Geheimnisse des Geistes: Die Suche nach der Wahrheit (3)

Veröffentlicht: 22.09.2012

Ein reicher Mann stellte zur nächtlichen Bewachung seines Firmengeländes einen Wachmann ein. Eines Tages kam der Wachmann zu ihm und sagte: „Ich habe gehört, dass Sie morgen mit dem Zug reisen wollen. Bitte verschieben Sie ihre Reise, denn wenn Sie morgen fahren, würde Ihnen etwas passieren.“ Der Chef antwortete: „Sie sind ein Einfaltspinsel. Ich muss die Manager meines Betriebes treffen und wichtige Entscheidungen fällen. Alles ist sorgfältig geplant und wenn ich nicht zu dem Treffen erscheine, können keine Entscheidungen getroffen werden. Ich muss dorthin.“

Der Wachmann entgegnete darauf: „Das verstehe ich, aber es gibt wichtige Gründe, weshalb Sie die Reise nicht antreten sollten. Letzte Nacht habe ich geträumt, dass der Zug, mit dem Sie fahren wollen, verunglücken wird. Bitte fahren Sie nicht.“ Der reiche Mann verschob die Reise, weil er den Traum des Wachmannes für ein schlechtes Omen hielt. Am nächsten Tag wurde berichtet, dass der Zug, den er nehmen wollte, einen Unfall hatte, bei dem einige Passagiere ums Leben gekommen waren. Der reiche Mann rief den Wachmann zu sich, gab ihm eine ansehnliche Belohnung und entließ ihn mit den Worten: „Ich habe dich für den Wachdienst eingestellt und nicht zum Schlafen und Träumen.“

Wachsamkeit beinhaltet Sehen. Etwas zu sehen und direkt wahrzunehmen ist der sichere Nachweis für dessen Existenz. Indirekte Nachweise wie Folgerung, Erinnerung und schriftliche Bestätigung haben geringere Authentizität. Die Schriften werden nur deshalb als authentisch anerkannt, weil ihre Autoren die Wahrheit direkt wahrgenommen haben. Wäre es nicht so, wären die in den Schriften angeführten Beweise unzulässig. Auf direkter Wahrnehmung basierende Folgerungen werden anerkannt.

Es ist bekannt, dass Feuer Rauch erzeugt. Auf dieser Grundlage sagen wir, wann immer wir Rauch sehen, dass er durch Feuer erzeugt wird. Die gesamte Struktur unseres Wissens basiert auf direkter Wahrnehmung.

Bei der Wahrnehmung des Körpers haben wir die Aufgabe, seine offensichtlichen und seine verborgenen Aktivitäten wahrzunehmen.

Es gibt drei Methoden der Wahrnehmung - bezogen auf das Auge, das selbst nur eines unserer Wahrnehmungsinstrumente ist - mit

  1. offenen Augen,
  2. halb geöffneten Augen,
  3. geschlossenen Augen.

Einsicht wird erst wirksam, wenn wir die Augen schließen. Einsicht bietet eine tiefere Perspektive als eine nach außen gerichtete Wahrnehmung. Was wir mit den Augen außen nicht erkennen können, lässt sich durch Einsicht trotzdem wahrnehmen.

Die Dinge mit offenen Augen und fixiertem Blick wahrzunehmen (1.) wird Animesh Preksha genannt und ermöglicht tiefe Erkenntnis.

Betrachtet man ein Gesicht eine halbe Stunde lang ohne den Blick abzuwenden, sieht man Tausende seiner Facetten. Letztendlich aber nimmt das Gesicht die Form einer hellen Flamme an

Die 2. Methode der Wahrnehmung (Preksha) ist das Sehen mit halb geöffneten Augen. Für diese Art der Wahrnehmung müssen wir den Blick unserer halb geöffneten Augen auf unsere Nasenspitze richten. Nach einer halben Stunde macht man seltsame Erfahrungen. Wir sehen unsere aus Fleisch und Knorpeln bestehende Nasenspitze leuchten. Preksha oder wahrnehmende Meditation enthüllt uns dabei immer neue Einsichten und Erfahrungen.

Wenn man wahrnimmt, hört man auf zu denken und umgekehrt. Es gibt drei Arten der Wahrnehmung: flüchtig, konzentriert und vollkommen.

  1. Flüchtige Wahrnehmung wird von Denken begleitet.
  2. Während der konzentrierten Wahrnehmung wird weniger gedacht.
  3. Vollkommene Wahrnehmung ist tiefgehende Wahrnehmung und findet in einem Zustand ohne Gedankentätigkeit statt.

Jemand zitterte vor Kälte. Sein Begleiter riet ihm ein Tuch umzulegen, woraufhin der andere sich ein Baumwolltuch nahm, das ihn jedoch nicht wärmte. Als er sich bei seinem Gefährten beklagte, wies dieser ihn zurecht: „Du müsstest eigentlich intelligent genug sein dir ein Wolltuch zu nehmen. Wie kann ein Baumwolltuch gegen die Kälte schützen?“

Das gilt auch für die Wahrnehmung. Man kann nicht gleichzeitig wahrnehmen und denken. Wer etwas wahrnehmen möchte, sollte nicht denken.

Dann kommt die Frage, was wir wahrnehmen werden. Man kann Gutes und Schlechtes wahrnehmen. Wer zum Zorn neigt, sollte versuchen auch seinen eigenen Zorn wahrzunehmen. Wer Zorn wahrnehmen kann, ist auch in der Lage Überheblichkeit wahrzunehmen. Zorn ist die primitivste Veranlagung des Menschen, die jeden erfasst. Überheblichkeit hingegen manifestiert sich seltener. Nicht zuletzt folgt der Kummer, auch den muss man wahrnehmen.

So sehen wir die Konsequenzen des Zorns, sehen Freud und Leid, Genuss und Schmerz, und nehmen ihre Schwingungen wahr. Wir nehmen den Atem, den Körper, Ausgeglichenheit, Gleichmut und die Einheit aller Identitäten wahr, den einsamen Menschen und das reine Bewusstein, in dem nichts anderes als der Erkennende und zugleich Wissende wahrzunehmen ist.

Wir sollten erkennen, dass mit mentalen Vorgängen immer eine Differenzierung und Bewertung stattfindet. Keine Präferenzen bei der Wahrnehmung! Vorlieben und Abneigungen sind nur für das Denken relevant, bei der Wahrnehmung sollten sie keine Rolle spielen, man nimmt wahr, was einem vor die Augen kommt. Schließlich erreicht man ein Stadium, in dem es nichts mehr wahrzunehmen gibt. Das ist das Ende des Wahrnehmens. Man nimmt dann nur noch das reine Bewusstsein wahr, die Plackerei mit Erkenntnis und Wahrnehmung ist hier zu Ende, die spirituelle Reise auch.

Um zu erwachen bedarf es der permanenten Übung in aufmerksamer Wahrnehmung. Nur dadurch können wir uns von der Unaufmerksamkeit befreien.

Wachsamkeit sich selbst gegenüber schärft Verstand, Erinnerungsvermögen und Urteilsfähigkeit.

Grundlage all dieser Fähigkeiten ist Wahrnehmung. Deshalb beschäftigen wir uns mit geeigneten Methode der Wahrnehmung und ergänzen sie mit Kontemplation.

Quellen
Englischer Titel:
The Mysteries Of Mind Redaktion:
Muni Mahendra Kumar Herausgeber:
Jain Vishva Bharati Ladnun, India 2. Edition: 2002 Übertragung ins Deutsche:
2006 Carla Geerdes
2012 Überarbeitete Fassung
Carla Geerdes

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