[B im Plan 1]
Etwas oberhalb des Vimala Sah-Tempels gelegen, verdankt diese Anlage ihre Entstehung der Aktivität zweier Brüder, Tejapala und Vastupala, die als größte Bauherren überhaupt in die indische Architekturgeschichte eingegangen sind. Sie waren Minister des Königs Viradhavala und neben zahlreichen Stiftungen, die sich nicht erhalten haben, verdanken wir ihnen neben Abu bis heute den Neminatha-Tempel von Girnar.
Einer populären Jaina-Legende zufolge sollen die Brüder während einer Pilgerreise wegen der unsicheren Verhältnisse einen Teil ihres Geldes unter einem Baum versteckt haben. Als sie es später wieder ausgruben, fanden sie mehr Gold vor als ursprünglich vorhanden. Die Frau Tejapalas, Anupama Devi, kam ihnen in ihrer Ratlosigkeit zu Hilfe und schlug ihnen vor, das Ganze als Zeichen zu nehmen und von ihrem Reichtum Tempel in Shatrunjaya und Girnar zu erbauen. Später als Minister beschlossen sie im Gedenken an ihren verstorbenen Bruder Luniga, dem 22. Tirthankara Neminatha auch in Mount Abu ein Heiligtum zu weihen.
Der Luna Vasahi wurde 1231 durch den Architekten Sobhana errichtet, in einer Zeit, in der die Vaghela-Dynastie praktisch die Macht von den Solanki übernommen hatte; an diesem Prozess waren die Brüder offenbar massgeblich beteiligt, was ihren großen Einfluss und Reichtum erklären mag. Stilistisch jedoch schließt er sich eng an den Vimala Sah-Tempel an, was ihn zur letzten großen Solanki-Schöpfung werden lässt. Für den Transport der Steine ließ Tejapala eigens eine Strasse mit geringer Steigung anlegen, die wegen der muslimischen Bedrohung später wieder abgerissen wurde. Der logistische Aufwand muss ungeheuer gewesen sein; so ist überliefert, dass spezielle Rasthäuser nur zur Versorgung der Transportarbeiter und -tiere eingerichtet wurden.
Plan 4: Grundriß Tejpala-Tempel
Der 52 x 28,5 m messende Bau hält sich eng an sein Vorbild. Wenn auch genau umgekehrt, also nach Westen orientiert, so folgen die gleichen Bauteile aufeinander wie im Vimala Vasahi, so dass sich eine Beschreibung weitestgehend auf die Unterschiede beschränken kann; der T-förmige Tempel liegt in einem Hof, der von 52 devakulikas mit doppelter Kolonnade davor umgeben ist. Nur im Norden und Süden springt je eine Cella etwas aus dem geschlossenen Grundriss heraus. An der Rückseite gibt es hier keine Schreine, sondern eine geschlossene Halle mit frühen jalis (ornamental durchbrochene Mauern), die stark beschädigte Statuen der Stifterfamilien enthält.
Das Allerheiligste wird von einem so flachen phamsana (Pyramidendach) bedeckt, dass es die Anlage kaum überragt. Davor befinden sich das stützenfreie gudha-mandapa (Nr. 2 im Plan) und eine Säulenhalle (navchoki; Nr. 3 im Plan). Hierher muss man allerdings von der Tanzhalle aus über drei Stufen hochsteigen.
Die acht Säulen des ranga-mandapa werden durch geschwungene Bögen zu einem Oktogon aus toranas verbunden. Von ausgefeilter Präzision ist auch hier die Kuppel, deren Schlusstein proportional jetzt ein wesentlich größeres Gewicht als beim Vimala SahTempel zukommt. An den 16 Wissensgöttinnen lässt sich der Stilwechsel seit der Mitte des 12. Jahrhunderts gut ablesen: sie sind wesentlich schlanker geformt und wirken fast fleischlos ausgezehrt im Gegensatz zu den älteren Gegenstücken. Aber auch dies ist nicht überall so, wie ein Blick auf die vollbusige Göttin im Zwickel des ranga-mandapa zeigt.
Von der skulpturalen Ausstattung sei nur ein Beispiel hervorgehoben: das Deckenrelief mit Szenen aus dem Leben Neminathas im nördlichen Umgang (s.Foto S.38 oben), das kleinteilig in einem Gewimmel von Figuren das Geschehen zeigt.