Jainismus und die Tempel von Mount Abu und Ranakpur: Mount Abu

Veröffentlicht: 25.11.2012

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Eines der wichtigsten Heiligtümer der Jainas ist der Dilwara-Tempelkomplex auf dem Berge Abu im südwestlichen Rajasthan, nahe der Grenze zu Gujarat. Wer von Abu Road die sich emporwindende Strasse zum Plateau hinauffährt, fühlt sich nach der vorher eher kargen Landschaft in eine andere Welt versetzt. Granitfelsen, Dattelpalmen, Mangobäume, Bambus, auch Orchideen und Wandelröschen bestimmen die Szenerie, entlang der Strasse tummeln sich schwarzgesichtige Languren, selbst Bären und Panther finden hier noch Lebensraum.

Erreicht man das zwischen 1000 und 1700 Metern hoch gelegene Plateau des Abu, wird man von einem fast mediterranen Klima empfangen, dessen Temperaturen im Winter sieben Grad Celsius nicht unterschreiten und die im Sommer nicht über 32 Grad klettern. Die für Rajasthan ungewöhnlich hohe Niederschlagsmenge von ca. 1600 mm im Jahr sorgt für die offenkundige Fruchtbarkeit. Es nimmt nicht wunder, dass unter diesen Umständen der Mount Abu ein bevorzugtes “Hill Resort”, eine Sommerfrische für die Einheimischen darstellt. Insofern lebt das Plateau mit seinen etwa 20.000 Einwohnern und seinen überdurchschnittlich vielen Hotels von den Touristen. Bestimmte Anziehungspunkte wie der Sunset Point oder der Perlensee (Nakki Lake) mit seiner edwardianischen Architektur und den vielen Maharaja-Sommersitzen ringsherum bestechen heute mehr durch die Möglichkeit, indische Farbigkeit und Ausgelassenheit zu studieren als durch ihre Idylle. Diesem Massenansturm ist es zuzuschreiben, dass die Dilwara-Tempel heutzutage nur noch ab mittags besichtigt werden können, da der Morgen dem Tempeldienst und den Pilgern vorbehalten bleibt. Es herrscht ein strenges Fotografierverbot, denn auch in Indien lieben es Hochzeitsreisende, sich bevorzugt in historischer Umgebung zu Fototerminen einzufinden. Dies schien dem Trust, der den Tempel verwaltet, als nicht vereinbar mit der religiösen Stimmung des Ortes.

Der Name Abu ist abgeleitet von Arbudachala (Hügel von Arbuda). Dies spielt auf die Legende der Entstehung des Berges an. In uralter Zeit soll hier der Weise Vasishta, der Lehrer Ramas, gelebt haben; bereits das Nationalepos Mahabharata, dessen Ursprünge in vorchristlichen Jahrhunderten liegen, erwähnt den Ort als Vasishtashram (Wohnung des Vasishta). Der heilige Eremit war im Besitz einer Wunderkuh, Kamadhenu (Kuh der Fülle), die einem als ein indisches “Tischlein-deck-dich” jeden Wunsch erfüllen konnte. Eines Tages fiel sie in einen großen See und der Heilige wandte sich an die Götter im Himalaya um Hilfe. Sie entsandten die kosmische Schlange Arbuda, die mit einem riesigen Felsen, eben dem Mount Abu, den See auffüllte und damit der Kuh wieder auf das feste Land verhalf.

http://de.herenow4u.net/fileadmin/cms/Buecher/Jainismus-Tempel_von_Mount_Abu_und_Ranakpur/32.jpgEine andere Sage, wiederum unter Mitwirkung von Vasishta, macht den Abu zu einem der heiligen Gründungsplätze Rajasthans bzw. der wichtigsten Rajputengeschlechter. Als Vishnu in seiner 6. Inkarnation als Parashurama auf Erden weilte, rottete er systematisch mit seinem berühmten Beil die Kriegerkaste der Kshatriyas aus. Die übrigen Götter baten Vasishta um Hilfe, das nötige Gleichgewicht innerhalb der Gesellschaft erhalten zu können. Der Heilige zelebrierte daraufhin ein uraltes Feuerritual in seiner Klause und aus den Flammen schuf er die “vier feuergeborenen Rajputenclans”, die Pratihara, Chauhana, Solanki und Paramara, die seither massgeblich die Geschichte Rajasthans mitbestimmt haben; unter anderen führen sich auch die Fürstengeschlechter Jaipurs und Udaipurs auf sie zurück.

So wie die Gestalt Parashuramas mythologisch erklären soll, wie nach der Landnahme der Arier die dabei natürlich dominierende Kriegerschicht durch die Brahmanen abgelöst wurde, so soll offenbar diese Geschichte aufzeigen, warum sich gerade in Rajasthan die bevorzugte Stellung der Krieger dennoch erhalten konnte. Vielleicht gab sie damit auch eine Erklärung für die Umwandlung ehemaliger zentralasiatischer Hunnen in die allgemein als sakral empfundenen Rajputenclans mittels einer Feuer-Initiation. Zehn Kilometer von der Stadt entfernt werden bis heute Einsiedelei und Feuerplatz des Vasishta gezeigt.

Wahrscheinlich stammten die Paramara, die vom 10.-14. Jahrhundert über den Abu herrschten, tatsächlich aus dieser Gegend. Dies soll wohl eine veränderte Version der oben geschilderten Sage belegen, in der Vasishtas Kuh von einem gewissen Vishvamitra gestohlen wurde. Daraufhin entzündete der Einsiedler das Heilige Feuer, gab ihm Opfergaben und rezitierte sakrale Texte, bis ein gewaltiger Held aus dem Feuer sprang, der die Kuh zurückbrachte. Der dankbare Heilige gab ihm den Namen Paramara (Schlächter der Feinde). Da diese Geschichte Ende des 10. Jahrhunderts von Padmagupta Parimala überliefert wurde, sollte sie wohl zur Rechtfertigung der gerade errungenen Paramara-Herrschaft dienen. Diese kennen wir historisch bereits seit dem frühen 9. Jahrhundert, da sie noch als Vasallen der Rashtrakutas auf dem Dekkhan dienten.

Der Mount Abu war also schon seit ältester Zeit den Hindus heilig, aber ebenso den Jainas. Der Sohn Adinathas, des ersten Tirthankara, soll hier an einem “Hof der Götter” genannten Platz seinem Vater einen Tempel errichtet haben. Später kam Mahavira hierher, um Erleuchtung zu erlangen und in seiner Nachfolge sind hunderttausende von Jainas im Laufe der Jahre zum Abu gepilgert, um Busse zu tun und auf dem Wege zur Erlösung voranzuschreiten.

Außer der Mythologie fehlen uns genauere historische Kenntnisse zur frühen Geschichte des Berges. Wir erfahren von Bhillalas und Nagas, die reichlich legendär den Abu in der Frühzeit bewohnt haben. Letztere haben die Durga verehrt, was auf einen Mutterkult hindeutet, der auch in historischer Zeit noch fassbar ist. Dann tauchen die ersten Königsnamen auf und seit 961 hat sich mit König Dhumraja die Paramara-Dynastie etabliert. Bereits wenige Jahrzehnte später geriet sie unter die Herrschaft des Mulraja Solanki von Gujarat und öffnete sich damit den Einflüssen des Solanki-Stils, dem die frühen Dilwara-Tempel angehören. Die Könige dieser Zeit bedienten sich gerne der Hilfe von Jaina-Ministern, die mit ihrem sagenhaften Reichtum als Stifter der Tempel fungierten.

Die große Zeit des Abu endete, als Rao Lumba aus der Deora-Chauhana-Dynastie den Berg eroberte (1311) und die Paramara auslöschte; er verlegte die Hauptstadt nach Chandravati in der Ebene. Nach der Zerstörung Chandravatis 1405 verlegte Rao Sahasmal die Residenz dann nach Sirohi.

Bei seinem Versuch, von Mewar aus ein rajputisches Großreich zu errichten, eroberte kurzfristig Rana Kumbha, bekannt für seine Bauten in Chittorgarh und den großartigen Jaina-Tempel von Ranakpur, den Mount Abu und errichtete die Festung Achalgarh. Wenn er auch schnell wieder vertrieben wurde, so war Achalgarh doch maßgeblich daran beteiligt, dass die Moslems mehrfach bei dem Versuch scheiterten, den Abu zu erstürmen.

Mit den Engländern, die früh die Idylle des Abu entdeckten, einigten sich die Herrscher von Sirohi friedlich. Diese erbauten hier ein Sanatorium und oft nahm der englische Resident in dem milden Klima seinen Wohnsitz. 1917 wurde den Engländern der Berg ganz überlassen, so dass die prächtigeren Bauwerke um den Perlensee herum weitestgehend vom Einfluss englischer Kolonialarchitektur bestimmt werden. Mit der Unabhängigkeit des Landes ging der Berg zunächst wieder in den Besitz der Herren von Sirohi über und seit 1956 gehört er endgültig zum Bundesstaat Rajasthan.

Quellen

Englische Ausgabe:

  • Jainism And The Temples Of Mount Abu And Ranakpur
  • ISBN: 81-904045-0-4
  • Copyright: © Gyan Gaurav Publishers.
    C-34, Sir Pratap Colony, Airport Road, Jodhpur
    Tel.: 91 291 2515861, 9414127863
  • Herausgeber: Dilip Surana
  • Layout & Graphics: Antesh Choudhary
  • Text: © Lothar Clermont
  • Photos: © Thomas Dix
  • Erstausgabe: 1998
    Überarbeiteter Nachdruck: 2006, Thomson Press, New Delhi
  • Seiten: 96
    Format: 242 x 312 mm

  • 2012 Überarbeitete HereNow4U Online Edition

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