlich durch stete Wiederholung an Häufigkeit und Stärke zunehmen. Im Laufe der Zeit gelingt es dann, die Wirklichkeit durch Ausprägung von Gedanken zu gestalten.

Quellen
Englischer Titel:
Why Meditate? Redaktion:
Muni Dhananjay Kumar
Herausgeber:
2005 Jain Vishva Bharati
Institute, ©2005 Übersetzung ins Englische:
2005 Samani Charitra Pragya,
Neeraja Raghavan, Sudhamahi
Regunathan Übertragung ins Deutsche:
2008 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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